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Geknickt, geschnitten und geklebt ähnelte der Buchauszug einer aus 7 Waggons gestehenden Eisenbahn. Insofern mag der Buchauszug dem Versicherer gefallen haben.
Ein großer Versicherer wurde vom Landgericht Frankfurt am Main zur Erteilung eines Buchauszuges verurteilt. Man wollte diesem nachkommen und übersandte eine Vielzahl von DINA4 Blättern.
Die Gebrauchsanweisung für das Bearbeiten des Buchauszuges musste telefonisch abgefragt werden. Sie war dem Buchauszug nicht beigefügt. Verständlich waren die einzelnen Seiten nämlich nicht. Einen Sinn ergaben sie nur bei genauer handwerklicher Vorarbeit.
Mit Gebrauchsanleitung, viel Zeit und entsprechendem Werkzeug war dem ikeageprobten Berater ein Aneinanderfügen möglich.
Die Informationen über einen einzigen Vertrag waren über 7 DINA4 Blätter verteilt. Diese mussten jeweils links und rechts an der Falz geknickt werden, teilweise geschnitten werden und an der richtigen Stellen mit durchsichtigem Tesafilm zusammengeklebt werden. Dann war man in der Lage, die 7 Blätter nebeneinander zu legen und von links nach rechts über eine Länge von über 2 Metern jeden einzelnen Vertrag erläutert zu bekommen.
Da der Buchauszug aus mehreren 100 Seiten bestand, wäre der Aufwand „knicken, falten, schneiden und kleben“ immens gewesen. Die Form musste deshalb beanstandet werden.
Dazu der BGH mit Urteil vom 21.3.2001, Az: VIII ZR 149/99: „Der Buchauszug soll eine Nachprüfung der vom Unternehmer erteilten oder zu erteilenden Provisionsabrechnungen ermöglichen. Dies gebiete lediglich, dass der Buchauszug die geschäftlichen Vorgänge klar und übersichtlich darstellen müsse. Eine konkrete Form der Darstellung sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Der Vertreter könne lediglich eine geordnete Darstellungsweise verlangen.“
Und der BGH mit Urteil vom 20.11.2011 Az I ZB 67/09 : „Erforderlich ist, dass der Buchauszug aus sich heraus verständlich ist. Das schließt es nicht aus, dass die Anforderungen, die an eine klare, geordnete und übersichtliche Form der Darstellung sämtlicher relevanten Geschäftsvorfälle zu stellen sind, auch dadurch erreicht werden können, dass einer Aufstellung Abdrucke von Auftrags- und Rechnungsunterlagen beigefügt werden, die ohne Schwierigkeiten zugeordnet werden können.“
Da dieser Buchauszug nicht geordnet war, sondern erst geordnet werden sollte, wird der Versicherer nunmehr bemüht sein, den Buchauszug eingleisiger zu gestalten. Wir sind gespannt.
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Der Bundesgerichtshof hat immer wieder entschieden, dass im Falle der Stornierung das Versicherungsunternehmen verpflichtet ist, in dem gebotenen Umfang nachzuarbeiten. Das Unternehmen hat also Nachbearbeitungsverpflichtungen (Urteil Bundesgerichtshof 12.11.1987 Aktenzeichen I ZR 3/86).
Dazu ein paar grundliegende Zusammenfassungen:
Bundesgerichtshof 12.11.1987 Aktenzeichen I ZR 3/86:
Der Anspruch auf Provision entfällt erst dann, wenn das Versicherungsunternehmen die Ausführung des Geschäftes ohne dessen Verschulden unmöglich oder unzumutbar wird. Die Darlegungs- und Beweislast trifft den Versicherer. Ihm obliegt es, notleidende Verträge nachzuarbeiten. Art und Umfang bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles (Bundesgerichtshof Versicherungsrecht 1983, 371).
Bundesgerichtshof 25.05.2005 Aktenzeichen VIII ZR 237/04:
Das Versicherungsunternehmen kann entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen, die dann nach Art und Umfang ausreichend sein müssen, was im Streitfall von ihm darzulegen und zu beweisen ist, oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzuarbeiten (Bundesgerichtshof Urteil vom 12.11.1987)
Bundesgerichtshof Urteil 19.11.1982 Aktenzeichen I ZR 125/80:
Der Anspruch auf Provision entfällt, wenn feststeht, dass der Dritte nicht leistet (§ 87 a HGB) Diese Regelung ist nicht anwendbar, wenn noch vor der Leistung des Unternehmers der Versicherungsnehmer die Leistung ablehnt, die Zahlung der Prämie verweigert oder sich sonst vom Vertrag lossagt. Die bloße Zahlungsverweigerung begründet allein noch nicht die Feststellung, dass der Dritte nicht gemäß § 87 a Abs. 2 HGB leistet.
Wenn der Versicherungsnehmer die Prämie nicht leistet, entfällt der Provisionsanspruch nach der Maßgabe des § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB, wenn dem Versicherer die Ausführung des Geschäftes ohne Verschulden unmöglich oder nicht zumutbar ist. Der Versicherer trägt die Darlegungs- und Beweislast.
Die Nachbearbeitung ist unzumutbar, wenn es sich um Kleinstprovisionen von 10 DM und 20 DM handelt. Das Schweigen auf den Erhalt der Abrechnung ist jedenfalls kein Anerkenntnis.
Urteil Bundesgerichtshof vom 28.06.2012 Aktenzeichen VII ZR 130/11:
Entscheidet sich der Versicherer für die Versendung von Stornoabwehrmitteilungen, müssen diese mit Rücksicht auf das Provisionsinteresse so rechtzeitig versandt werden, dass der Vertreter sich sinnvoll und mit Aussicht auf Erfolg um eine Rettung der Verträge kümmern kann. Als Zeitraum für ein rechtzeitiges Übersenden werden zwei Wochen genannt.
Führt der Versicherer die Stornobekämpfung selbst durch, muss er darlegen und beweisen, ausreichende Maßnahmen ergriffen zu haben. Die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Bestandsnachfolger ist keine ordnungsgemäße Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge. Denn der Bestandsnachfolger verfolgt hauptsächlich sein eigenes Provisionsinteresse.
Bundesgerichtshof Urteil vom 01.12.2010 Aktenzeichen VIII ZR 310/09:
Der Versicherer ist nicht verpflichtet darzulegen und zu beweisen, dass der Versicherungsvertreter die Stornogefahrmitteilungen tatsächlich erhalten hat.
Ein bloßes Mahnschreiben des Versicherungsunternehmens an den Versicherungsnehmer genügt grundsätzlich nicht als ausreichende Nachbearbeitung. Es ist erforderlich, den Versicherungsnehmer zur Erfüllung seiner Vertragspflicht ernsthaft und nachdrücklich anzuhalten. Es genügt jedenfalls nicht, ein Mahnschreiben zu übersenden und in diesem eindringlich auf die Vorteile der abgeschlossenen Versicherung hinzuweisen („Bedenken Sie die Vorteile einer Lebens- bzw. Rentenversicherung: Versicherungsschutz für den Bezugsberechtigten, steuerliche Vergünstigungen für die gezahlten Beiträge, Beteiligungen an den Überschüssen. Sollten Sie Fragen zu Ihrer Versicherung haben, wenden Sie sich an uns. Wir sind gern bereit, Sie zu beraten und Ihnen Vorschläge zu unterbreiten“.)
Offengelassen hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung, ob der Versicherer nach den Gründen für die Nichtzahlung zu forschen hat und gemeinsam mit dem Prämienschuldner eine Lösung suchen muss (so Oberlandesgericht Brandenburg Urteil 07.10.2010 Aktenzeichen 12 U 96/09, Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss vom 21.02.2007 Aktenzeichen I -16 W 70/06) Dafür ist eine regelmäßige Rücksprache mit den Schuldner nach Oberlandesgericht Brandenburg und Oberlandesgericht Düsseldorf erforderlich. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage offen gelassen.
Der Bundesgerichtshof ließ in dieser Entscheidung offen, ob ein Versicherungsmakler wie beim Versicherungsvertreter § 87 a Abs. 3 HGB anzuwenden ist. Auf den Meinungsstreit kommt es nach dem BGH nicht an, da sich eine Schutzbedürftigkeit für den Makler bereits aus Treu und Glauben ergibt.
Oberlandesgericht Köln vom 09.09.2005 Aktenzeichen 19 U 147/04:
Maßstab für die Nachbearbeitungspflicht ist der Aufwand, den der Versicherungsvertreter selbst betreiben würde.
In Bezug auf gefährdete Verträge stellen versandten Mahnschreiben keine ausreichende Nachbearbeitungsmaßnahme dar. Schließlich würde der Versicherungsvertreter es nicht bei standardisierten Mahnschreiben belassen, sondern durch persönliche oder telefonische Kontaktaufnahme die Versicherungsnehmer ernsthaft und nachdrücklich auf die für die Negativfolgen einer Vertragsbeendigung hinweisen und auf seine Vertragsfortsetzung hinwirken (so auch Oberlandesgericht Zweibrücken Urteil vom 24.05.2011 Aktenzeichen 8 U 858/08, mehrere Mahnschreiben könnten genügen, so Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 04.03.2011 Aktenzeichen 14 U 86/10)
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 21.01.2015 Aktenzeichen 10 AZR 84/14
Auch gegenüber dem angestellten Versicherungsvertreter muss die ordnungsgemäße Nachbearbeitung gemäß § 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB erfolgen. Die Anwendbarkeit des § 87 a Abs. 3 HGB gilt auch für Arbeitnehmer gemäß § 65 HGB, somit auch für den angestellten Makler.
Ansonsten schließt sich das Bundesarbeitsgericht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes an.
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Am 10.02.2010 entschied der BGH unter dem Aktenzeichen VIII ZR 53/09, dass eine Abtretung von Provisionsansprüchen eines Versicherungsvertreters gemäß § 134 BGB, § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB unwirksam sein kann.
Ein Versicherungsvertreter hat das Recht, Auskunft über die vermittelten Versicherungsverhältnisse zu erlangen. Dieses Auskunftsrecht steht nach § 402 BGB auch dem Zessionar zu, demjenigen also, der auf Grund der Abtretung den Anspruch erwerben soll.
Gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB ist auch ein selbständiger Versicherungsvertreter der Geheimhaltung unterworfen. Mithin darf er nicht gesundheitliche Daten von Versicherungsnehmern preisgeben. Darunter fallen auch Daten über finanzielle Vorsorgemaßnahmen.
Weil man anderen diese Daten nicht übertragen darf, ist auch eine Abtretung von Provisionsansprüchen eines Versicherungsvertreters, der Personenversicherungen vermittelt, unwirksam.
Der BGH entschied weiterhin, dass auch Ansprüche aus § 87 c HGB als bloße Hilfsrechte nicht wirksam abgetreten werden können.
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Das Urteil ist der Hammer! Der BGH hat endlich einen Umstand geklärt, um den man lange gestritten hat.
Vermittelt der Versicherungsvertreter dynamische Lebensversicherungen, bei denen sich die Versicherungssumme nach dem Inhalt des Versicherungsvertrags in regelmäßigen Zeitabständen erhöht, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht, gehen die Erhöhungen auf die Vermittlungstätigkeit bei Abschluss des Versicherungsvertrags zurück und sind gemäß § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB im Zweifel provisionspflichtig (im Anschluss an BAG, VersR 1984, 897; VersR 1986, 251)
ist der Kernsatz einer BGH-Entscheidung vom 20.12.2018. Diese neue Entscheidung stellt nunmehr eindeutig klar, dass es grundsätzlich einen Anspruch auf Dynamikprovision gibt, auch nach Vertragsende.
Das Urteil ist nicht überraschend, aber in seiner Form ein Hammer. Die Versicherung, die sich bis zum BGH verklagen ließ und bereits in den Vorinstanzen in Frankfurt unterlag (wir berichteten), hat der Branche keinen Gefallen getan. Gerade die Vertriebe, die nach Vertragsende die Dynamikprovisionen nicht mehr abrechnen und auszahlen, müssen sich jetzt warm anziehen.
Beispielsweise die DVAG stellte sich immer noch auf den Standpunkt, dass eine Betreuung notwendig ist, um die Dynamikprovision zu erzielen. Die Betreuung kann nach Vertragsende nicht mehr geleistet werden, so dass dann der Provisionsanspruch entfalle.
Damit dürfte aber nach der eindeutigen Entscheidung des BGH Schluss sein.
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Eine Versicherungsmaklerin schloss mit dem Kunden eine „Dienstleistungsvereinbarung“, nach der der Kunde im Falle eines Tarifwechsels eine Vergütung zahlen soll. Die Höhe beträgt das Neunfache dessen, was der Kunde monatlich spart.
Die Vermittlerin „vermittelte“ einen Tarifwechsel innerhalb derselben Krankenversicherung. Die Kundin verweigerte die Zahlung. dann wurde geklagt. Die Kundin meinte, ein Tarifwechsel könne keine Provisionen auslösen.
Der BGH meinte in einem Urteil vom 28.06.2018 unter dem Az. I ZR 77/17, die Kundin habe zu zahlen. Schließlich habe man einen Versicherungsmaklervertrag geschlossen. Der Tarifwechsel komme durch einen Änderungsvertrag zustande. Zunächst stelle der Versicherungsnehmer einen Tarifwechselantrag, den der Versicherer wegen des Kontrahierungszwangs annehmen müsse. Damit liegt nach Auffassung des BGH ein neuer Vertrag vor, der entsprechend der Vereinbarung das Honorar auslöst.
Der Bund der Versicherten e.V. (BdV) gab daraufhin ein Verfahren auf, das er gegen die MLP Finanzdienstleistung AG führte, zurückgenommen. So schreibt es ASScompact.
Hintergrund der Klage des BdV war die Tarifwechselberatung, die MLP als ausschließliche Beratung außerhalb der Vermittlung anbietet. Der BdV klagte , weil man der Meinung war, dass Versicherungsmakler eine Tarifwechselberatung nur als Nebenleistung zur Versicherungsvermittlung anbieten dürfen und kein gesondertes Honorar vereinbart werden dürfe. Das Landgericht Heidelberg und auch das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden bereits gegen den BdV.
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Seit 2016 hat es für Versicherungsmakler ein paar interessante Urteile gegeben. Der Makler ist der Sachverwalter des Kunden. Dies ist bekannt seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.05.1985.
Der Makler hat nicht nur zu beraten, er hat auch den Schaden ordentlich zu bearbeiten. Die Schadensbearbeitung gehört zu seinen primären Pflichten. Dies entschied der Bundesgerichtshof am 30.11.2017 unter dem Aktenzeichen I ZR 143/16. Die Schadensbearbeitung gehört auch dann zu seinen Pflichten, wenn dies nicht gesondert im Vertrag mit den Kunden vereinbart wurde.
Dort hatte die Maklerin nicht auf bestimmte Fristen zur Feststellung einer Invalidität bei einer Unfallversicherung hingewiesen. Dadurch gingen der Kundin, die im Übrigen selbst in der Branche gearbeitet hatte, Ansprüche verloren. Die Maklerin hatte gem. des Urteils des Bundesgerichtshofs dafür einzustehen.
Mit einer weiteren Entscheidung vom 07.02.2017 unter dem Aktenzeichen 7 O 175/15 hat das Landgericht Bielefeld ebenso überraschend entschieden. Ein Makler sollte eine Hausratversicherung vermitteln. Die Versicherung meinte, ein Vertragsschluss sei kein Problem, policierte den Vertrag jedoch nicht.
Das Landgericht Bielefeld meinte, dass auch der Vertragsschluss von den Maklern zu überwachen ist. Erst dann, wenn der Versicherungsnehmer die vorgesehene Police in den Händen hält, hat der Makler seine Verpflichtung erfüllt. Er muss also die Reaktion des Versicherers überwachen. Ebenfalls muss er dort nachhaken und darf sich nicht „blind“ auf den Vertragsschluss verlassen.
Am 10.03.2016 hatte der Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen I ZR 147/14 sich über die rechtlichen Folgen Gedanken gemacht, wenn ein Versicherungsvertrag umgedeckt wird. Der Makler hatte mit einer Firmengruppe einen Maklervertrag zur Überprüfung des Versicherungsschutzes getroffen. Dann kam es infolge von Betriebsunterbrechungen zu einem Schaden in zweistelliger Millionenhöhe. Da das Risiko einer Sprinkleranlage von der hier streitigen Betriebsunterbrechungsversicherung nicht umfasst war, zahlte die Versicherung nicht. Der Makler wurde in Anspruch genommen. Der Bundesgerichtshof sah es als Pflicht des Versicherungsmaklers an, den Kunden an seinem konkreten Bedarf orientiert zu beraten und ihm eine Sach- und Interessenorientierte Versicherung mit Informationen über die dafür aufzuwendenden Kosten anzuraten. Wenn der Versicherungsnehmer sachwidrige Weisungen erhält, darf der Makler diese nicht ohne weiteres akzeptieren, wenn der Versicherungsnehmer noch nicht vollständig aufgeklärt wurde.
Insofern hatte der Bundesgerichtshof die Verpflichtung des Maklers weit gefasst.
Über weitere interessante und aktuelle Maklerurteile berichtete der Handelsvertreterblog hier.
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Wenn ein Versicherungsantrag falsch ausgefüllt wird, spricht man von der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Dies liegt z.B. vor, wenn man beim Antrag auf Berufsunfähigkeit die ein oder andere Vorerkrankung weglässt. Vorerkrankungen führen mitunter dazu, dass ein Versicherer den Vertragsschluss ablehnt. Deshalb neigt der eine oder andere dazu, hier mal etwas wegzulassen, obgleich im Versicherungsantrag ausdrücklich danach gefragt wird.
Wenn der Versicherungsfall eintritt, beginnt die Versicherung mit den Ermittlungen. Oft erfährt sie dann, dass bei Antragstellung gempgelt wurde.
Im Falle einer arglistigen Täuschung kann der Versicherer einen zuvor abgeschlossenen Vertrag anfechten. Der Versicherungsnehmer muss dann alle empfangenen Leistungen zurückzahlen, der Versicherer kann die Beiträge aber behalten.
Alternativ kann der Versicherer bei Verletzung der Anzeigepflicht vom Vertrag zurücktreten. Dies hat zur Folge, dass der Vertrag nicht nur beendet ist, sondern der Versicherungsnehmer auch nur die bereits erhaltenen Leistungen behalten darf.
Dass eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht immer erlaubt ist, belegt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.05.2017 unter dem Aktenzeichen IV ZR 30/16. „Alleine aus der unrichtigen oder unvollständigen Beantwortung von Gesundheitsfragen kann jedoch nicht auf das Vorliegen von Arglist geschlossen werden“, sagt der BGH und verlangt, dass noch weitere Vorsatzvorwürfe nachgewiesen werden.
Der Vorwurf der falschen Antragstellung kann aber auch „verjähren“. Der Bundesgerichtshof hatte mit Urteil vom 25. 11.2015 unter dem Aktenzeichen IV ZR 277/14 entschieden, dass falsche Gesundheitsangaben nach 10 Jahren irrelevant sind. Ganz egal, ob falsche Angaben getätigt wurden, darf eine Versicherung nach Ablauf von 10 Jahren wegen arglistiger Täuschung nicht mehr anfechten.
In dem dortigen Fall hatte der Versicherungsnehmer im Jahr 2002 umfassende Fragen zu Vorerkrankungen ausfüllen müssen. Erst nach Ablauf von 10 Jahren, und zwar erst im Juli 2012, erklärte die Versicherung die Anfechtung, weil eine Parkinsonerkrankung verheimlicht wurde.Wer also falsche Angaben gemacht hat und 10 Jahre vorbei sind, könnte Glück haben.
Aber Vorsicht: Am 11.12.2017 entschied das Oberlandesgericht Hamm unter dem Aktenzeichen 6 U 92/17, dass derjenige, der eine Berufsunfähigkeit vor Abschluss des Versicherungsvertrages mitbringen würde, „während der Dauer“ des Vertragsverhältnisses nicht weiter berufsunfähig werden könne. Dafür trage der Versicherungsnehmer die Beweislast. Hier ist also Vorsicht geboten.
Über einen nicht alltäglichen Fall der Verletzung einer Anzeigepflicht berichtet kürzlich ein Anwaltskollege in ProContra Online. Dort hatte der Versicherungsnehmer den schriftlichen Antrag ordnungsgemäß ausgefüllt. Sein Versicherungsmakler hatte bei der Onlineantragstellung die Vorerkrankungen an die Versicherung falsch übertragen. Nach einem Urteil des Oberlandesgericht Dresden vom 03.04.2018 unter dem Aktenzeichen 4 U 698/17 musste sich der Versicherungsnehmer das – arglistige – Verhalten seines Maklers zurechnen lassen, obgleich der Versicherungsnehmer selbst ja redlich gehandelt hatte. Im Gegensatz zum Versicherungsvertreter, der im Auftrag der Versicherung tätig ist, steht der Makler auf der Seite des Versicherungsnehmers. Mithin muss sich ein Kunde dessen Fehler zurechnen lassen. Das tragische daran könnte jedoch sein, dass deshalb die Haftpflichtversicherung des Maklers nicht mehr leistet. Gem. § 81 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz kann ein Versicherer seine Leistungen in einem der schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis kürzen, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeiführt.
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Viele Handelsvertreter erhalten eine Bestandserhaltungsprovision, teilweise auch Bestandsprovision oder Bestandspflegeprovision genannt.
Wie das Wort es schon besagt, soll hier eine Provision gezahlt werden, wenn der Bestand der Verträge erhalten bleibt.
Teilweise wird diese Bestandspflegeprovision pauschal gezahlt, teilweise in Abhängigkeit zu bereits vermittelten und eingereichten Geschäften.
Ein in der Versicherungswirtschaft neu diskutiertes neues Vergütungsmodell sieht vor, dass eine Bestandsprovision nur dann ausgezahlt werden soll, wenn der Versicherungsvertreter auch eine festgesetzte Neuproduktion erreicht. Auch hier gibt es verschiedene Ansätze.
Die Bestandspflegeprovision ist gesetzlich nicht geregelt. In § 87 Abs. 1 HGB steht: „Der Handelsvertreter hat Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind oder mit Dritten abgeschlossen werden, die er als Kunde für Geschäfte der gleichen Art geworben hat“. Provisionen gibt es danach nur für abgeschlossene Geschäfte. Es ist also eine reine Erfolgsprovision bzw. Abschlussprovision.
Eine Bestandserhaltungsprovision nennt § 87 HGB nicht. Der Anspruch darauf ergibt sich aus dem Agenturvertrag. Wenn der Handelsvertreter verpflichtet ist, die Bestände des Versicherers zu pflegen und zu betreuen, so stellt dies eine Tätigkeit dar, die nicht auf den Abschluss eines Neuvertrages gerichtet ist. Es wird dadurch eine weitere selbstständige Hauptpflicht begründet. Ansprüche des Versicherungsvertreters könnten demnach gem. § 675 BGB aus einem Geschäftsbesorgungsvertrag bestehen. Ein Werkvertrag wäre es dann, wenn der Versicherungsvertreter für einen bestimmten Erfolg einstehen müsste, z.B. dass ein bestimmter Prozentsatz im Bestand bleibt. Wenn es ein Dienstvertrag wäre, müsste er sich allenfalls um die Bestandserhaltung bemühen. Für die Bemühung würde ihm dann eine entsprechende Provision zustehen. Damit lässt sich auch ein gesetzlicher Vergütungsanspruch für die Bestandspflege herleiten.
Die vertraglichen Regelungen zur Bestandspflege sind mitunter missverständlich. Wenn ein Bestand nicht übertragen wurde, der Versicherungsvertreter also ausschließlich selbst vermittelte Verträge „im Bestand pflegt“, so könnte auch dies als Erfolgsprovision gewertet werden. So sieht es beispielsweise der Vermögensberatervertrag vor, der zwischen dem jeweiligen Vermögensberater und der DVAG zustande kommt. Dort heißt es u.a. unter Ziffer IV, dass „für vermittelte Verträge werden als Gegenleistung dieser Vermittlungstätigkeit Abschlussprovisionen gewährt. Alle ratierlich gezahlten Provisionen werden grundsätzlich für die ersten 12 Monate ab Abschluss des Vertrages über das vermittelte Produkt als Abschlussprovisionen gezahlt. Ratierliche Provisionen ab dem 13. Monat werden grundsätzlich als Folgeprovisionen…. gezahlt….“. Dort spricht man also von Folgeprovisionen. Voraussetzung für diese Provision ist, dass der Vertrag noch im Bestand ist. Daneben gibt es noch freiwillige Sonderprovisionen. Von einer Bestandserhaltungsprovision spricht der Vermögensberatervertrag nicht.
In früheren Versionen des Vermögensberatervertrages hieß es einmal, dass die Kundenpflege Voraussetzung für die Folgeprovision sei. Dies wurde in früheren Verträgen der DVAG Kundenbetreuungsprovision genannt.
Auch dies zeigt: Es gibt vielzählige Variationen.
Fraglich ist auch, ob diese Bestandsprovisionen bei der Berechnung eines Ausgleichsanspruchs berücksichtigt werden. Dazu ist das Wesen der Bestandspflegeprovision zu erforschen.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat mit Schreiben vom 14.09.1993 darauf hingewiesen, dass es sich bei der Bestandspflegeprovision oder Bestandsbetreuungsprovision um Begriffe handelt, welche unter den Begriff Folgeprovision fallen und insbesondere in der Schadensversicherung auch einen Teil der Abschlussprovision beinhaltet. Kurzum: Bestandspflege- bzw. Bestandsbetreuungsprovisionen sind ausschließlich Folgeprovisionen. Sie folgen aus abgeschlossenen Geschäften gem. § 87 Abs. 1 HGB. Eine anderweitige Bezeichnung der Folgeprovision habe nach Auffassung des GDV im Übrigen keine Auswirkung auf den Ausgleichsanspruch, wenn man diesen nach den Grundsätzen zur Errechnung der Höhe des Ausgleichsanspruchs berechnet.
Zudem hat der GDV mit Schreiben vom 05.04.1994 noch einmal darauf hingewiesen, dass die vom 2. Jahr ab gezahlte Provision in der Schadensversicherung, ungeachtet ihrer Bezeichnung in den Agenturverträgen, ein Teilvermittlungsentgelt enthält. Dies gelte insbesondere für gleichbleibende Provisionen, wenn diese bei einjährigen Versicherungsveträgen mit Verlängerungsklausel gezahlt werden. Dabei handelt es sich in der Praxis um Verträge mit unbestimmter Dauer. Hier wird gerade der Vermittlungserfolg mit einer gleichbleibenden Provision vergütet. Jegliche Folgeprovision soll nach den Grundsätzen zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs nicht abgezogen werden. Zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs sind nach dem Wortlaut der Grundsätze nicht hinzuzuziehen: „Abschlussprovisionen (erstjährige Provisionen abzüglich der Inkassoprovisionen, ausgenommen die Abschlussprovisionen für Versicherungen mit gleichbleibenden laufenden Provisionen)“. Dies bedeutet, dass bei Heranziehung der Grundsätze eine Bestandspflegeprovision in der Regel mit einbezogen wird. Sie ist eine Folgeprovision.
Im Übrigen könnte eine anders zu verstehende vertragliche Regelung gegen § 89 b) Abs. 4 HGB verstoßen. Danach darf der Anspruch auf den Ausgleich vertraglich nicht im Voraus ausgeschlossen werden. Nach einer BGH-Entscheidung vom 14.7.2016 ist bereits eine Vereinbarung unwirksam, durch die der Anspruch im Ergebnis teilweise eingeschränkt wird. Unwirksam sind also nicht nur Totalausschlüsse.
Die ERGO hatte übrigens die Zahlung einer Verwaltungsprovision, die so im vertrag bezeichnet wurde, bei der Berechnung der Grundsätze in die Billigkeit mit einfließen lassen.
Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.12.2013 hat sich zwar mit dem Thema beschäftigt, jedoch keine Klärung gebracht.
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Wenn ein Versicherungsmakler Fristen versäumt und dem Kunden nicht hilft, haftet er gem. § 280 Abs.1 BGB. Das entschied der BGH in einem Urteil vom 30.11.2017 unter dem Az. I ZR 143/16.
Diese 18 Monats-Frist verstrich und der Versicherer lehnte den verspäteten Antrag auf eine Unfallversicherungsleistung von 37.800 € danach ab.
Nunmehr ging die Kundin gegen den Makler vor. Dieser sollte sich um die Schadenabwicklung kümmern solle.
Eine besondere Note bekam die Sache, weil Kundin selbst geprüfte Versicherungsfachfrau ist und früher einmal als Untervertreterin der Maklerin tätig war. Sie besaß also gewisse Vorkenntnisse. Dies hatte der BGH in der Entscheidung gewürdigt, den Makler aber dennoch voll in die Verantwortung genommen.
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Verjährung des Buchauszugs nicht von Stornozeit abhängig
Das OLG München hat am 21.12.2017 unter dem Az 23 U 1488/17 die Rechtsprechung des BGH vom 03.08.2017 unter dem Az. VII ZR 32/17 zur Verjährung des Buchauszugsanspruchs bestätigt.
Danach beginnt die eigenständige Verjährung des Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszugs nach § 87 c Abs. 2 HGB regelmäßig mit dem Schluss des Jahres, in dem der Unternehmer dem Handelsvertreter eine abschließende Abrechnung über die ihm zustehende Provision erteilt hat. Dass die vermittelten Verträge einer Stornohaftzeit unterliegen, steht allerdings dabei der Annahme einer abschließenden Abrechnung über die dem Versicherungsvertreter zustehenden Provisionen nicht entgegen, denn mit Erhalt der Abrechnungen weiß er, welche Beträge als Stornoreserve einbehalten wurden.
Hier ein paar Kernsätze der Entscheidung:
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Die Generali hat vielen Handelsvertretern, die nicht mit zur DVAG gewechselt sind, inzwischen die Kündigung ausgesprochen. Gleichzeitig wurden diese von der Arbeit freigestellt.
Wenn die Möglichkeit der Freistellung im Handelsvertretervertrag geregelt ist, ist eine Freistellung erlaubt. So sagt es der Bundesgerichtshof in seinen regelmäßigen Rechtsprechungen, zuletzt in einem Urteil vom 13.08.2015 unter dem Aktenzeichen VII ZR 90/14.
Die Entscheidung wurde hier im Blog ausführlich besprochen.
Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte sich einmal mit der Frage beschäftigen müssen, ob die Freistellung eines Arbeitnehmers, auch wenn es vertraglich grundsätzlich erlaubt ist, dennoch unzulässig sein könnte. In dem Verfahren ging es um einen bei der Fluggesellschaft Turkish Airlines beschäftigten Kläger, der seine Beschäftigung im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen wollte.
Das LAG Hamm entschied mit Urteil vom 03.02.2004 unter dem Aktenzeichen 19 Sa 120/04, dass eine Freistellung dann unzulässig ist, wenn die Ausübung des Freistellungsrechtes des Arbeitgebers nicht billigem Ermessen im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB entspreche. Das Gericht hat dabei das Ermessen für den Arbeitgeber großzügig angesetzt.
Nur dann, wenn entweder die Kündigung gerichtlich für unwirksam erklärt worden ist oder sie offensichtlich unwirksam ist oder die Freistellung billigem Ermessen gem §315 BGB widerspricht, wäre nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichtes Hamm die Freistellung unzulässig. Da das LAG dafür keine Anhaltspunkte sehen konnte, wies es die einstweilige Verfügung ab. Der dortige Kläger musste am Boden bleiben.
Das Landesarbeitsgericht Hamm erklärte die Freistellung sogar vor dem Hintergrund für zulässig, wenn man berücksichtigt, dass ein Arbeitnehmer einen grundsätzlichen Anspruch auf Beschäftigung hat.
Für einen Handelsvertreter gilt das nicht. Bei ihm gibt es im Gegensatz zu dem Arbeitnehmer keine grundsätzliche Beschäftigungspflicht.
Auch wenn der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 29.03.1995 unter dem Aktenzeichen VIII 102/94 die Freistellung als „letztlich nichts anderes“ als ein vorgezogenes Wettbewerbsverbot ansieht, dürfte die Freistellung wirksam sein.