Handelsvertreter

Kann man noch widerrufen?

Kaum haben mehr als 70 % der Generali-Außendienstler ihre unterschriebenen Verträge zur DVAG geschickt, taucht jetzt vereinzelt die Frage auf, ob man „aus dem Angebot“ wieder raus kommt.

Juristisch gesehen liegt ein Vertragsangebot unter Abwesenden vor. Der Vertrag kommt postalisch zustande. Das Angebot ist durch den Berater durch Übersendung seines unterschrieben Vertragsteils abgegeben worden.

§147 Abs.2 BGB:  Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf.

Ist die Zeit vorbei, und wird die Annahme des Vertrages zu spät zurückgeschickt, kommt kein Vertrag zustande.

Wann die Zeit vorbei ist, und der Antragsteller nicht mehr an den Antrag gebunden ist, sagt § 147 Abs. 2 BGB nicht genau. Bei gewerblichen Mietverträgen dürften 2-3 Wochen genügen. Wenn dann der unterschriebene Vertrag nicht zurück ist, ist kein Vertrag zustande gekommen.

Wenn der potentielle Berater ein Verbraucher ist, könnte ihm ein Widerrufsrecht gem. §355 BGB zustehen. Nach §312 g Abs.1 BGB gibt es bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht.

In der Regel ist ein Handelsvertreter jedoch nicht als Verbraucher anzusehen, da er gewerblich handelt. Während Arbeitnehmer nach dem Bundesarbeitsgericht als Verbraucher gelten,  wird einem Handelsvertreter kein Widerrufsrecht zustehen.

Rechtschutz für Handelsvertreter

Sogar der eine oder andere im Handelsvertreterrecht spezialisierte Anwalt weiß nicht, dass das Handelsvertreter- und Vertriebsrecht grundsätzlich nicht rechtschutzversicherbar sind.

Einige Verbände bieten für ihre Mitglieder Rechtschutzversicherungen an. Normalerweise steht der Handelsvertreter wegen der Anwalts- und Gerichtskosten aber im Regen.

In einem Facebook-Forum wurde dann die Frage nach einer Versicherung an die Experten gestellt. Als „potentiell möglich“ erfuhr man dort von der Örag, Roland-Rechtschutz und KS-Auxilia.

Eine Anfrage bei der Örag von vor einer Woche blieb jedoch bis heute unbeantwortet. Dabei ist die Örag die größte Gewinnerin unter den Rechtschutzversicherern.

Bei den privaten Rechtschutzversicherern hat die WGV die Nase vorn. Hoffentlich lässt sich zum Thema Versicherbarkeit von Handelsvertretern bald etwas anderes sagen.

Wie lang ist die Zukunft?

Außendienstmitarbeiter der Generali waren und sind in den letzten Jahren von vielen Änderungen betroffen. Den ersten großen Wechsel durften langjährige Mitarbeiter bereits 2009 verzeichnen, als der Vertrieb der Volksfürsorge in die Generali Versicherung AG überging. Bei den Volksfürsorgevertretern handelte es sich ursprünglich um Angstellte, also Arbeitnehmer.

Ende 2016 ging es dann für diese per Betriebsübergang zur Generali Deutschland AG. Dies betraf eine Reihe von Außendienstmitarbeitern, die im Wege des § 613 a BGB damit einen neuen Arbeitgeber bekamen.

Im Jahre 2016 gab es dann erste Gespräche über das Projekt Agentur der Zukunft oder auch Team-Agenturmodell. Im Jahre 2017 entschieden sich dann einige Außendienstarbeitnehmer der Generali Deutschland AG zukunftsorientiert zur Aufgabe des Angestelltenverhältnisses und zum Wechsel in das Handelsvertrerterverhältnis.

Gemäß dem von der Generali vorgestellten Modell sollten damit neue, erfolgreiche und tragbare Strukturen für die Zukunft geschaffen werden. Die Frage, wie lang die Zukunft dauert, wurde schnell beantwortet. Die Zukunft hielt nämlich nicht lange an. Wenige Monate später bereits verkündete die Generali, dass man den gesamten Vertrieb zur DVAG bringen will, einschließlich der im Außendienst tätigen Handelsvertreter und der Arbeitnehmer.

Dem Projekt Team-Agenturmodell gehörte damit eine Zukunft von wenigen Monaten. Dass dies bei dem anderen oder anderen erhebliche Bauchschmerzen bereitete, zumal dann, wenn man seinen festen Arbeitsplatz dafür aufgab, liegt auf der Hand.

Die Aufgabe des Arbeitsplatzes erfolgte 2017 mit einem typischen Aufhebungsvertrag. Gleichzeitig wurde der Vertrag als Handelsvertreter geschlossen. Weil man sich eine andere Vorstellung über die Dauer der Zukunft gemacht hat, dachte manch einer sogar daran, den Aufhebungsvertrag von 2017 anzufechten.

Diejenigen, die bis zum Schluss im Arbeitsverhältnis der Generali stehen, bekommen eine Abfindung. Diese soll nunmehr fest zwischen dem Betriebsrat und der Generali vereinbart sein. Die Abfindung wird wohl in einer Summe nach Vertragsende gezahlt. Die Handelsvertreter haben allenfalls einen Ausgleichsanspruch gem § 89 b HGB.  Eine Arbeitnehmer-Abfindung bekommen sie nicht. Der Ausgleich soll wohl jedoch nicht etwa mit Ende des Vertrages mit der Generali ausgezahlt, sondern soll auf andere Weise zur Verfügung gestellt werden.

Zum April 2018 sollen jetzt die Verträge mit der Allfinanz Aktiengesellschaft DVAG in München geschlossen werden, die – folgt man Gerüchten – auch wieder nur ein Übergang ist.

Generali soll kurz vor dem Run-off stehen

Versicherungswirtschaft-heute.de zufolge steht der Verkauf der Generali-Lebensversicherungen kurz bevor. Bieter sind danach die „Frankfurter Leben, die jüngst die Pensionskasse der Axa kaufte, Viridium, übernahm Protektor, und Athene“, Käufer der Deutschland Tochter von Delta Lloyd. Während die Ergo ihre Run-off-Pläne zu Grabe trug, steht die Generali vor einer weiteren großen Veränderung.

Die Generali hatte bereits den Wechsel des Außendienstes zur DVAG entschieden. Die Mitarbeiter haben jetzt die neuen Angebote der DVAG erhalten und sollen zur Allfinanz Aktiengesellschaft DVAG nach München wechseln. Von dort erhielten sowohl die Angestellten im Außendienst als auch die Handelsvertreter, und auch die, die erst im Jahre 2017 von der Festanstellung in die Handelsvertretung übergingen, ein neues Vertragsangebot.

Ergänzung: Gemäß FondsOnline vom 5.3.18 hat die Generali der Meldung widersprochen, dass zwei Run-off-Plattformen Gebote abgegeben hätten.

OLG Karlsruhe: DVAG muss Guthaben aus Rückstellungskonto auszahlen

Am 13.09.2017 entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe unter dem Aktenzeichen 15 U 7/17, dass eine Provisionsabrechnung ein abstraktes Schuldanerkenntnis darstelle und dass den Unternehmer besondere Darlegungspflichten treffen, wenn er die Stornoreserve verrechnet. Die DVAG hatte nach Ende des Vermögensberatervertrages Provisionsansprüche gegeneine Vermögensberaterin geltend gemacht. Diese hatte mit der Klage die Auszahlung der Stornoreserve verlangt.

Gegenstand war ein Vermögensberatervertrag aus dem Jahr 2007. Die Provisionsabrechnung aus dem Jahr 2011 wies ein Guthaben von fast 12.000,00 € auf dem Provisionsrückstellungskonto auf. Der Vermögensberatervertrag ging zum 31.12.2012 zu Ende.

 

Vorverfahren

Am 18.05.2012 hatte das Provisionsrückstellungkonto ein Saldo von knapp 5.000,00 € und ein leichtes Guthaben auf dem Diskontkonto. Der Differenzbetrag wurde schon früher von der DVAG eingeklagt. Es gab also bereits ein abgeschlossenes Vorverfahren. Dieses endete in einem Berufungsurteil. Das Landgericht Mosbach hatte bereits mit Urteil vom 04.11.2015 unter dem Aktenzeichen 5 S 9/15 in der Berufung den Anspruch der DVAG rechtskräftig abgewiesen.

Das Verfahren ging weiter.

 

Klage der DVAG

Am 18.05.2016 betrug das Sollsaldo der Provisionsabrechnung 11.420,20 €. Nachdem der vor dem Landgericht Mosbach abgewiesene Betrag in Abzug gebracht wurde, wurde der Differenzbetrag abermals eingeklagt. Die ehemalige Vermögensberaterin verlangte im Rahmen der Widerklage den Guthabenbetrag gem. Abrechnung vom 20.09.2011 in Höhe von knapp 12.000,00 €.

Die DVAG wies darauf hin, sie habe in allen Fällen Stornogefahrenabwehrmaßnahmen ergriffen, durch Erinnerungs-, Mahn- und Kündigungsverfahren. Auch seien eigene Nachbearbeitungsverfahren durchgeführt worden. Die DVAG stellte sich auf den Standpunkt, die Ex-Vermögensberaterin sei nicht berechtigt, isoliert aus der Provisionsabrechnung einen Guthabenbetrag zu verlangen, da dieser in der Folgezeit durch Verrechnungen abgeschmolzen sei.

Vor dem Landgericht Mosbach hatte in dem jüngsten Verfahren sowohl die Klage als auch die Widerklage keinen Erfolg. Beide Seiten legten Berufung ein.

Das Oberlandesgericht kam zu dem Ergebnis, dass zu Recht die Klage auf Rückzahlung der Provisionsvorschüsse abgewiesen wurde. Fordert der Unternehmer die Rückzahlung vermeintlich unberechtigter geleisteter Provisionen oder Vorschüsse, trägt dieser die Beweislast, muss also für jeden einzelnen Rückforderungsanspruch dessen konkrete Gründe darlegen und ggf. beweisen (BAG, Urteil vom 21.01.2015, X AZR 84/14 und Urteil des Bundesgerichtshof vom 28.06.2012,  Aktenzeichen VII ZR 130/11).

Dazu könne das Versicherungsunternehmen entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen oder dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit dazu geben.

Das Oberlandesgericht wies darauf hin, dass der Unternehmer für jeden Einzelfall die Gründe der Vertragsbeendigung, Zeitpunkt und Art der Mahnung sowie der Unterrichtung des Versicherungsvertreters über die Stornogefahr darzulegen habe und die Höhe der rückzuzahlenden Abschlussprovisionen zu errechnen habe. Die Beweislastverteilung zu Ungunsten der DVAG ergäbe sich daraus, dass bei wirtschaftlicher Sicht der Unternehmer der Fordernde ist.

Obgleich die DVAG darauf hinwies, dass sie sämtliche Abrechnungen vorgelegt habe, wurde ihr Anspruch zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht meint, dass die DVAG ihrer Darlegungslast damit nicht genüge. Regelmäßig gehöre dazu auch die „konkrete Darlegung und Beweisführung, dass und mit welchem Inhalt eine ausreichende Nachbearbeitung durchgeführt worden ist, jedoch erfolglos geblieben ist, oder eine Nachbearbeitung ausnahmsweise entbehrlich gewesen ist, und zwar für jeden einzelnen rückabzuwickelnden Versicherungsvertrag (vgl. Bundesgerichtshof Urteil vom 28.06.2012)“.

Die DVAG habe nur allgemein ihre Vorgehensweise dargestellt, jedoch nichts dazu vorgetragen, was in jedem Fall der Rückforderung von ihr an Nachbearbeitungsmaßnahmen durchgeführt wurde bzw. aus welchen Gründen solche unterblieben sind.

Der allgemeine Hinweis auf eine Stornogefahrmitteilung reiche nicht aus. Auch die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Nachfolger des ausgeschiedenen Versicherungsvertreters für die Darlegung einer ausreichenden Maßnahme reiche ebenfalls nicht aus (Bundesgerichtshof mit Urteil vom 28.06.2012, Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil vom 11.06.2015, Aktenzeichen 4 U 15/13).

Schließlich habe der Bestandsnachfolger ein eigenes Provisionsinteresse, nicht gerichtet auf die Erhaltung der Verträge seines Vorgängers.

Da die DVAG dieser Darlegungspflicht nicht nachgekommen ist, wurde ihre Klage abgewiesen.

 

Widerklage der Vermögensberaterin

Das Oberlandesgericht Karlsruhe verurteilte die DVAG zur Zahlung der knapp 12.000,00 €.

Es hatte darauf hingewiesen, dass es unstreitig sei, dass der maximale Haftungszeitraum von 60 Monaten gelte und abgelaufen sei.

Zwar handelt es sich bei der Klage auf Auszahlung des Stornoreserveguthabens ebenfalls um eine Provisionsklage, für die dieselben Darlegungs- und Beweislastgrundsätze gelten. Auch hier müsste für jeden vermittelten Vertrag vorgetragen und bewiesen werden, dass der Anspruch besteht. Es stehe jedoch auf Grund der Provisionsabrechnung vom 20.09.2011 fest, dass das Provisionsrückstellungskonto ein Guthaben ausweise. Insofern hat die Provisionsabrechnung den Charakter eines abstrakten Schuldanerkenntnisses, bezogen auf den jeweiligen Abrechnungszeitraum (Bundesgerichtshof Urteil vom 07.02.1990, Aktenzeichen IV ZR 314/88).

Die Ex-Vermögensberaterin muss sich nicht darauf vertrösten lassen, dass dieses Guthaben in einem Kontokorrent wieder verrechnet wurde.

Die DVAG könne sich nämlich nicht auf die Grundsätze des Kontokorrents im Sinne des § 355 HGB berufen, da eine solche Abrede zwischen den Parteien gar nicht getroffen wurde. Ein handelsrechtliches Kontokorrent setzt nämlich eine Vereinbarung der Parteien über die Inrechnungstellung, Verrechnung und Saldofeststellung voraus, wobei eine tatsächliche Verrechnung der beiderseitigen Ansprüche von Zeit zu Zeit nicht genüge. Außerdem müssten sich die Parteien auf Kontokorrentperioden, d.h. regelmäßige Zeitabschnitte zur Saldierung der aufgenommenen Posten, geeinigt haben. Beides liegt nicht vor.

In dem Vermögensberatervertrag der Parteien fehlt es an derartigen Vereinbarungen zur Saldofeststellung und zu Kontokorrentperioden (vgl. Oberlandesgericht München, Urteil vom 07.06.2017, Aktenzeichen 7 U 1889/16).

Selbst wenn jedoch das Provisionsrückstellungskonto als Kontokorrentkonto geführt worden wäre, wäre im Zweifel mit der Kündigung des Vermögensberatervertrages auch das Kontokorrentverhältnis gekündigt worden. Davon ist das Gericht ausgegangen, weil unstreitig die DVAG die damalige Vermögensberaterin sofort nach der Kündigung von ihrem Onlinesystem getrennt und Auszahlungen unterbunden hat.

 

Schlussbetrachtung

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat das Recht nicht neu erfunden, sondern bekannte Rechtsgrundsätze konsequent angewandt. Dies sind in erster Linie die Rechtsprechung zur Darlegung- und Beweislast des BGH, wenn Provisionsvorschüsse zurückverlangt werden.

Nicht neu, aber bemerkenswert, ist die Entscheidung, dass eine Provsionsabrechnung ein Anerkenntnis darstelle. Dies hatte das Landgericht Frankfurt u.a. am 13.06.2006 entschieden.

Dass eine Abrechnungen durch neue Abrechnungen ersetzt werden kann und damit die ursprüngliche Abrechnung seine Anerkenntnisfunktion verlieren kann, ist jedoch ebenso zu bedenken.

In einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt war genau dies der Grund für die Abweisung einer Klage einer Vermögensberaterin, die ebenso ein altes Saldo geltend machte.

Das OLG Karlsruhe hatte jedoch einen Rechtsgedanken, der dieser Entscheidung seine pikante Note verliehen hat. Es hat entschieden, dass mit Ende des Handelsvertretervertrages die Abrede über das Kontokorrent zu Ende wäre und man eine Provisionsabrechnung eben nicht mehr so leicht durch neue ersetzen könne.

Insofern könnte diese Entscheidung Auswirkung auf viele Handelsvertreterverhältnisse haben, sodass auch andere Vertriebe wie OVB, Swiss Life Select, MLP u.s.s davon betroffen sein dürften.

Ausgleichsanspruch auch für vermittelnde Arbeitnehmer?

Angestellte Vermittler, die Provisionen beziehen, haben einen Anspruch auf einen Buchauszug. Dieser ist also nicht allein für Handelsvertreter vorbehalten.

Handelsvertreter haben, sofern die weiteren Voraussetzungen des § 89 b HGB vorliegen, einen  Ausgleichsanspruch.

Gem. § 89 b HGB analog haben auch Vertragshändler einen Ausgleichsanspruch. Dies entschied der BGH bereits am 13.1.2010 und hat diese Rechtsprechung mehrfach wiederholt. Auch hier kann der Ausgleichsanspruch kann im Vorhinein gem BGH vom 25.2.2016 nicht ausgeschlossen werden.

Die analoge Anwendung könnte auch bei Markenlizenzverträgen anwendbar sein.

Voraussetzung für eine analoge Anwendung ist, dass sich das Rechtsverhältnis zwischen ihnen und dem Hersteller oder Lieferanten nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern der Händler in der Weise in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert war, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hatte, und der Händler zum anderen verpflichtet ist, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (BGH).

Könnte aber dann nicht auch ein Arbeitnehmer, dessen Hauptaufgabe die Vermittlung von Finanzdiesntleistungen ist, auch analog einen Ausgleichsanspruch haben?

Einige Versicherer beschäftigen ihre Vermittler mit einem kleinen Grundgehalt und den überwiegenden Teil als Provision. Ist nicht auch ein solcher Vermittler in die Absatzorganisation eingebunden, und hat er nicht auch Aufgaben wie ein Handelsvertreter zu bewältigen und muss nicht auch er den Kundenstamm am Ende dem Unternehmen übertragen?

Vielleicht steht diese Frage in Kürze zur Klärung an.

Auch Angestellte haben einen evtl. Anspruch auf einen Buchauszug

Handelsvertreter haben einen Anspruch auf einen Buchauszug, und Angestellte, die Provisionen beziehen, auch.

Dies ergibt sich nicht nur aus § 87c Abs. 2, 65 HGB, sondern auch aus einer aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Hamm vom 14.3.2017 unter dem Az. 14 Sa 1397/16.

Der Handelsvertreter kann bei der Abrechnung einen Buchauszug über alle Geschäfte verlangen, für die ihm nach § 87 HGB Provision gebührt. Dies gilt entsprechend für Arbeitnehmer, die auf Provisionsbasis tätig sind. Voraussetzung ist die sogenannte Provisionsrelevanz, also die Möglichkeit, dass dem Vertreter aus dem Vertragsverhältnis ein Anspruch auf Provision, über welche der Unternehmer bzw. Arbeitgeber bereits abzurechnen hat, oder auf Schadensersatz wegen entgangener Provision zustehen kann.

In dem Fall des LAG Hamm hatte der Arbeitnehmer dennoch einen Buchauszug nicht enthalten. Er wollte diesen nämlich für den Ausgleichsanspruch, nicht für die Provisionen.

Zunächst machte sich das Gericht unnötigerweise viele Gedanken dazu, ob denn der Buchauszug überhaupt gewährt werden müsse, um einen Ausgleichsanspruch zu berechnen. Dies ist in der Rechtsprechung durchaus umstritten.

Aber darauf kam es hier vorliegend gar nicht an. Denn der klagende Arbeitnehmer brauchte gar keinen Buchauszug, um seinen Ausgleichsanspruch berechnen zu können.

Dass auch Arbeitnehmern grundsätzlich ein Buchauszug zusteht, dürfte viele freuen. Mit der entsprechenden Begründung hätte der Kläger hier den ja auch erhalten.

Insbesondere Arbeitnehmer, die ihren Arbeitgeber verlassen, sollten sich überlegen, ob sie nicht den Buchauszug als Sicherungs des „status quo“ anfordern.

Ein Arbeitnehmer, der für die Ergo tätig war, erhielt deshalb von dieser eine Abweisung, weil er mit dem Buchauszug zu spät käme. Dafür gibt es eine tarifvertragliche Frist von einem halben Jahr. Wer zu spät kommt, bekommt den Buchauszug nicht mehr.

Auch bei einem Wechsel sollte man darüber nachdenken, einen Buchauszug anzufordern. In diesem Zeitraum wechseln viele Arbeitnehmer, die zuvor für die Generali tätig waren, zur DVAG. Vielleicht wäre es hier wichtig, den status quo zum Zeitpunkt des Übergangs festzuhalten.

Rechtsstreit zwischen DVAG und Vermögensberater an das Arbeitsgericht abgegeben

Lange ist es her, dass Rechtsstreitigkeiten zwischen der DVAG und Vermögensberatern vor dem Arbeitsgericht verhandelt wurden. Jetzt könnte dies wieder aufflammen.

In einer neuen Entscheidung des Oberlandesgerichtes Hamm aus diesem Jahr hat dieses beschlossen, dass das Arbeitsgericht zuständig ist ein Vermögenberater als sogenannter Einfiremvertreter eingestuft wird.

Ein Einfirmenvertreter ist ein Handelsvertreter, der nach seinem Vertrag nur für ein Unternehmen arbeiten darf. Eine solche Klausel befand sich in den Vermögensberaterverträgen von vor 2007. Nachdem diese Klausel durch den Vermögensberatervertrag seit 2007  geändert wurde, gab es zunächst keine Chance mehr, dass Vermögensberater zum Arbeitsgericht kommen.

Das Oberlandesgericht Hamm hat diese Tür jetzt wieder geöffnet. Zunächst entschied der BGH, dass Handelsvertreter, die hauptberuflich für ein Unternehmen tätig sind, Einfirmvertreter sind. Schließlich hätten diese keine andere Wahl, als nur diesen einen Beruf auszuüben.

Wo und wie das OLG Hamm darauf kam, dass der Vermögensberater hauptberuflich tätig sein musste, wird in Kürze näher erläutert.

Die Entscheidung dürfte für viele Vermögensberater gelten, jedoch nicht für alle.

Und wieder der Ausgleichsanspruch

Wenn ein Handelsvertreter selbst kündigt, könnte er dennoch einen Anspruch auf einen Ausgleichsanspruch haben. Dann nämlich, wenn das Unternehmen Anlass zur Kündigung gab.

Dass die Erwartungen von Handelsvertretern, was den Begriff Anlass angeht, nicht zu hoch gesteckt werden dürfen, hat jüngst das OLG München entschieden.

Hier geht es zur Entscheidung 19.05.2016 – 16 HK O 13480/15

Ausbildungskosten vom Handelsvertreter u.U. nicht zurückzuzahlen

Das Amtsgericht Münster entschied kürzlich, dass ein Handelsvertreter seinem Vertrieb die Ausbildungskosten nicht erstatten muss, wenn er vorzeitig die Zusammenarbeit beendet. Man stritt um folgende Klausel im Handelsvertretervertrag:

„Eine Kostenerstattungspflicht für interne Akademiekosten bestehen nicht, es sei denn, der Berater scheidet innerhalb von drei Jahren ab Ausbildungsbeginn aus dem Unternehmen aus und tritt danach innerhalb von sechs Monaten in den direkten Wettbewerb mit XXX ein. Nur dann ist er zur Erstattung eines Teilbetrages der tatsächlich auf ihn entfallenen und oben genannten Ausbildungs- und Übernachtungskosten in Höhe von bis zu pauschal 5.000,00 € verpflichtet“.

Der Handelsvertreter zahlte nicht und wurde verklagt. Das Amtsgericht Münster hatte entschieden, dass er auch nicht zu zahlen hatte. In seiner Entscheidung berief sich das Amtsgericht Münster auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 11.04.2006 unter dem Aktenzeichen 9 AZR 610/05. Dort hatte das Gericht entschieden:

Eine vom Arbeitgeber in einem Formular-Arbeitsvertrag aufgestellte Klausel, nach welcher der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber getragene Ausbildungskosten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne jede Rücksicht auf den Beendigungsgrund zurückzahlen muss, ist unwirksam“.

Für die Wirksamkeit einer solchen Klausel müsste diese beinhalten, warum und von wem der Vertrag gekündigt wird. Ansonsten werde der Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt.

Das Bundesarbeitsgericht führte seinerzeit aus: „Die Klausel unterscheidet nicht danach, ob der Grund der Beendigung des wäre des Arbeitgebers oder der des Arbeitnehmers zuzurechnen ist. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Das BAG erkannte zwar auch, dass Rückzahlungsabreden für Aus- und Fortbildungskosten nicht generell unangemessen sind. Wenn diese jedoch die Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers beeinträchtigen, können sie unwirksam sein.

 Insgesamt muss die Rückzahlungspflicht im Rahmen einer Interessensabwägung geprüft werden. Eine Rückzahlungsklausel stellt nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen.“

Brisant wird es bald in einem Rechtsstreit, in dem ein Vertrieb die gesamten noch nicht verdienten Vorschüsse bei Vertragsende – ohne Rücksicht auf den Grund  – zurückverlangt. Dies wurde so in dem Vertrag formularmäßig geregelt.  Ich werde berichten.

Ausgleichsanspruch für Handelsvertreter von Bausparkassen nach den Grundsätzen

Grundsätze zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs (§ 89 b HGB) im

Finanzdienstleistungsbereich

Da das HGB keine Bestimmung über die konkrete Berechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs enthält, haben der Verband der Privaten Bausparkassen e. V., 53129 Bonn und der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e. V. (BVK), 53115 Bonn,

in dem Bemühen um gegenseitige Verständigung und ausgehend von vorwiegend wirtschaftlichen Erwägungen die nachfolgenden Grundsätze erarbeitet, um die Höhe des nach Auffassung der beteiligten Kreise angemessenen Ausgleichs global zu errechnen.

Sie empfehlen ihren Mitgliedern, Ausgleichsansprüche auf dieser Grundlage abzuwickeln.

  1. Ausgleichsanspruch
  2. Bemessungsgrundlage

Ausgangswert für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist die durchschnittliche Jahresprovision der letzten vier Jahre aus dem Finanzdienstleistungsgeschäft abzüglich etwa vereinbarter Verwaltungsprovisionen und abzüglich etwa nicht verdienter Einarbeitungsprovisionen bzw. Garantieprovisionen – bei kürzerer Tätigkeit der Durchschnitt aus diesem Zeitraum.

Als Verwaltungsprovision gelten Vergütungen, die Vertreter für das Neugeschäft von Vermittlern erhalten, die dem Vertreter organisatorisch nicht zugeordnet sind oder zu deren Vermittlungen er akquisitorisch nicht beiträgt.

 

  1. Ausgleichspflichtiges Folgegeschäft

Um überaus schwierige und zeitraubende Ermittlungen zu vermeiden, wird der Anteil des ausgleichspflichtigen Folgegeschäfts mit einem Mittelsatz von 10 % des Ausgleichswertes nach Ziffer I. 1. pauschal festgelegt.

Das Verfahren gilt auch für Teilvertragsbeendigungen (Bezirks- oder Bestandsverkleinerungen), wobei die spätere Berücksichtigung einer Alters- und Hinterbliebenenversorgung unberührt bleibt.

 

  1. Multiplikatoren

Um den Gesichtspunkt der Billigkeit (§ 89 b Abs. 1 Ziffer 3 HGB) Rechnung zu tragen, ist der nach Ziffer I. errechnete Ausgleichswert entsprechend der Dauer der hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit des Vertreters für das Bausparunternehmen nach folgender Staffel zu multiplizieren:

Tätigkeitsdauer Multiplikator

ab 1 Jahr           0,20

ab 2 Jahren       0,40

ab 3 Jahren       0,70

ab 4 Jahren       1,00

ab 5 Jahren       1,30

ab 6 Jahren       1,60

ab 7 Jahren       1,90

ab 8 Jahren       2,20

ab 9 Jahren       2,50

ab 10 Jahren     3,00

ab 12 Jahren     4,00

 

III. Treuebonus

Ab einer Dauer des hauptberuflichen Handelsvertreterverhältnisses von 15 Jahren erhält der Vertreter bei seinem Ausscheiden neben dem Ausgleichsanspruch einen Treuebonus. Dieser beträgt 10,125 % der gemäß Ziffer I. 1 ermittelten Bemessungsgrundlage und verdoppelt sich auf 20,25 % ab einem hauptberuflichen Handelsvertreterverhältnis von 19 Jahren bei derselben Bausparkasse.

 

  1. Anspruchsberechtigte Erben

Beim Tod des Vertreters steht der Ausgleichsanspruch und ein eventueller Treuebonus den berechtigten Erben zu.

  1. Fälligkeit

Der sich aus diesen Grundsätzen ergebende Ausgleichsanspruch und ein eventueller Treuebonus wird innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsbeendigung, frühestens zwei Monate nach Geltendmachung, fällig.

  1. Berücksichtigung einer Alters- und Hinterbliebenenversorgung

Da nach der bestehenden Rechtslage ein Ausgleichsanspruch aus Billigkeitsgründen (§ 89 b Abs. 1 Ziffer 3 HGB) insoweit nicht entsteht, wie der Vertreter Leistungen aus einer durch Beiträge des Bausparunternehmens aufgebauten Alters- und Hinterbliebenenversorgung erhalten oder zu erwarten hat, ist vom Gesamtbetrag des nach Ziffer I. und Ziffer II. errechneten Ausgleichsanspruchs zuzüglich eines eventuell nach Ziffer III. errechneten Treuebonus bei einer Rentenversicherung der kapitalisierte Barwert der Rente des Anspruchsberechtigten und bei einer Kapitalversorgung deren Kapitalwert abzuziehen.

VII. Gutachterstelle

Sind in einem Einzelfall bei einem Bausparunternehmen oder einem Vertreter besondere Umstände gegeben, die nach Auffassung eines der Betroffenen eine andere Regelung zur Errechnung des Ausgleichsanspruchs oder Treuebonus gerechtfertigt erscheinen lassen, so kann jede der Parteien zur Herbeiführung einer der Umstände des Einzelfalls gerecht werdenden Regelung die Gutachterstelle, die aus Vertretern des Verbandes der Privaten Bausparkassen und des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute paritätisch zusammengesetzt ist, in Anspruch nehmen.

Die Gutachterstelle wird nur tätig, wenn beide Parteien ihrer Inanspruchnahme zustimmen. Ihr Votum muss einstimmig erfolgen.

Der BVK verpflichtet sich, während der Geltungsdauer dieser Grundsätze Forderungen seiner Mitglieder gegen eine private Bausparkasse, die über diese Grundsätze hinausgehen oder die sich gegen diese Grundsätze richten, nicht mit aktivem Rechtsschutz und Kostenbeteiligung zu unterstützen.

VIII. Ausspannung von Finanzdienstleistungsverträgen

 Da bei der Befriedigung des Ausgleichsanspruchs und eines eventuellen Treuebonus davon ausgegangen wird, dass der wirtschaftliche Vorteil des ausgeglichenen Geschäftes der Bausparkasse verbleibt, wird vorausgesetzt, dass der Vertreter keine Bemühungen anstellt oder unterstützt, die zu einer Schmälerung dieses Geschäftes führen, für das er einen Ausgleich erhalten hat.

  1. Geltungsdauer

 Diese Grundsätze treten am 1.10.1996 in Kraft. Sie gelten für alle ab diesem Tage entstehenden Ansprüche sowie für schwebende, noch nicht endgültig abgeschlossene Fälle. Diese Grundsätze können durch jeden der beteiligten Verbände mit Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahr zum Schluss eines Kalenderjahres durch eingeschriebenen Brief an den anderen Verband gekündigt werden. Die erstmalige Kündigung ist jedoch nicht vor Ablauf von zwei Jahren seit Inkrafttreten der Grundsätze möglich.