Besuchsauftrag an Bestandsnachfolger ist keine genügende Stornobekämpfung

Es kann gar nicht oft genug darauf hingeweisen werden und deshalb noch mal zum Nachlesen:

Die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Nachfolger des ausgeschiedenen Versicherungsvertreters ist keine ausreichende Maßnahme der Stornogefahrabwehr.

So entschied der BGH mit Urteil vom 28. Juni 2012 – VII ZR 130/11.

Der BGH in dieser Entscheidung:

„Den Versicherer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung des notleidenden Versicherungsvertrags vorgenommen hat (BGH, Urteile vom 1. Dezember 2010 – VIII ZR 310/09, aaO Rn. 23; vom 25. Mai 2005 – VIII ZR 279/04, aaO; und VIII ZR 237/04, aaO Rn. 14; vom 12. November 1987 – I ZR 3/86, aaO unter II 1; vom 19. November 1982 – I ZR 125/80, aaO unter I 2 b; Thume in: Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 1, 4. Aufl., 2012, Kap. V Rn. 532).

Allerdings weist die Revisionserwiderung zu Recht darauf hin, dass die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den Bestandsnachfolger keine ausreichende Maßnahme ist. Ein auch darauf gerichtetes Wahlrecht des Versicherers gibt es – anders als die Revision meint – nicht und ist in der Rechtsprechung auch nicht gebilligt worden. Denn der Bestandsnachfolger wird den Schwerpunkt seiner
Tätigkeit aus Gründen des eigenen Provisionsinteresses darauf setzen, Neuverträge abzuschließen und nicht dem Provisionsinteresse seines Vorgängers dienen wollen (vgl. Mecklenbrauck, aaO). Daher muss der Versicherer weiteren Vortrag zur konkreten Nacharbeit durch den Nachfolger des ausgeschiedenen
Versicherungsvertreters oder zur Aussichtslosigkeit der Nacharbeit halten.“

Und immer der Streit um die Dynamik

Nun streitet sich ein Vertrieb vor dem Frankfurter Gericht mit einem ehemalgen Mitarbeiter darum , ob dieser noch Dynamikprovisionen zu bekommen habe. Dazu ein paar Eckpunkte der Entscheidung des Amtsgerichts in seiner relativ aktuellen Entscheidung:

Der Kläger kann danach als Versicherungsvertreter (i.S.d § 92 HGB) von der Beklagten nach §§ 92 Abs. 2,3, 87c Abs.1 HGB die Abrechnung der Dynamikprovisionen verlangen, die auf nach Beendigung des Beratervertrages aufgrund der Dynamik eingetretenen Lebensversicherungsverträgen beruht.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Auszahlung dieser Dynamikprovisionen aus §§ 92 Abs. 2, 3; 87 Abs.1 S.1 HGB i.V.m dem Beratervertrag.

Die Höhe der Provision hängt von der sogenannten Bewertungssumme ab. Diese ist die Summer der Beiträge, die der Versicherungsnehmer zu zahlen hat. Infolge der unstreitig vereinbarten Dynamikklauseln erhöhen sich die Beiträge für diese Lebensversicherung automatisch regelmäßig um einen bestimmten Prozentsatz. Diese dynamische Erhöhung führt auch zu einer Erhöhung der für die Provision maßgeblichen Bewertungssumme.

Diese Erhöhung der Beiträge aufgrund der Dynamikklauseln gehen auch auf die Vermittlungstätigkeit des Klägers bei Abschluss der streitgegenständlichen Lebenversicherungsverträge zurück. Demnach sind dieser grundsätzlich auch gem. §§ 92 Abs. 2,3 S.1, 87 Abs. 1 S.1 HGB provisionspflichtig.

Dynamische Lebensversicherungen verpflichten den Versicherer selbst zur Vornahme der Erhöhung. Nur dem Versicherungsnehmer steht hinsichtlich der Erhöhung ein Widerspruchsrecht zu. Der Widerspruch ist eine auflösende Bedingung, bei deren Eintritt die von Anfang an vertraglich vorgesehene Erhöhung wieder entfällt.

Die Dynamikprovision ist somit eine verzögerte ausgezahlte Abschlussprovision, die – wenn auch widerruflich- schon in dem Erstabschluss ihren Grund findet und als vereinbart anzusehen ist (Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 16.03.2018 – 16 U 109/17, Rn. 33, BGH, Urteil vom 20.12.2018 – VII ZR 69/18, Rn. 15ff).

Dem Kläger wurden während der Laufzeit des zwischen den Parteien geschlossenen Beratervertrages unstreitig Dynamikprovisionen von der Beklagten gezahlt.

Dem Anspruch des Klägers auf Zahlung der streitgegenständlichen Dynamikprovisionen steht auch nicht entgegen, dass eine nachhaltige Kundenbetreuung durch den Kläger nach der Beendigung des Beratervertrages nicht mehr erfolgt ist.

Man habe keine wirksame Vereinbarung dahingehend getroffen, dass ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Dynamikprovisionen nur besteht, wenn zum jeweiligen Zeitpunkt der Erhöhung noch eine nachhaltige Kundenbetreuung durch den Kläger folgt.

Bei den Dynamikprovisionen handelt es sich um Abschlussprovisionen i.S.d Beratervertrages. Danach wird für jeden vermittelten Vertrag als Gegenleistung dieser Vermittlungstätigkeit eine einmalige Abschlussprovision gewährt. Bei weiteren aus diesem Abschluss folgenden Provisionen wird eine nachhaltige Kundenbetreuung vorausgesetzt.

Es kann der Begründung nicht gefolgt werden, dass Dynamikprovisonen Folgeprovisionen seien und lediglich einmalig gezahlt werden müssten.

Die Erhöhung der Beiträge gehen auf die Vermittlungstätigkeit des Klägers bei Abschluss der streitgegenständlichen Lebensversicherungsverträge zurück.

Die Erhöhung der Versicherungssumme und damit auch die Dynamikklauseln setzen keine nachhaltige Kundenbetreuung voraus, da sie gem. den Vereinbarungen aus den Versicherungsverträgen eintreten und somit keiner neuen Verhandlung bedürfen.

Die Angelegenheit ist nicht rechtskräftig ausgeurteilt, da sie sich noch im Beriufungsverfahren befindet.

Nicht 90, nicht 50, sondern 30 % weitergegeben

Mehr als überrascht war ein ehemailger Berater während einer Beweisaufnahme in einem Gerichtsverfahren.

Er war – nicht lange – bei einem großen Versicherunsgvertrieb beschäftigt. Einige vermittelten Verträge „platzten“. Weil der Verdacht aufkam, dass es sich dabei um Scheinverträge handelt, wurde ein Strafverfahren eröffnet. Im Zuge dessen kam es zu einer Beweisaufnahme darüber, wer denn welchen Schaden hatte und welche Provsionen denn nun genau gezahlt wurden.

Als der Berater seine Tätigkeit begann, soll ihm gesagt worden sein, dass der Vertrieb 90 % der Provisionen, die der Vertrieb erhielt, weitergeleitet würden. Später hörte er mal was von 50 %.

Nachdem dann auch Mitarbeiter der Versicherung nach den gezahlten Provisionen gezahlt wurden, und dann auch Mitarbeiter des Vertriebs nach den weitergeleiteten, stellte der Staatsanwalt trocken fest, dass in diesem Fall 30 % weitergegeben wurden. Dies sorgte nicht nur für Überraschung auf Seiten des ehemaligen Beraters.

Manipulation Provisionsmodell

In einem Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main stritt ein Handelsvertreter über eine vom Unternehmen ausgesprochene fristlose Kündigung.

Diese wurde vom Gericht für unwirksam erklärt.

Das Gericht prüfte hier nicht, ob ein wichtiger Grund – die Voraussetzung für eine fristlose Kündigung – vorlag, sondern ließ schon formelle Verstöße ausreichen.

Das Unternehmen hatte vorliegend eine fristlose Kündigung wegen angeblicher Manipulation des Provisionsmodells ausgesprochen. Der Handelsvertreter wurde von einem Kollegen angeschwärzt.

Zwar könnte ein solches Verhalten einen wichtigen Grund im Sinne eines erheblichen Vertrauensbruchs darstellen, darauf käme es hier jedoch gar nicht an, da das Unternehmen den Handelsvertreter jedenfalls zu dem Sachverhalt hätte befragen müssen. Etwas anderes könnte sich ergeben, wenn der Sachverhalt feststehen würde. Hier beruhten die Informationen jedoch, wie bereits erwähnt, nur auf Schilderungen eines Außenstehenden, sodass es sich lediglich um einen Verdacht handele.

Eine Anhörung hätte so ausgestaltet sein müssen, dass der Betroffene sich auf den Vorwurf vorbereiten könne und seine Äußerung dazu überdenken kann. Eine hastige Konfrontation im Sinne von „Was sagen Sie dazu?“ sei nicht ausreichend.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass gem. § 626 Abs. 2 BGB die Kündigung aus wichtigem Grund innerhalb von zwei Wochen zu erfolgen hat. Dies gelte nämlich für die außerordentliche Kündigung eines Handelsvertreters gar nicht.

Vorliegend war es jedoch zu einer „überfallartigen Konfrontation“ gekommen. Dies ergab jedenfalls die Schilderung des Handelsvertreters von dem Gespräch, welches das Unternehmen als Anhörung bezeichnete.

Den Verlauf dessen hatte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht geschildert.

Das Unternehmen hatte lediglich bestritten. Das wollte das Gericht nicht mehr bewerten.

Die kurzfristige Eingabe eines Schriftsatzes bewertete das Gericht als grob nachlässig gemäß §296 Abs. 2 ZPO und ließ den Vortrag zu der „Anhörung“ unberücksichtigt und kam so zu dem Ergebnis, dass die Kündigung aus formellen Gründen unwirksam sei.

Diese Entscheidung ist sehr interessant. Sie wurde allerdings im Berufungsverfahren nicht bestätigt. Das Oberlandesgericht gab die Sache wieder an das Landgericht zurück, das den Sachverhalt neu bewerten musste und nachher doch zu einem anderen Ergebnis kam.

ZDF berichtet über DVAG

Es ist nichts Neues, wenn Medien über die großen Vertriebe berichten. Ende letzten Jahres gab es im ZDF zwei Sendungen über die DVAG. Böhmermann lästerte im Magazin Royal, während Frontal sich dem Thema gewohnt nüchterner widmete.

Rechtsanwalt Behrens konnte immerhin etwas Rechtliches zu Kündigungsfristen beitragen und im Hintergrund ein wenig Aufklärung zum Verständnis von Strukturvertrieben sorgen.

Es ist auch heute noch der „übliche“ Zweikampf zwischem dem freien Makler und den Vertrieben, die ausschließlich (oder fast ausschließlich) nur einen Versicherungskonzern vermitteln. Tendenziell zieht es nach wie vor viele Vermittler von der Ausschließlichkeit zur freien Maklerschaft.

Wir hören immer wieder die Begründung, dass der freie Makler über ein viel größeres Potpourri verfügt als der Ausschließlichkeitsvertreter. Der Makler kann in der Regel mehr und oft günstiger anbieten. In diesem Zusammenhang fällt eine alte Geschichte ein, in der ein Vermögensberater mitteilte, er könne keine Spedition mit mehr als 25 LKWs Versichern, weil dies von seiner Versicherung nicht angeboten wurde.

Und als er, wie man es in der Branche nennt, von der Ventillösung Gebrauch machte, bekam er Ärger wegen einer angeblichen Konkurrenztätigkeit. Das wäre dem Versicherungsmakler nicht passiert.

Es gibt noch ein Argument, das für die Maklerschaft spricht. Das ist der Kundenbestand. Jeder Versicherungsvermittler baut seinen Kundenstamm auf. Dem Handelsvertreter gehört der Kundenstamm nicht. Er kann den Kundenstamm also auch nicht verkaufen. Dafür könnte er allerdings einen Ausgleichsanspruch gem § 89 b HGB bekommen, wenn ihm dieser überhaupt zusteht.

Oft wird dieser jedoch von den Vertrieben sehr dürftig gezahlt und teilweise gar nicht. Der Versicherungsmakler, sofern er kein Handelsvertreter ist, könnte seinen Kundenstamm allerdings veräußern und mit ein bisschen Geschick versilbern.

Wie schwer es ist, den Ausgleichsanspruch zu berechnen, werden wir hier im Blog in den nächsten Wochen beleuchten. Und wir werden auch verraten, welcher Vertrieb nach welcher Rechenmethode einen Ausgleichsanspruch ermittelt und ob man mit dem Ergebnis leben kann.