Handelsvertreter

Nur verdiente Provisionen sind bezogene Provisionen

Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass am 12.02.2008 der Bundesgerichtshof dazu Stellung nahm, wann Provisionen in den letzten sechs Monaten als bezogen gelten.

Hintergrund ist § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG. Danach ist das Arbeitsgericht für Handelsvertreter zuständig, wenn es sich um einen Ein-Firmen-Vertreter handelt und dieser in den letzten sechs Monaten des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt nicht mehr als 1.000,00 € Vergütung bezogen hat.

Der Bundesgerichtshof dazu in seiner Entscheidung vom 12.02.2008:

Für die Ermittlung der während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich bezogenen Vergütung sind alle unbedingt entstandenen Vergütungsansprüche des Handelsvertreters zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob, auf welche Art und Weise und in welchem Umfang sie erfüllt sind.

Folglich: Erzielt eine Handelsvertreter in den letzten sechs Monaten Provisionsvorschüsse, werden diese nicht mitangerechnet.

Entscheidung Bundesgerichtshof vom 12.02.2008 Aktenzeichen VIII ZB 3/07

Kaufmännisches Bestätigungsschreiben muss zugehen

Am 07.08.2012 hatte das Amtsgericht Solingen über den Hintergrund eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens zu entscheiden.
Ein Handelsvertreter klagte gegen das Unternehmen, das ihn bis zu seiner Rente beschäftigt hatte.
Statt eines Ausgleichsanspruches einigte man sich darauf, dass für einen Zeitraum von 12 Monaten jeweils 400,00 € monatlich an den Handelsvertreter gezahlt werden sollten.
Dies sollte ohne Rechnung erfolgen.
Der Handelsvertreter sah darin eine arbeitsvertragliche Verpflichtung und sprach den Unternehmer daraufhin an und meinte, aus dieser Vereinbarung habe der Unternehmer weitere 20 % Sozialversicherungskosten, so dass man sich doch dann auf pauschal – gegen Rechnung – 6.000,00 € – Zahlung einigen sollte.
Der Inhalt dieser Vereinbarung war streitig. Anschließend übersandte der Handelsvertreter dem Unternehmer per Post ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, dessen Zugang von dem Unternehmer jedoch bestritten wurde.
Der Handelsvertreter kam mit seiner Behauptung, es sei über diese 6.000,00 € eine Vereinbarung zustande gekommen, nicht durch.
Das Amtsgericht Solingen meinte, er sei beweispflichtig für die Vereinbarung und er sei auch beweispflichtig dafür, dass das kaufmännische Bestätigungsschreiben dem Unternehmer zugegangen ist.
Die Klage wurde deshalb abgewiesen.
Der Unternehmer blieb aber trotzdem an fast 50% der Kosten hängen, da er die ursprüngliche Vereinbarung auch nicht einhielt.
Amtsgericht Solingen vom 07.08.2012 Aktenzeichen 12 C 86/12

Vertragsstrafe und Wettbewerbsverbot in Aufhebungsvertrag unwirksam

Am 19.07.2012 musste das Landgericht Bautzen über Kündigungen zweier Handelsvertreter im Finanzdienstleistungsbereich sowie deren Rechtsfolgen entscheiden.

Beide waren langfristig an einen Strukturvertrieb gebunden. Der eine schied mit Aufhebungsvertrag aus und unterwarf sich der Verpflichtung, weder Mitarbeiter noch Kunden abzuwerben und im Falle des Verstoßes pauschal eine Vertragsstrafe von 15.000,00 € zu zahlen.

Diesem warf man vor, er habe Mitarbeiter abgeworben.

Der andere Handelsvertreter soll vor Ablauf der Kündigungsfrist bereits für die Konkurrenz vermittelnd tätig geworden sein.

Das Landgericht Bautzen verkündete am 19.07.2012, dass es tatsächlich von einer vermittelnden Tätigkeit des einen Handelsvertreters ausgeht und deshalb müsse dieser es noch bis Ende 09/2012 es unterlassen, für den Konkurrenten zu arbeiten.

Der Strukturvertrieb beantragte auch die Erteilung einer Auskunft darüber, welche Anlagen oder Versicherungen der Handelsvertreter für die Konkurrenz vermittelt hatte. Einen Beweis für den verbotenen Wettbewerbs konnte das Gericht jedoch nicht erkennen, so dass dieser Antrag scheiterte.

Von dem anderen Handelsvertreter, der im Rahmen des Aufhebungsvertrages ausgeschieden war, verlangte der Vertrieb die Zahlung der Vertragsstrafe. Auch damit ist der Vertrieb vor dem Landgericht Bautzen gescheitert.

Dazu das Landgericht Bautzen:

Die nachvertragliche Vereinbarung des Wettbewerbsverbotes und der Vertragsstrafe mit dem Beklagten zu 1) ist jeweils unwirksam (§§ 138, 242, 307 Abs. 2 Nr. 1BGB).

a)
Die Bestimmungen des Aufhebungsvertrages stellen allgemeine Geschäftsbedingungen dar …

b)
… vertragliche Wettbewerbsverbote zu Lasten von Berufsausübenden die ihren bisherigen Tätigkeitsbereich aufgeben, sind unter Berücksichtigung der durch Artikel 12 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Berufsfreiheut nur dann mit den guten Sitten zu vereinbaren, wenn und soweit für den Schutz eines berechtigten Interesses des aus der Wettbewerbsabrede berechtigten dienen und die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des verpflichteten nach Ort, Zeit und Gegenstand nicht unbillig beschränken …

Da das Verbot der Eigennutzung geworbener Kunden schwerwiegend in die Berufsausübung des Handelsvertreters eingreift, dessen Kundenstamm die Grundlage seiner beruflichen Tätigkeit ist, muss dieser Eingriff durch schutzwürdige Interessen des aus der Wettbewerbsabrede berechtigten gerechtfertigt sein (Vergleiche Oberlandesgericht Naumburg vom 17.02.2005 4 U 171/04). Hier besteht bereits keine zeitliche Einschränkung. Dies ist ohne weitere Prüfung den Beklagten auch unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin nicht zumutbar. Selbst das gesetzliche Leitbild geht – während der höhere Beschränkungen zulassenden vertraglichen Bindung – von einer allenfalls zulässigen Dauer von zwei Jahren aus …

c)
… denn das Wettbewerbsverbot ist auch sachlich oder räumlich nicht eingegrenzt. Insoweit ist die bedeutende Marktposition der Klägerin zu berücksichtigen. Der Beklagte zu 1) hätte mit einer eigenständigen Tätigkeit – vor allem in einer gewissen Entfernung zum alten Vertrag – damit kaum eine Chance.

Bei der hier gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung ist die Klausel damit zeitlich, räumlich und gegenständlich denkbar umfassend. Insoweit gibt es kein anerkennenswertes Schutzbedürfnis der Klägerin (Vergleiche zutreffend Oberlandesgericht München vom 01.10.2009 Aktenzeichen 23 U 2947/09).

Mit der Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbotes entfallen auch die weiteren Ansprüche der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 1) …

d)
Die Höhe der Vertragsstrafe stellt bereits für sich eine unangemessene Benachteiligung dar.

Gemessen an diesen Kriterien stellt die hier vorgesehen Vertragsstrafe von 15.000,00 € für jede Begehungsform und jede denkbare Art eines Wettbewerbsverstoßes eine unangemessene Benachteiligung dar. Die Klausel lässt jede Differenzierung hinsichtlich der Schwere des Verstoßes vermissen. Selbst für leichteste Verstöße sieht sie eine Vertragsstrafe von 15.000,00 € vor. Diese steht auch zu den zu erwartenden Schäden in keiner Relation. So geht es um – eher geringe – Prämienverluste. Selbst unter Berücksichtigung des von der Klägerin vorgetragenen Kaskadeneffekts, wonach mit Abwerbungen auch weitere Hierarchieebenen Nachteile erleiden, handelt es sich ebenfalls um Beträge im untersten vierstelligen Bereich. Dies steht – auch unter Berücksichtigung eines gewissen Abschreckungseffekts – zu der Höhe von 15.000,00 € je Verstoß außer Verhältnis.

Eine Herabsetzung der formularmäßig vereinbarten Vertragsstrafe kommt nicht in Betracht (Vergleiche Bundesgerichtshof vom 17.05.1991 Aktenzeichen V ZR 140/90, Oberlandesgericht München vom 29.07.2010 Aktenzeichen 23 O 5643/09, jeweils zitiert nach Juris.

e)
Gleiches gilt für den Verzicht auf den Einwand des Fortsetzungszusammenhanges. Damit können exorbitante Vertragsstrafen in Höhe von mehreren hunderttausend Euro für mehrere – nach den vorherigen Ausführungen verhältnismäßig geringfügige – Verstöße entstehen.

Urteil des Landgerichts Bautzen vom 19.07.2012, Aktenzeichen 3 O 227/11 (noch nicht rechtskräftig)

Klausel, dass Schweigen nach Abrechnung ein Anerkenntnis darstellt, ist unwirksam

Viele Handelsvertreter finden eine Klausel in ihren Verträgen, wonach eine Provisionsabrechnung als anerkannt gilt, wenn ihr nicht binnen kurzer Zeit widersprochen wird.

Oft gibt es Streit, ob diese Klausel wirksam ist.

Dazu der BGH in einer grundlegenden Entscheidung am 20.9.2001 unter dem Az. VIII ZR 100/05 :

„Die jahrelange widerspruchslose Hinnahme der Provisionsabrechnungen der Beklagten durch den Kläger ist auch nicht deswegen als Anerkenntnis der Provisionsabrechnungen zu werten, weil dies in Ziffer 5.2. des Versicherungsvertretervertrages so vorgesehen ist. Denn diese Bestimmung ist wegen Verstoßes gegen die zwingende Vorschrift des § 87c HGB unwirksam. Der Annahme eines sich ständig wiederholenden negativen Schuldanerkenntnisses des Handelsvertreters durch Schweigen auf die Provisionsabrechnungen des Unternehmers stehen die dem Schutz des meist wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters dienenden §§ 87a Abs. 5, 87c Abs. 5 HGB entgegen (Senat a.a.O. unter II 2). Denn diese Annahme führt ebenfalls zu einer gegen die genannten Bestimmungen verstoßenden Beschränkung der Ansprüche des Handelsvertreters auf Erteilung eines Buchauszugs und Zahlung von Provision für die Zukunft. Sie nötigt ihn, Abrechnungen des Unternehmers künftig zu widersprechen, um insoweit ein (sich ständig wiederholendes) negatives Schuldanerkenntnis zu vermeiden. Wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat und auch die Revision nicht verkennt, hat der Bundesgerichtshof deshalb eine Vereinbarung zwischen Handelsvertreter und Unternehmer, nach der dessen Abrechnung mangels Widerspruchs des Handelsvertreters innerhalb einer bestimmten Frist als genehmigt gelten soll, wegen Verstoßes gegen § 87c Abs. 5 HGB als unwirksam angesehen (Urteil vom 20. Februar 1964 – VII ZR 147/62, LM Nr. 4a zu § 87c HGB unter I 3 b bb; vgl. auch Urteil vom 19. November 1982 – I ZR 125/80 = LM Nr. 11 zu § 87a HGB unter I 2 c; Senatsurteil vom 29. November 1995 a.a.O. unter II 2 b; ebenso OLG München VersR 04, 470, 471; OLG Koblenz VersR 80, 623; OLG Karlsruhe BB 80, 226; OLG Hamm BB 79, 442). An dieser Rechtsprechung, die auch im Schrifttum überwiegend Zustimmung gefunden hat (Ebenroth/Boujong/Joost/Löwisch, HGB, § 87c Rdnr. 50, MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, § 87c Rdnr. 83, Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, 2. Aufl., § 87c Rdnr. 20; Hopt, Handelsvertreterrecht, 3. Aufl., § 87c Rdnr. 29), hält der Senat ungeachtet abweichender Auffassungen in Rechtsprechung (OLG Saarbrücken, DB 85, 2399, OLG Naumburg VersR 99, 578; LG Frankfurt/Oder VersR 98, 1238) und Literatur (Müller-Stein, VersR 01, 830, 831; Segger, VersR 04, 781, 782; Scherer, BB 96, 2205, 2209) fest. „

Erfolgsprämie der Wüstenrot zu erstatten

Am 19.04.2012 entschied das Landgericht Hanau, dass ein Handelsvertreter der Wüstenrot Bausparkasse AG eine Erfolgsprämie in voller Höhe zu erstatten habe.

Zuvor hatte er eine Zahlung in Höhe von 8.269,59 € erhalten. Gemäß Ziffer 2 der Vereinbarung aus dem Handelsvertretervertrag war er verpflichtet, die Erfolgsprämie zu zahlen, wenn das Vertragsverhältnis innerhalb der ersten 12 Monate nach Prämienzahlung gekündigt wird. Diese Voraussetzungen waren nach Ansicht des Gerichts gegeben.

Die Rückzahlungsverpflichtung war auch nicht nach Ansicht des Landgerichts Hanau gemäß §§ 305 ff. BGB unwirksam. Es handelt sich zwar bei der Regelung um eine allgemeine Geschäftsbedingung. Die Rückzahlungsklausel ist jedoch nicht unwirksam. Es handelt sich nicht um eine Regelung, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages ungewöhnlich ist und mit der Beklagten nicht rechnen brauchte (§305 c BGB).

Außerdem verstoße die Klausel auch nicht gegen § 307 Abs. 1 und 2 BGB. Sie benachteiligen den Vertragspartner nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Eine solche Benachteiligung ergibt sich vorliegend nicht daraus, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sie widerspricht auch nicht wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung im Sinne des § 307 Abs. 2 Ziffer 1 BGB. Es liegt auch keine Abweichung von gesetzlichen Vorschriften vor. Darin fehlt es im vorliegenden Fall, da im Handelsvertreterrecht zwar die Zahlung der dem Handelsvertreter zustehenden Provision geregelt ist, aber nicht Zahlung und Rückzahlung einer vertraglich versprochene Erfolgsprämie.

Landgericht Hanau vom 19.04.2012 Aktenzeichen 4 O 845/11

Nein, so nicht

Man erlebt doch immer wieder Überraschungen.

Einem Mandanten, Handelsvertreter in einem namhaften Strukturvertrieb, wurde von seinem Strukturleiter empfohlen, selbst eine Kündigung auszusprechen, damit seine Ausgleichsansprüche erhalten bleiben.

Umgekehrt ists richtig: Nur dann, wenn das Unternehmen kündigt (und in ein paar anderen wenigen Fällen) hat der Handelsvertreter einen Ausgleichsanspruch. Das gilt auch in Strukturverhältnissen.

Wenn er selbst kündigt, ist der Ausgleichsanspruch regelmäßig weg.

In einem anderen Verfahren erfuhr ich, dass der Versicherungsberater, mit dem ich vor 16 Jahren etwa in Kontakt stand und der mich gern in seine Struktur mit eingebunden hätte, jetzt aus wirtschaftlichen Gründen in seinen alten Handwerksberuf zurückkehren musste.

Die Vermittlungs- und beratungstätigkeit warf dann wohl doch nicht so viel ab.

OLG Naumburg: Vertragsstrafenregelung unwirksam

Am 29.02.2012 entschied das Oberlandesgericht Naumburg, dass eine Vertragsstrafenregelung unwirksam sei und deshalb der Handelsvertreter nicht zahlen müsse.
Das Unternehmen verlangte die Zahlung eines Betrages in Höhe von 15.000,00 € aus einer Vertragsstrafe aufgrund eines Aufhebungsvertrages. Ferner verlangte es von dem Handelsvertreter, Auskunft darüber zu erteilen, welche weiteren Versicherungen und Anlagen „fremd“ vermittelt worden seien sowie den sich aus der Auskunft ermittelten Schaden zu ersetzen.
Das Oberlandesgericht Naumburg meinte, dass die Klausel gemessen an §§ 138, 242 BGB den Handelsvertreter sittenwidrig an seiner nachvertraglichen Berufsausübung als freier Finanzmakler benachteilige und deshalb nichtig sei.
Das Gericht dazu:
„Nachvertragliche Wettbewerbseinschränkungen sind nach ständiger Rechtssprechung am Maßstab von Art. 12 GG, § 138 Abs. 1 BGB zu messen. Sie dürfen insbesondere nicht dazu eingesetzt werden, frühere Mitarbeiter als Wettbewerber auszuschalten. Ihre Wirksamkeit hängt davon ab, dass sie in räumlicher, gegenständlicher und zeitliche Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreiten (unter anderem Bundesgerichtshof NJW 2010, 1206). Wenn die Wettbewerbsklausel ausschließlich die zeitlichen Grenzen überschreitet, im Übrigen aber unbedenklich ist, kommt eine geltungserhaltende Redaktion auf den zulässigen Zeitraum in Betracht; die Missachtung der gegenständlichen und räumlichen Grenzen hat aber die Nichtigkeit des Verbots zur Folge (vergleiche Bundesgerichtshof NJW 2005, 3061).
Die Bestimmung in Nr. 4 b des Aufhebungsvertrages geht nicht nur zeitlich, sondern auch in gegenständlicher Hinsicht weit über das erforderliche Maß hinaus.
Sie verbietet dem Kläger unbefristet in die Zukunft hinein jedwede Konkurrenztätigkeit in Bezug auf Kunden der Klägerin. Dieses an die Dauer der Existenz der Klägerin über das beklagtengebundene Wettbewerbsverbotes benachteiligt den Beklagten in seiner Berufsfreiheit allein deswegen schon unangemessen. Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin, Wettbewerbstätigkeit des Beklagten für diesen unabsehbaren Zeitraum auszuschließen, ist nicht erkennbar. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht besteht grundsätzlich kein Anspruch auf den Fortbestand eines einmal begründeten Vertragsverhältnisses. Der Kundenkreis ist kein geschütztes Rechtsgut. Das Abwerben von Kunden gehört zum Wesen des Wettbewerbs, auch wenn die Kunden noch an den Mitbewerber gebunden sind.“
Das Gericht wollte auch keine geltungserhaltende Reaktion auf einen kleineren Zeitraum mitmachen. Schließlich schränke das Wettbewerbsverbot den Beklagten auch sachlich unangemessen in seiner Berufsausübung ein.
Schließlich sei vom Wettbewerbsverbot nicht nur bestehende Altverträge, sondern auch Neuabschlüsse des Unternehmens mit umfasst. Außerdem umfasse der Wortlaut jedweden Finanzdienstleistungsvertrag.
Das Unternehmen hat nach Ansicht des Gerichts Gründe nicht dargetan, warum ihr Interesse, diesen Kundenstamm ohne Wettbewerb langfristig an sich zu binden, schutzwürdiger sein soll, als das des Handelsvertreters an freier Berufsausübung. Die Unbilligkeit des entschädigungslos vereinbarten Wettbewerbsverbotes liege darin, dass der Handelsvertreter seine Abschlüsse als freier Finanzvermittler darauf auszurichten habe, ob bereits bestehende Verträge durch das Unternehmen vermittelt worden sei und er zunächst bei allen potentiellen Kunden nachfragen müsse, ob sie bereits vertraglich an das Unternehmen gebunden seien.
Das Gericht ging davon aus, dass dem Unternehmen auch kein Auskunfts- bzw. Schadenersatzanspruch zustehe. Schließlich sei das Vertragsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag beendet worden und damit die Regelungen des ursprünglichen Vertrages aufgehoben worden. Da jedoch die Klausel gemäß Nr. 4 b nichtig sei, umfasse dies nicht den gesamten Aufhebungsvertrag, sondern beschränkt sich auf die einzelne Abrede. Denn die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) stehen der Anwendung von § 139 BGB entgegen.
Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg vom 29.02.2012 Aktenzeichen 5 U 202/11
Auch das Landgericht Halle hatte zuvor unter dem Aktenzeichen 5 O 1870/10 die Klage abgewiesen.

Auch OLG München erkennt Provisionsansprüche für dynamische Lebensversicherungen an

Das Oberlandesgericht München fällte ebenfalls im Jahre 2009 ein Urteil zu den Provisionsansprüchen bei dynamischen Lebensversicherungen.
Es verurteilte einen Vertrieb, dem Handelsvertreter Auskunft über die genaue Summe der Versicherungssummen solcher dynamischer Lebens- oder Rentenversicherungssummen zu erteilen, die der Handelsvertreter während der gesamten Vertragslaufzeit von … bis … selbst vermittelt hat und die bei der Beendigung des Vertretervertrages am … die Voraussetzungen für künftige Erhöhungen erfüllen und zum letzten Erhöhungszeitpunkt tatsächlich angepasst worden sind.
Das Oberlandesgericht München meint übrigens, dass der Auskunftsanspruch einer dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen.
Das Oberlandesgericht München meint im Übrigen, dass dieser Auskunftsanspruch nicht nur mit einem Buchauszug erledigt wäre.
Der Handelsvertreter soll jedoch keinen Anspruch auf Auskunft hinsichtlich der von den Strukturmitarbeitern vermittelten Verträge haben, da es insofern an der erforderlichen Kausalität fehle.
Urteil des Oberlandesgericht München vom 10.06.2009 Aktenzeichen 7 U 4522/08

Strukturvertrieb muss sich Verhalten eines strafbaren Beraters zurechnen lassen

Am 15.03.2012 entschied der BGH, dass ein Strukturvertrieb sich das strafbare Verhalten eines Handelsvertreters zurechnen lassen muss.

Hier die Pressemitteilung des BGH.

Der Ehemann einer Kundin hatte im Jahr 2000 an den Deutschen Investment-Trust (DIT) einen Kontoeröffnungsantrag und einen Kaufantrag zum Erwerb von Anteilen an Aktien-Fonds gerichtet und in der Folgezeit monatliche Zahlungen an die Fondverwaltungsgesellschaft geleistet.

Dies geschah auf Empfehlung eines Handelsvertreters ein Strukturvertriebes.

Die Klägerin machte geltend, der Berater habe im Jahr 2003 die Fondanlage ihres Ehemannes durch Verkaufsaufträge, die er an den DIT gerichtet habe, aufgelöst. Dabei habe er die Unterschrift ihres Ehemannes gefälscht und den Verkaufswert der Fondanteile auf sein eigenes Privatkonto überweisen lassen. Der Berater hatte dieses Verhalten zugestanden und wurde – auch wegen weiterer Vorgänge – zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Das Landgericht Frankfurt am Main hatte zunächst die Klage auf Zahlung des veruntreuten Betrages abgewiesen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte der Klägerin im Wesentlichen Recht gegeben, allerdings Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche gegen den DIT aus Anlass der Veräußerung der Fondanteile.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Strukturvertriebes zurückgewiesen. Er vertritt die Auffassung, dass durch die an den DIT erteilte Ermächtigung gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB entstanden ist. Dieses wurde durch den Handelsvertreter verletzt. Der BGH hat auch die Einstandspflicht der Beklagten nach § 278 Satz BGB bejaht. Schließlich habe der Berater nicht rein zufällig mit den Rechtsgütern des Anlegers zu tun gehabt, sondern es habe einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen seinem schuldhaften Verhalten und den Aufgaben bestanden. Der Berater erhielt die Informationen bestimmungsgemäß zum Zwecke der Beratung und er war mit Formularen ausgestattet, die eine Auflösung von Vermögensanlagen ermöglichen.

Urteil Bundesgerichtshof vom 15.03.2012 Aktenzeichen III ZR 148/11

Landgericht Frankfurt am Main Urteil vom 04.06.2010, Aktenzeichen 2 – 18 O 474/09

Urteil vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main vom 18.05.2011 – 7 U 140/10

Nicht verzargen, Herr Rechtsanwalt

Vor Gericht ist es nicht wie auf hoher See, pflege ich immer zu sagen. Ich mag es nicht, den Ausgang eines Verfahrens in die Hände des Schicksals zu legen.

Wir Anwälte, die sich dem Handelsvertreter- oder dem Vertriebsrecht widmen, müssen nur mit wenigen Paragraphen auskommen (§§ 84 bis 92 c HGB). Das scheint übersichtlich, könnte man denken.

Doch wenn es weniger Paragraphen gibt, gewinnen Grundsatzurteile an Bedeutung. Dann muss man wissen, wer was und wann entschieden hat.

Und so erlebt man die eine oder andere „Anekdote“, die es zu erzählen gibt. Das Landgericht Koblenz erzählt eine davon. Während es zunächst einen Hinweis erteilt hatte, dass die Übergabe von Anlagen keinen Schriftsatz ersetzt, wollte es davon in dieser Woche nichts mehr wissen. Die Gegenseite hatte einen weiteren knappen Vortrag geliefert und „sage und schreibe“ zwei DIN-A4 Ordner Anlagen überreicht. Jetzt meinte das Gericht plötzlich, dass das ausreichend wäre. Die Masse machts.

In einem Rechtsstreit vor einem Amtsgericht, in dem es um die Rückforderung fester Vorschüsse ging, sagte die Richterin, es käme darauf an, wie hoch die Vorschüsse seien. Wenn sie niedrig sind, würde eine Kündigungserschwernis nicht zu sehen sein. Und dann müsse der Handelsvertreter auch alles wieder zurück zahlen. Und so schick wie die Abrechnungen aussahen, würden sie schon stimmen.

In einer ähnlichen Sache ging es schon vor einiger Zeit vor dem Landgericht Münster. Auch hier wollte ein großer Vertrieb seine festen Vorschüsse zurück. Für den Vertriebler ging es um die Existenz. Ich schrieb und schrieb und fuhr das gesamte Bollwerk von Urteilen auf, die einen solchen Anspruch abgelehnt hatten.

Dann fragte die Richterin kurz und trocken, warum ich denn so viel schreiben würde. Schließlich wäre es doch ganz klar, dass hier die Forderung des Vertriebs nicht besteht.

Worte, die man gern hört, sich aber nicht merken sollte. Denn morgen ist wieder alles anders.

Arbeitsgericht wies Provisionsklage ab

Vor dem Arbeitsgericht Magdeburg stritt ein Vertrieb gegen einen Handelsvertreter. Dieser war als  Versicherungsvertreter für den Vertrieb tätig.

Man stritt um Provisionen, die der Versicherungsvertreter zurück zahlen sollte. Diese hatte er als Vorschüsse erhalten. Anschließend kam es zu Stornierungen der vermittelten Verträge.

Das Arbeitsgericht wies die Klage des Unternehmens ab. Es habe, so die Gründe, den Gegenstand der Klageforderung nicht hinreichend bestimmt. Deshalb sei die Klage bereits unzulässig.

„Es bleibt offen, wie sich der insgesamt geforderte Zahlungsbertrag auf die jeweils angesetzten einzelnen Provisionsvorschüsse, deren Rückzahlung gefordert wird, aufteilt. Ohne diese Angaben ist die Zusammensetzung des Streitgegenstandes nicht erkennbar und ein hierüber ergenhendes Urteil der materiellen Rechtskraft nicht fähig“, so das Gericht.

Ein Anerkenntnis durch schweigende Hinnahme wollte das Gericht ebenfalls nicht annehmen. Ein Schweigen stelle keine Anerkennung dar.

Ob gegen das Urteil Berufung eingelegt wird, ist noch nicht bekannt.

Urteil des Arbeitsgerichts Magedeburg vom 8.12.11, Az 6 Ca 3642/10