Vernunft und Augenmaß

Inflationsbedingt wird eine Steigerung der Versicherungsbeiträge um 15 % erwartet. Damit erhöhen sich auch die Provisionen bzw. die Vertriebskosten, insbesondere auch die Gewinne der Vertriebe.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) will zum Ausgleich sogenannte Provisionsrichtwerte bei Lebensversicherungen einfügen.

Dieses Modell stößt allerdings teilwesie auf Kritik.

Nun hat sich unser liberaler Finanzminister Christian Lindner zu Wort gemeldet, wie in procontra online zu lesen ist. Er meint „Vernunft und Augenmaß“ seien erforderlich. Die Vertriebskosten müssten seiner Meinung nach reduziert werden.

Buchauszug als Holschuld nachhaltig?

Jeder Handelsvertreter hat gemäß § 87 c Abs. 2 HGB einen Anspruch auf einen Buchauszug. Der Buchauszug dient der Kontrolle, ob die Provisionsabrechnungen in Ordnung sind. Da er sich auf sämtliche vermittelten Geschäfte bezieht, ist er zumeist sehr umfangreich.

Gerade in Zeiten, in denen sehr viel über Nachhaltigkeit und Umweltschutz gesprochen wird, könnte man auf den Gedanken kommen, dass der Buchauszug per Stick oder per E-Mail übersendet wird. Leider liegt dieser nachhaltige Gedanke fern der vertrieblichen Realität.

Gemäß § 87 c Abs. 2 HGB kann der Buchauszug “ verlangt“ werden. Dort steht erst mal nichts von Zusendung. Das BGB unterscheidet grundsätzlich zwischen Hol-, Schick- und Bringschuld. Gemäß § 269 BGB hat die Leistung an den Ort zu erfolgen, an welchen der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte, wenn nichts anderes bestimmt ist. Dies ist die sogenannte Holschuld. Wenn im Handelsvertretervertrag eine entsprechende Regelung nicht vorhanden ist, ist der Buchauszug nach diesem Verständnis abzuholen.

So entschied auch das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Beschluss vom 45. März 2008 unter dem Aktenzeichen I-16 W 77/07.

Die wenigsten Vertriebe senden den Buchauszug zu. In der Regel lässt man den Buchauszug sogar vorher noch einmal ausdrucken, sodass die Abholung nur in Papierform möglich ist.

In dieser Form stellen beispielsweise die großen Vertriebe DVAG, MLP und OVB die Buchauszüge zur Abholung bereit. Zu beachten ist, dass der Handelsvertreter zumeist persönlich den Buchauszug abholen muss. Die OVB begründet dies zum Beispiel mit dem Datenschutz.

Die Ergo dagegen hatte den Buchauszug sogar übersandt. Der Handelsvertreter musste also nicht weit reisen, um den Buchauszug abzuholen. Im Zeitalter des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit wäre es wünschenswert, wenn der ein oder andere Vertrieb seine Strategie überdeckt.

Ab 1.8.22 gilt das neue Nachweisgesetz

Ab dem 1.8.22 gilt das neue Nachweisgesetz und auch ein neuer § 111 GewO.

Die gute (oder schlechte) Nachricht vorweg:

Auf Handelsvertreterverträge hat das keinen Einfluss. Das Nachweisgesetz gilt ausschließlich im Arbeitsrecht.

Dort heißt es ab 1.8.22 : Eine in einem befristeten Arbeitsverhältnis etwaig vereinbarte Probezeit muss nun in einem angemessenen Verhältnis zur Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses und zur Art der Tätigkeit stehen. Hiervon werden wohl nur kurze Befristungen betroffen sein.

Ist ein befristet angestellter Arbeitnehmer bereits länger als sechs Monate für den Arbeitgeber tätig, kann er dem Arbeitgeber den Wunsch nach Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses anzeigen. Der Arbeitgeber ist dann wiederum verpflichtet, dem Arbeitnehmer innerhalb eines Monats eine begründete Antwort in Textform zu geben.

Gemäß § 111 GewO dürfen Arbeitnehmern die Kosten für eine Fortbildung nicht auferlegt werden, wenn der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Fortbildung anzubieten. Solche Fortbildungen sollen während der Arbeitszeit stattfinden. Soweit sie außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt werden müssen, gelten sie als Arbeitszeit.

Von gesetzlichen Regelungen, die die Arbeitszeiten für Handelsvertreter regeln, dürfen diese nur träumen. Dafür heißt es in einem Handelsvertretervertrag eines großen deutschen Vertriebes: Das Einkommen des Vertriebmitarbeiters ist nach oben hin unbegrenzt.

AG Frankfurt: DVAG muss Rückstellung auszahlen

Eine ehemalige Handelsvertreterin klagte auf Zahlung ihrer zurückgestellten Provisionsbeträge gegen die DVAG und hatte dabei Erfolg:

Wird ein Versicherungsvertrag während der Stornohaftungszeit beendet, kann der Versicherer die Provision vom Handelsvertreter eventuell zurückfordern. Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters erlischt jedoch erst dann, wenn der Vertrag storniert wurde und dies auf Umständen beruht, die der Versicherer nicht zu vertreten hat. So steht es in § 87 a Abs. 3 S.2 HGB).

Zu vertreten hat es der Versicherer jedoch, wenn eigene Stornobekämpfung unterlassen bleibt. Als Stornobekämpfung werden alle Maßnahmen angesehen, die geeignet sind, abgeschlossene Versicherungsverträge aufrecht zu erhalten. Wie genau dieses aussehen könnte, ließ das Gericht offen.

Die Verletzung dieser sog. Nachbearbeitungspflicht bzw. Stornobekämpfungspflicht lässt den Provisionsanspruch des Handelsvertreters bestehen, auch wenn die Verträge tatsächlich storniert wurden. Die Verpflichtung zur Stornobekämpfung eines Versicherungsunternehmens, Vertriebes oder Strukturvertriebes ergibt sich aus § 87a Abs. 3 S. 2 HGB. Der Versicherer muss Rücksicht auf das Interesse an dem Erhalt der Provision des Handelsvertreters nehmen. Eine ungenügende Stornobekämpfung hat der Versicherer insoweit zu vertreten, als dass der Provisonsanspruch trotz Storno erhalten bleibt.

Um Näheres zu den Stornobekämfungen zu erfahren, wurde ein Buchauszug eingeholt. Darin konnte nach Auffasung des Gerichts die DVAG im konkreten Fall jedoch nicht deutlich machen, inwiefern das Unternehmen eine Stornobekämpfung betrieben hatte.

Die DVAG hatte zur Stornobekämpfung lediglich Standardschreiben versendet, die laut dem Amtsgericht für eine solche Nachbearbeitung nicht ausreichend seien. Solche Standardschreiben seien nur bei sog. Kleinverträgen oder -beträgen ausreichend, wenn die Provisionsbeträge dabei auch als gering angesehen werden können. Die DVAG konnte im konkreten Fall nicht nachweisen, ob und welche Nachbearbeitungen sie zu den Verträgen unternahm, auch wenn sie die Verträge kannte. Auch war die DVAG nicht darauf angewiesen, weitere Informationen von dem ausscheidenden Handelsvertreter zu bekommen.

Somit entschied das Gericht, dass die ehemalige Vermögensberaterin einen Anspruch auf die Zahlung der gesamten zurückgestellten Provisionen habe.

Ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht der DVAG entfiele zudem, bei Vorliegen des Anspruchs.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Ausgleichsanspruch: Atypisches Jahr wird nicht mit gerechnet

Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 1996 – VIII ZR 141/95 – „Volvo“; BGH, Urteil vom 5. Juni 1996 – VIII ZR 7/95 – „Fiat/Lancia“; BGH, Urteil vom 26. Februar 1997 – VIII ZR 272/95 „Renault II“) ist bei der analog § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB anzustellenden Prognose, in welchem Umfang Nachbestellungen zu erwarten sind, auf einen „Stammkunden- bzw. Mehrfachkundenumsatz“ abzustellen, der vom Vertragshändler vorzutragen ist. Ausgangspunkt sind dabei die Mehrfachkundenprovisionen des letzten Vertragsjahres, sofern dieses keinen atypischen Verlauf genommen hat. Für den Fall, dass das letzte Vertragsjahr als zu berücksichtigendes Basisjahr einen atypischen Verlauf genommen hat, kann ein Durchschnittswert unter Heranziehung eines längeren Zeitraums gebildet werden. Im Regelfall ist der Ausgleichsberechnung insofern der einer Handelsvertreterprovision vergleichbare Teil des Händlerrabatts zu Grunde zu legen, der auf der Grundlage der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen um händlertypische Bestandteile zu bereinigen ist (vgl. nur statt vieler BGH, Urteil vom 5. Juni 1996 -VIII ZR 141/95 ; Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 23. Mai 2006 -5U94/05-, juris).

Zitat aus Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf Urteil vom 29.03.2012 – I-16 U 199/10