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EuGH: Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters auch bei schuldhaftem Verhalten
Mit Urteil vom 28.10.2010 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Rechtsposition des Handelsvertreters gestärkt. Ein Ausgleichsanspruch kann danach dem Handelsvertreter auch dann zustehen, wenn der Unternehmer im Nachgang zu einer ordentlichen Kündigung ein schuldhaftes Verhalten des Handelsvertreters feststellt.
Besteht der Verdacht, dass ein Handelsvertreter seine Pflichten nicht erfüllt, ist der Unternehmer gut beraten, dem nachzugehen und erst dann, wenn sich der Verdacht bestätigt, dem Handelsvertreter (fristlos) zu kündigen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass er seinem Vertreter trotz schuldhaften Verhaltens einen Ausgleichsanspruch zahlen muss.
Dies ist die Konsequenz eines EuGH-Urteils vom 28.10.2010, das im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Vorlage durch den Bundesgerichtshofs (BGH) erging.
In der Sache ging es darum, dass ein Autohersteller den Vertrag mit einem Autohändler, auf den die Bestimmungen des Handelsvertreterrechts analog Anwendung finden, ordentlich angekündigt hat. Erst nach Zugang der Kündigung erhielt der Unternehmer Kenntnis von einem schuldhaften Verhalten des Händlers, das auch eine fristlose Kündigung gerechtfertigt hätte.
Der Vertragshändler machte nun den Ausgleichsanspruch geltend, während der Hersteller diese mit der Begründung verweigerte, das Verhalten des Handelsvertreters hätte schließlich auch eine fristlose Kündigung gerechtfertigt.
Die Sache landete vor dem BGH, der die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegte.
In Rede stand u.a., ob gemäß der Handelsvertreterrichtlinie (86/653/EWG) ein Ausgleichsanspruch ausgeschlossen ist, wenn – wie hier – der Arbeitgeber nach einer ordentlichen Kündigung Kenntnis von Umständen erhält, die auch eine fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten.
Der EuGH verneint dies. Art. 18 lit.a der genannten Richtlinie verlange, dass zwischen dem schuldhaften Verhalten des Handelsvertreters bzw. Vertragshändlers und der Entscheidung des Unternehmers, den Vertrag zu beenden, ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Dies werde aus dem verwendeten Wort „wegen“ in Art.18 lit.a deutlich. Auch die Entstehungsgeschichte der Richtlinie spreche für diese Interpretation. So hatte die Kommission ursprünglich einmal vorgeschlagen, den Ausgleichsanspruch auszuschließen, wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Handelsvertreters „gekündigt hat oder hätte kündigen können“. Der Passus „hätte kündigen können“ sei aber eben gerade nicht übernommen worden. Ebenfalls verweist der Gerichtshof in seiner Begründung darauf, dass in allen Sprachfassungen die gleiche Präposition verwendet werde („wegen“) und die Bestimmung (als Ausnahme eines Ausgleichsanspruchs) eng auszulegen sei.
Erfährt der Unternehmer daher erst nach einer ordentlichen Kündigung, dass er auch fristlos hätte kündigen können, geht dies zu seinen Lasten. An dem Ausgleichsanspruch, den er seinem Handelsvertreter zu zahlen hat, ändert dies nichts.
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OLG Frankfurt bejaht Anspruch auf Buchauszug und Ausgleichsanspruch
Am 18.09.2012 entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, dass einem Vermögensberater ein Buchauszug zustehe, der zu enthalten hat:
a) Name des Versicherungsnehmers und/oder Vertragspartners sowie Geburtsdatum
b) Police- und/oder Versicherungsschein-Nummer
c) Art und Inhalt des Vertrages (Sparte, Tarifart, Prämien oder provisionsrelevante Sondervereinbarungen)
d) Jahresprämie
e) Vertrags- und/oder Versicherungsbeginn
f) Bei Lebensversicherungsverträgen: Versicherungssumme, Eintrittsalter des Versicherungsnehmers und Laufzeit des Vertrages
g) Bei Lebensversicherungsverträgen mit Dynamisierung zusätzlich: Erhöhung der Versicherungssumme, Zeitpunkt der Erhöhung und Erhöhung der Jahresprämie
h) Im Falle von Stornierung: Datum der Stornierung, Gründe der Stornierung und Art der ergriffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen
Außerdem wurde ein Vertrieb zur Zahlung eines Handelsvertreterausgleiches gemäß § 89 b Abs. 1 und 5 HGB verurteilt.
Dieses Urteil ist teilweise nicht rechtskräftig. Der Vertrieb wandte sich dagegen im Rahmen der Revision. Der Bundesgerichtshof hatte dann das bahnbrechende Urteil aufgestellt, wonach der Ausgleichsanspruch anhand der Grundsätze geschätzt werden darf. In diesem BLOG wurde darüber bereits mehrfach berichtet.
Das Verfahren wurde dann anschließend an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht entschied neu und anschließend ging die Angelegenheit abermals in die Revision wegen der Frage, ob Rückstellungen, die in das Versorgungswerk vorgenommen werden, auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen sind.
Der Bundesgerichtshof meinte dann, dass grundsätzlich eine solche Anrechnung zulässig sei.
Mit dieser Maßgabe ging nunmehr das Verfahren zurück zum Oberlandesgericht. Dort wird nunmehr eine weitere Entscheidung erwartet. Zwischenzeitig hatte der Vermögensberater aufgrund des erhaltenen Buchauszuges nachberechnen können und die Forderung entsprechend nach oben anpassen können.
Eine Entscheidung ist noch nicht ergangen.
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OLG Frankfurt: Verwaltungsboni nicht ausgleichspflichtig
Das OLG Frankfurt wies kürzlich eine Berufung zurück, in der ein Handelsvertreter sog. Verwaltungsboni im rahmen seines Ausgleichsanspruchs angerechnet haben wollte. Danach werden „Zuschüsse und sonstige Vergütungen des Versicherungsunternehmens, wie z.B. Bürozuschüsse, Ersatz von Porti, Telefon und Reklameaufwendungen“ beim Ausgleichsanspruch nicht berücksichtigt.
Dazu das Gericht vorab in einem Beschluss:
- beabsichtigt der Senat, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs.2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat….
- Die Klägerin, eine ordentlich gekündigte Versicherungsvertreterin, macht auf der Grundlage der Grundsätze-Sach einen Anspruch wegen Handelsvertreterausgleichs geltend. Sie hat erstinstanzlich der Berechnung des Ausgleichswerts gemäß Abschnitt I der Grundsätze einerseits sogenannte DD-Provisionen zugrunde gelegt, die die Beklagte für Verlängerungen von Einzugsermächtigungen gezahlt hatte (1.733,80 € Jahresdurchschnittswert entsprechend 2.600,70 € Ausgleichsanspruch) und andererseits einen ihr als Landesdirektorin gezahlten monatlichen Verwaltungsbonus (30.129,40 € Jahresdurchschnittswert entsprechend 45.194,10 € Ausgleichsanspruch). Von dem Gesamtbetrag (45.194,10 € + 1.733,80 €) hat sie eine von der Beklagten auf den Ausgleichsanspruch erbrachte Zahlung von 2.871,60 € abgesetzt.
- Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Verwaltungsbonus sei Teil der Brutto-Jahresprovision und damit der Ausgleichsberechnung nach den Grundsätzen-Sach zugrunde zu legen.
- Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Grundsätze-Sach seien nicht heranzuziehen, weil sie nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur Schätzungsgrundlage seien, die keine Anwendung finde, wenn das Fehlen eines gesetzlichen Anspruchs festzustellen sei. Der Verwaltungsbonus sei jedenfalls von den zu berücksichtigenden Provisionen nach Abschnitt I 4 der Grundsätze auszunehmen.
- Das Landgericht hat nach Verhandlung vor der vollbesetzten Kammer durch die Vorsitzende allein die Klage abgewiesen, weil der Klägerin auf gesetzlicher Grundlage kein Ausgleichsanspruch im Umfang des gezahlten Verwaltungsbonus zustehe, denn dieser sei keine Vergütung für die Vermittlung für Vertragsverlängerungen oder Vertragserweiterungen, sondern nach den getroffenen Vereinbarungen Entgelt für die Verwaltung und Betreuung des Kundenstamms, auf das ein Ausgleichsanspruch nicht gestützt werden könne. Für die DD-Provisionen sei eine weitere Ausgleichszahlung nicht geschuldet, weil deren Ausgleichsbetrag unter der bereits erbrachten Zahlung der Beklagten liege und die Klägerin wegen der in 2001 erfolgten Aufhebung der diesbezüglichen Vereinbarung keinen Anspruch habe.
- Die Klägerin wendet mit ihrer Berufung ein, das Urteil sei nicht von dem berufenen gesetzlichen Richter gefällt worden und könne deshalb keinen Bestand haben. Der Verwaltungsbonus sei jedenfalls auch Vergütung für die Vermittlung von Folgeaufträgen und die Grundsätze-Sach nähmen hinsichtlich der Abgrenzung zur Vergütung für Verwaltungstätigkeiten in Abschnitt I 3 eine Pauschalierung vor. Auf die Bezeichnung der Vergütung könne es für ihre Einordnung nicht entscheidend ankommen.
- Die Beklagte verteidigt das Urteil.
- Das Rechtsmittel der Klägerin ist zulässig eingelegt und gerechtfertigt worden.
- Die Berufung hat aber offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil nicht auf einem Rechtsfehler iSd. § 513 Abs.1 ZPO beruht und eine andere Tatsachenlage im Berufungsverfahren entweder nicht festzustellen ist oder für die Entscheidung ohne Bedeutung bleibt.
- Der Klägerin steht jedenfalls kein weiterer Anspruch aus § 89b Abs.5 Satz 1, Abs.1 HGB auf Handelsvertreterausgleich zu, als die Beklagte bereits hierauf Zahlung geleistet hat, nämlich im Umfang von 2.871,60 €, sodass dahin stehen kann, ob die Klägerin aus den DD-Provisionen nach Maßgabe der Grundsätze-Sach berechtigt sein kann. Denn der sich daraus ergebende Anspruch würde den Zahlbetrag nicht übersteigen. Folgerichtig geht die Berufung der Klägerin auf die DD-Provisionen auch nicht mehr ein.
- Die Klägerin kann keinen Ausgleich auf der Grundlage der erhaltenen Zahlungen verlangen, die die Parteien mit „Verwaltungsbonus“ bezeichnen. Die Grundsätze-Sach, die nach der Entscheidung des BGH vom 23.11.2011 (VIII ZR 203/10 – NJW-RR 2012, 674, zu Senat 5 U 101/09) gemäß § 287 ZPO Schätzungsgrundlage sein können, tragen einen höheren Anspruch der Klägerin nämlich nicht, weil die Verwaltungsboni dem Ausgleichswert nach Abschnitt I 4 nicht zugrunde zu legen sind. Danach sollen „Zuschüsse und sonstige Vergütungen des Versicherungsunternehmens, wie z.B. Bürozuschüsse, Ersatz von Porti, Telefon und Reklameaufwendungen“ unberücksichtigt bleiben. Der Senat sieht die Verwaltungsboni als solche Zuschüsse, wobei man der Klägerin zugestehen muss, dass die gewählte Bezeichnung der Vergütung für deren Einordnung nicht entscheidend sein kann, wenn sie auch im Rahmen der Auslegung mit zu berücksichtigen ist. Dass ein Zuschuss für Verwaltungstätigkeiten vorlag, ergibt nicht nur dessen Bezeichnung, sondern auch der vereinbarte Abgeltungsinhalt. In Anlage 1 zum Landesdirektorenvertrag (Anl. K 2) ist vereinbart worden, als die Boni als „Vergütung für die Verwaltung des Kundenbestands“ gezahlt werden sollten. Ihre Zahlung war mit der Verpflichtung verbunden, die Bestandskunden halbjährlich aufzusuchen. Die Berechnungsstruktur deutet dahin, dass überhaupt keine Provision vorlag, denn die Höhe richtete sich nicht nach den einzelnen Verträgen im Bestand der Klägerin, sondern war nur nach dem Halbjahresbestand an Prämien in drei Gruppen eingeteilt, nämlich bis 500.000,00 €, bis 599.999,00 € und über 600.000,00 €.
- Eine Heranziehung der Rechtsprechung zur Berechnung des gesetzlichen Anspruchs, an der sich die Grundsätze pauschalierend orientieren, führt zu keinem anderen Ergebnis. Mehrfach hat der BGH entschieden (zuletzt BGH vom 23.11.2011, wie oben, Rz. 30; auch BGH Vom 22.12.2003, VIII ZR 117/03- MDR 2004, 402), dass der Verlust von Verwaltungsprovisionen, also von Vergütungen für die Bestandspflege und Kundenbetreuung, nicht zum Ausgleich berechtigt. Hier hatten die Parteien aber vereinbart, dass der Bonus genau dies abgelten soll.
- Für eine schätzungsweise Heranziehung der Grundsätze-Sach besteht ohnehin nach § 287 Abs.2 ZPO iVm. § 287 Abs.1 ZPO keine rechtliche Grundlage, weil die Höhe des Ausgleichsanspruchs, wie dort vorausgesetzt, nicht streitig ist. Vielmehr steht fest, dass die Klägerin auf der Grundlage des § 89b Abs.1 HGB keinen Ausgleich aus den gezahlten Verwaltungsboni beanspruchen kann. Es entspricht, wie zuvor ausgeführt, ständiger BGH-Rechtsprechung (vgl. zuletzt vom 23.11.2011, wie oben, Rz. 30), dass solche Provisionen ausgleichsrechtlich irrelevant sind, die für Tätigkeiten wie Bestandpflege und Kundenbetreuung gezahlt werden.
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Der Ausgleichsanspruch kann auch „nach dem Gesetz“ errechnet werden. Dies ist jedoch schwierig und risikoreich.
In den von dem Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen hatte der Handelsvertreter zunächst versucht, erstinstanzlich den Ausgleichsanspruch über die gesetzlichen Grundlagen zu errechnen und einzuklagen. Damit ist er erstinstanzlich gescheitert.
Erst als sich der Handelsvertreter dazu entschlossen hatte, die Berechnungen auch über die Grundsätze vorzunehmen, wollte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main diesem nachkommen. Das wurde dann anschließend vom Bundesgerichtshof bestätigt. Der Vertrieb hatte sich dagegen gewehrt und Revision eingelegt.
Nach den gesetzlichen Grundlagen müsste man sich bei der Berechnung des Ausgleiches bei den dynamischen Lebensversicherungen zunächst darüber Gedanken machen, welche Provision der Vertreter für die Vermittlung dynamisierter Lebensversicherungen erhalten hat. Würden dann Ansprüche auf Grunde einer wirksamen Provisionsverzichtsklausel mit Ende des Vertrag es entfallen, so partizipiert der Vertreter nicht mehr an den Dynamisierungen, wenn der Vertrag beendet ist. Er erleidet also nach Vertragsende Verluste. Diese Verluste sind im Rahmen einer so genannten Abwanderungsquote zu prognostizieren.
Maßgeblich ist also eine so genannte Abwanderungsquote. Die Abwanderungsquote kann sich aus den Zahlen der letzten Jahre ergeben. Hier müsste dann prozentual ermittelt werden, wie viele Verträge in den letzten Jahren prozentual weggefallen sind.
Ausgangsüberlegung ist die Provision, die der Vermittler in den letzten Jahren für die Dynamisierung bekommen hat.
Rechenbeispiel:
Wenn wir im letzten Vertragsjahr von einer Provision für Dynamisierungen von 5.000,00 € ausgehen, wird dies wie folgt berechnet:
Erstes Folgejahr
Jahresanfang Abwanderung 10 % Jahresende
5.00,00 € 4.50,00 €
Zweites Folgejahr
Jahresanfang Abwanderung 10 % Jahresende
4.50,00 € 4.05,00 €
Drittes Folgejahr
Jahresanfang Abwanderung 10 % Jahresende
405,00 € 3.64,50 €
Viertes Folgejahr
Jahresanfang Abwanderung 10 % Jahresende
364,50 € 328,05 €
Fünftes Folgejahr
Jahresanfang Abwanderung 10 % Jahresende
328,05 € 295,24 €
Die Provisionsverluste aus fünf Jahren betragen somit 1842,79 €.
Des Weiteren wird (nach Gillardon) ein Abzinsungsfaktor von 3 Prozent für fünf Jahre gebildet = 55,28
Der Ausgleichsrohbetrag wird nunmehr errechnet aus der Summe der Provisionsverluste in Höhe von 1842,79 € geteilt durch 60 (=5 Jahre) multipliziert mit 55,28 = 1842,79 geteilt durch 60 x 55,28 = 16.979,06
Danach wären 16.979,06 € auszugleichen.
Diese Berechnung ist wesentlich riskanter und ungenauer. Schon allein die Provisionsverluste zu berechnen, die der Vermittler im Bereich der dynamisierten Lebensversicherungen hat, ist äußerst schwierig. Hier würde eine derart exakte Auskunft erforderlich sein, um all die Zahlen präsentieren zu können, die gerichtlich erforderlich sind, so dass dies bereits ein erhebliches Risiko darstellt und schon daher die Ermittlung über die Grundzüge vorzuziehen ist.
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Im Rahmen der Grundsätze, die einen Maßstab über die Berechnungd es Ausgleichsanspruches geben, wird auch genauer beschrieben, wie Finanzdienstleistungen auszugleichen sind.
Die maßgeblichen Entscheidungen, und zwar die Entscheidungd es Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main und die beiden Entscheidungen des Bundesgerichtshofes, habe sich zu diesem Punkt nicht geäußert. Die Urteile sahen bisher vor, dass es einen Ausgleich für Investments nicht gibt.
Zurzeit ist jedoch davon auszugehen, dass dies nur fallbezogen ist. Schließlich sehen die Grundsätze einen Ausgleich für Finanzdienstleistungen vor.
Beispiel: Betrugen die Jahresprovisionen für
2010 16.000,00 €
2011 7.500,00 €
2012 3.800,00 €
2013 6.600,00 €
So ergibt dies eine durchschnittliche Jahresprovision in Höhe von 8.475,00 €.
Das ermittelte ausgleichspflichtiges Folgegeschäft beträgt 10 % davon = 847,50 €.
Sollte der Vermittler z.B. 12 Jahre dabei gewesen sein, wird dieser Betrag mit 3 miltipliziert und ergibt dann 2.542,50 €. (Bei einer Tätigkeitsdauer über 15 Jahre würde es einen Treuebonus geben).
Insgesamt wären hier für den Bereich Finanzdienstleistungen bei unserem Beispiel 2.542,50 € auszugleichen.
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Es wurde ja bereits vielfach darauf hingewiesen, dass man den Ausgleichsanspruch nach den „Grundsätzen“ berechnen kann, auch wenn diese nicht vereinbart wurden.
Dafür haben zwei aktuelle Urteile des Bundesgerichtshofes sowie eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Frankfurt gesorgt. Das OLG Frankfurt wandte als erstes diese Grundsätze an, der BGH bestätigte dies mit bahnbrechendem Urteil vom 23.11.2011, Az. VIII R 203/10 und bestätigte diese Auffassung mit Urteil von diesem Jahr vom 08.05.2014 Az. VII ZR 282/12.
Drei Entscheidungen, die richtungsweisend sind und die Durchsetzung der Ausgleichsansprüche erheblich erleichtert.
Ich hatte mich schon der Berechnung der Ansprüche in Hinblick auf die Lebensversicherung und die Sachversicherung gewidmet. Heute ist die Krankenversicherung dran.
Unser Handelsvertreter, der als Beispiel dient, soll 11 Jahre tätig gewesen sein. Zur Berechnung benötigen wir den vereinbarten Provisionssatz und die Monatsbeiträge sowie die Tätigkeitsdauer.
Durchschnittliche Jahresproduktion 2009 in Monatsbeiträgen |
18.900 €
|
Durchschnittliche Jahresproduktion 2010 in Monatsbeiträgen |
22.700 €
|
Durchschnittliche Jahresproduktion 2011 in Monatsbeiträgen |
27.000 €
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Durchschnittliche Jahresproduktion 2012 in Monatsbeiträgen |
15.000 €
|
Durchschnittliche Jahresproduktion 2013 in Monatsbeiträgen |
19.000 €
|
Durchschnittliche Jahresproduktion 2007 – 2011 in Monatsbeiträgen |
20.520,00 €
|
x Faktor durchschnittlicher Provisionssatz in Monatsbeiträgen: 5,30 |
108.756,00 €
|
x Faktor (fest): 0,20 |
21.751,20 €
|
x Faktor (fest): 0,40 |
8700,48 €
|
x Faktor Tätigkeitsdauer (11 Jahre): 2,5 |
21.751,20 €
|
Ausgleichsanspruch Krankenversicherung |
21.751,20 €
|
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Nachdem der BGH Tür und Tor für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach den sogenannten Grundsätzen geöffnet hat, auch wenn diese nicht vereinbart wurden, ist die Berechnung relativ einfach geworden.
Während für die Ermittlung des Ausgleichs bei den Lebensversicherungen die Versicherungssumme und die Provisionshöhe maßgebliche Faktoren waren, kommt es bei den Sachversicherungen auf die Beitragssummen und die Provisionshöhe an.
Der vom Vermittler betreute Bestand im Sachbereich (SUH) belief sich beispielsweise in den fünf Jahren vor Vertragsende auf folgende Beitragssummen:
Jahr Beitragssumme
2009 111.000 €
2010 120.000€
2011 150.000€
2012 160.000€
2013 110.000€
Summe : 651.000 €
geteilt durch 5 Jahre = 130.200 € durchschnittl.
(Wenn der Vertreter einen Bestand übernommen hätte, gilt : Zu Vertragsbeginn hat der Agenturinhaber dem Untervertreter einen Bestand z.B. mit einer Beitragssumme von 90.000,00 Euro übertragen. Dieser ist nach den „Grundsätzen” nach mehr als zehn Jahren zu einem Drittel berücksichtigungsfähig. Der nicht berücksichtigungsfähige Teil (2/3 von 90.000,00 Euro = 60.000,00 Euro) würden dann bei der Berechnung vom Jahresendbestand abgezogen werden.)
Die auf diesen Bestand von 130.200 € durchschnittlich gezahlten Bestandspflegeprovisionen ergeben sich aus der Multiplikation mit dem (durchschnittlichen) Bestandspflege-Provisionssatz des Untervertreters, im Beispiel 9 Prozent. Somit ergibt sich eine durchschnittliche Jahresprovision der letzten fünf Jahre von 11.718,00 €.
Im SUH-Bereich einschließlich Rechtschutz beträgt der spartenabhängig vorgesehene Prozentsatz für die Ermittlung des Ausgleichswertes 50 Prozent hiervon, also 5859,00 €.
Dieser Wert wird schließlich noch mit dem Faktor für die Laufzeit des Vertretervertrags (hier 12 Jahre: Faktor 3,0) multipliziert. Der nach den „Grundsätzen Sach” ermittelte Ausgleichsanspruch für den Bereich SUH beträgt somit 17.577,00 € (5859,00 € x 3,0).
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Auf das wegweisende Urteil des BGH zum Ausgleichsanspruch, wonach diese nach den „Grundsätzen“ ermittelt werden können, hatte ich ja bereits hingewiesen. Das Urteil, das Gesetz und die Grundsätze sind ja nicht ganz leicht zu verstehen.
Deshalb versuche ich hier eine vereinfachte Darstellung. Grundsätzlich sollte jeder Handelsvertreter, Versicherungsvertreter oder Vermögensberater darüber nachdenken, ob ihnen dieser Anspruch zusteht. Wenn man selbst ordentlich kündigt (also unter Einhaltung der Kündigungsfrist), hat man übrigens keinen Ausgleichsanspruch. Alle anderen evtl schon.
Wie errechnet man die Ausgleichssumme bei der Lebensversicherung?
Nehmen wir einmal an, der Vertreter war ab Oktober 2000 insgesamt etwas mehr als 11 Jahre tätig.
Und nehmen wir an, die Versicherungssummen der dynamischen Lebensversicherungen betragen 1.900.000,00 Euro, die zum Zeitpunkt des Vertragsendes Im Bestand waren.
Ausgehend hiervon wird der Ausgleichsanspruch für diese Teilsparte nach den „Grundsätzen Leben” wie folgt ermittelt:
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Versicherungssumme dynamische Lebensversicherungen |
1.900.000,00 Euro
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x Abschlussprovisionssatz Leben: 24 ‰ |
45600,00 Euro
|
x Faktor Vertragsbeginn nach 1980: 0,08 |
3648,00 Euro
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x Faktor Tätigkeitsdauer (11 Jahre): 1,25 |
4560,00 Euro
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Ausgleichsanspruch Leben |
4560,00 Euro
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Gerade ein sehr zutreffendes Zitat in Wikipedia gefunden:
Zum Ausgleichsanspruch wird häufig folgender Ausspruch dreier Kammervorsitzender des Landgerichts München zitiert:
„Das HGB bietet wohl keine unpräzisere und regelmäßig bezüglich Grund und Höhe ‚streitigere’ Bestimmung als § 89 b HGB mit oft sehr hohen Klageanträgen und jahrelangen Prozessen“
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Was gibt es Neues für Handelsvertreter aus dem Gerichtssaal?
Nachdem der Bundesgerichtshof die Grundsätze als Maßstab für die Berechnung des Ausgleichsanspruches bestätig hat, jedoch Abzüge für etwaig eingezahlte Altersvorsorge zugelassen hat, gibt es in diesem Verfahren mehr Rechtssicherheit. Das Amtsgericht Frankfurt am Main hatte einen Vertrieb zwischenzeitig zur Erteilung eines Buchauszuges verurteilt. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Währenddessen gab es in der letzten Zeit einige Anerkenntnisurteile. Vermögens- und finanzberatende Handelsvertreter hatten ihre Ansprüche auf Rückzahlung von einbehaltenen Softwaregebühren geltend gemacht. Hier gab es einige Erstattungen.
Währenddessen sind die Abrechnungssysteme großer Vertrieben auf dem Prüfstand. Hier tun sich einige Vertriebe damit schwer, dem Gericht verständlich zu machen, dass ordnungsgemäß über das Rückstellungskonto abgerechnet wurde.
Leider tun sich auch einige Richter damit schwer, die Systematik der Abrechnungen zu verstehen.
Zu guter Letzt bestätigte das Landgericht Frankfurt am Main, dass ein Handelsvertreter dann fristlos kündigen dürfe, wenn der Zugang zum Intranet eingeschränkt wurde und er zuvor den Vertrieb abgemahnt hatte, und dieser der Abmahnung nicht nachkam. Damit bestätigte das Landgericht Frankfurt am Main die Rechtsprechung einiger anderer Land- und Oberlandesgerichte. Das Landgericht München scheint aktuell in einem laufenden Verfahren nicht abgeneigt, sich dem ebenfalls anzuschließen, will darüber aber erst im September entscheiden.
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BGH bestätigt Ankündigung: Alterversorgung mindert Ausgleichsanspruch gem. § 89 HGB
Macht ein Versicherungs-und Bausparkassenvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses von der Möglichkeit Gebrauch, dem Ausgleichsanspruch auf der Basis der zwischen den Spitzenverbänden der Betroffenen Wirtschaftszweige und Handelsvertreter vereinbarten „Grundsätze Sach“, „Grundsätze Leben“, „Grundsätze Kranken“ und „Grundsätze Bauspar“ zu berechnen, deren Geltung zwischen ihm und dem Unternehmer nicht vereinbart ist, so ist eine durch Beiträge des Unternehmers aufgebaute Altersversorgung gemäß Nr. V. der „Grundsätze Sach“, gemäß Nr. V. der „Grundsätze Leben“, gemäß Nr. V. der „Grundsätze Kranken“ und gemäß Nr. VI. der „Grundsätze Bauspar“ ausgleichsmildernd zu berücksichtigen; insoweit ist für eine einzelfallbezogene Billigkeitsabwägung im Sine des § 89 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB alter Fassung kein Raum (Anschluss an Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.11.2011 – VIII. ZR 203/10, NJW-Rückruf 2012, 674).
Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.05.2014 – VII. ZR 282/12 – Oberlandesgericht Frankfurt
Landgericht Frankfurt