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Immer wieder, gerade von Mitarbeitern aus Strukturvertrieben, kommt die Frage, ob man nicht Arbeitnehmer sei und ob das Unternehmen nicht Sozialabgaben zahlen müsste. Gerade hier liegt der Jurist mit seiner Standardantwort immer richtig: Es kommt darauf an und grundsätzlich gilt, was im Vertrag steht!
Das Landessozialgericht durfte sich in diesem Jahr mit drei Statusfeststellungsverfahren beschäftigen, in denen jeweils die Arbeitnehmereigenschaft umstritten waren. Umstritten war eine Physiotherapeutin, ein auschließlich zu Hause arbeitender Programmierer und ein Detektiv, der ausschließlich in Kaufhäusern arbeitet.
Ein Arbeitnehmer zeichnet sich aus, in dem er in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht und weisungsgebunden ist. Aber gilt das nicht auch für Handelsvertreter, der ausschließlich für ein Unternehmen arbeitet und immer wieder Weisungen erhalten, wie, wann und wo man zu arbeiten hat?
Das Hessische Landessozialgericht hat sich in diesem Jahr gleich mehrmals mit der Frage beschäftigen müssen, welchen Status – ob Arbeitnehmer oder selbständig – gewisse Mitarbeiter unterschiedlicher Berufe besitzen und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Mitarbeiter tatsächlich Arbeitnehmer ist. Vielleicht kann aus den Entscheidungen ein gewisser Grundtenor abgelesen werden.
Am 05.03.2020 entschied das Hessische Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 1BA 14/18, dass eine Physiotherapeutin mit einem sehr geringen Unternehmerrisiko eine abhängig Beschäftigte sei und keine „freie Mitarbeiterin“, so wie es ursprünglich im Vertrag geregelt war.
Sämtliche Behandlungen wurden über das Abrechnungssystem der Praxisinhaberin abgerechnet, 30 % davon erhielt die Therapeutin. Das fehlende Unternehmerrisiko, die Einbindung in den Betrieb und auch z.B. ein fehlendes Praxisschild sah das Gericht als Erklärung dafür an, dass die Therapeutin Arbeitnehmerin ist.
Am 12.05.2020 beschloss das LSG, dass auch ein Progammierer, der seine Arbeit ausschließlich zu Hause verrichtet und nie bei seinem Arbeitgeber, auch als Arbeitnehmer eingestuft werden muss.
Heimarbeiter sind nach Ansicht des Gerichts Personen, die in eigener Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung von Gewerbetreibenden, gemeinnützigen Unternehmen oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften erwerbsmäßig arbeiten. Sie seien gemäß der sozialgesetzlichen Regelung Beschäftigte und als solche auch sozialversicherungspflichtig. Dies gelte auch für Tätigkeiten, die eine höherwertige Qualifikation erforderten.
Entsprechend sei der Programmierer als sozialversicherungspflichtiger Heimarbeiter zu werten. Im Übrigen habe er 21 Jahre für die gleiche Firma gearbeitet und dieser das alleinige Nutzungs- und Vertriebsrecht für die von ihm entwickelten Programme eingeräumt. Für den allgemeinen Absatzmarkt habe er nicht gearbeitet. Dass er seinen eigenen PC genutzt habe, sei angesichts der Dauer des Vertragsverhältnisses nicht relevant.
Stundenweise beschäftigte Detektive ohne Unternehmerrisiko sind nach Ansicht des Gerichts ebenso sozialversicherungspflichtig (Beschluss vom 12.05.2020, Az. L 1 BA 27/18). Wenn der Detektiv im Namen einer Detektei auftritt, ist er in der Firma abhängig beschäftigt. Detektive seien in den Betrieb eingegliedert und unterlägen den Weisungen des Inhabers.
Möglicherweise ergeben sich darauf auch für Handelsvertreter neue Erkenntnisse, wenn sie nämlich – ähnlich den hier maßgeblichen Kriterien – ebenso in einem Vertrieb prozentual beteiligt werden, abhängig sind und im Namen der Firma Geschäfte vermitteln. Alle drei Fälle passen ein bisschen zu den typischen Tätigkeiten im der Finazdienstleistung, aber eben auch nur ein bisschen.
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Dass das Schweigen eines Handelsvertreters, nachdem er eine Provisionsabrechnung bekommen hat, nicht als Zustimmung zu werten ist, hatte bereits der BGH mehrmals entschieden. Von dieser Rechtsprechnung ist er bis heute nicht abgewichen.
Das gilt auch, wenn die Fiktion der Zustimmung im Fall des Schweigens im Handelsvertretervertrag geregelt ist. Abweichend davon hatte das Landgericht Braunschweig im Jahre 2016 entschieden, dass zwar kein Anerkenntnis vorliege, aber die Berufung eines Handelsvertreters darauf, dass die vertragliche Regelung unwirksam wäre, treuwidrig sei. Dieses Urteil von 2016 wurde – in Einklang mit der BGH-Rechtsprechung – vom Oberlandesgericht Brainschweig am 6.7.2020 wieder aufgehoben (nähere Beschreibung des Urteils folgt). Auch in Braunschweig hat der Handelsvertreter also keine Nachteile, wenn er nach Erhalt der Provisionsabrechnung schweigt.
Leider kommt es vor, dass ein Unternehmen Provisionen abrechnet, diese aber nicht auszahlt. Die Provisionsabrechnung muss sich das Unternehmen jedoch als eigenes Anerkenntnis gegen sich gelten lassen. Der Handelsvertreter muss dann im Einzelfall nicht beweisen, dass er Verträge vermittelt hat und kann sich auf die Abrechnug berufen.
Dabei kann er auf die Rechtsprechung des BGH mit Urteil vom 07.02.1990 unter dem Az IV ZR 314/88 setzen, welches ein Anerkenntnis erkannt hat: „Die Provisionsabrechnung enthält die Mitteilung des Unternehmers, in welcher Höhe einem Handelsvertreter nach der Auffassung seines Prinzipals ein Provisionsanspruch zusteht und wie sich dieser Provisionsanspruch zusammensetzt und errechnet; sie hat den Charakter eines abstrakten Schuldanerkenntnisses (Baumbach/Duden/Hopt, HGB 28. Aufl. § 87c Anm. 1 A).“
So entschied am 13.06.2006 entschied auch das Landgericht Frankfurt am Main unter dem Az 3-5 O 17/06, und am 13.09.2017 auch das Oberlandesgericht Karlsruhe unter dem Aktenzeichen 15 U 7/17 .
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Ist das Vertragsverhältnis mit dem nebenberuflichen Handelsvertreter auf unbestimmte Zeit eingegangen, so kann es gemäß § 92 b Abs. 1 Satz 2 HGB mit einer Frist von einem Monat für den Schluss eines Kalendermonats gekündigt werden.
Wenn im Handelsvertretervertrag andere Fristen vereinbart werden, könnten diese unwirksam sein. Der BGH prüfte im Urteil v. 21.03.2013, VII ZR 224/12 folgende Klausel: „Nach einer Vertragslaufzeit von drei Jahren ist die Kündigung nur noch unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten auf das Ende des Kalenderjahres zulässig.“
Der BGH kam zu dem Ergebnis, diese Klausel sei unwirksam.
Diese Kündigungsklausel sei eine unangemessene Benachteiligung des nebenberuflichen Handelsvertreters (§ 307 Abs. 1 BGB). Zur Begründung führte er an, dass die 6 Monate über die gesetzlichen Kündigungsregelungen deutlich hinausgehen. Derat lange Kündigungsfristen würden für den hauptberuflichen Handelsvertreter gemäß § 89 HGB gelten.
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Die Insolvenz und der Handelsvertreter
Corona löst mitunter Insolvenzen aus. Schon zuvor angeschlagene Unternehmen können jetzt endgültig Schiffbruch erleiden.
Was ist aber, wenn das Unternehmen, das Handelsvertreter beschäftigt, in die Insolvenz geht? Was ist mit dem Vertrag, den Provisionen und dem Ausgleichsanspruch?
Dazu erst mal etwas Ernüchterndes: Forderungen, die vor der Insolvenz entstanden sind, können im Insolvenzverfahren zur Tabelle angemeldet werden. Dazu gehören grundsätzlich auch mögliche Provions- und Ausgleichsansprüche. Ob und in welcher die angemeldten Forderungen Erfolg bringen, prüft letztendlich der Insolvenzverwalter.
Wird ein Anspruch, z.B. nach § 89 b HGB, bereits vor der Insolvenzeröffnung geltend gemacht, stellt auch er eine Insolvenzforderung dar (§ 38 InsO). Damit darf der Anspruch nach § 89 b HGB nur nach Maßgabe der InsO erfüllt werden (§ 87 InsO). Auch dann gibt es üblicherweise eine „quotale Befriedigung im Wege der Schlussverteilung“.
Einige Verträge enden automatisch mit Eröffnung der Insolvenz. Dazu gehören auch Geschäftsbesorgungsverträge gem. §§ 115 Abs. 1, 116 Satz 1 InsO . Weil ein Handelsvertretervertrag ein Geschäftsbesorgungsvertrag ist, könnte er dann auch automatisch zu Ende sein.
Insolvenz des Unternehmers
Jedenfalls gilt: Wenn das Unternehmen in die Insolvenz gerät, geht auch der Handelsvertretervertrag zu Ende.
Insolvenz des Handelsvertreters
Wenn jedoch der Handelsvertreter in die Insolvenz geht, greift §§ 115, 116 InsO nicht. So sagt es das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 18.12.2009 unter dem Az I-16 U 160/09.
Der Erlöschungstatbestand des § 115 Abs. 1 InsO sei nach Ansicht des OLG nicht einschlägig. Hiernach erlöschen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur vom Schuldner erteilte Aufträge, die sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen beziehen und eine unentgeltliche Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben. Der Handelsverteter als Insolvenzschuldner erteilt keine Aufträge.
Auch erlösche der Handelsvertretervertrag nicht gemäß § 116 Satz 1 InsO, so das Gericht. Zwar wird dabei auch auf Dienst- und Werkverträge abgestellt, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben. Anwendbar ist § 116 InsO seinem Wortlaut nach aber nur im Falle der Insolvenz des Geschäftsherrn/Unternehmers. Die Insolvenz des zur Geschäftsbesorgung Verpflichteten führt jedoch nicht zur Auflösung des Vertragsverhältnisses nach dieser Vorschrift.
Fristlose Kündigung
Ob die Insolvenz des Handelsvertreters zur fristlosen Kündigung berechtgt, ist umstritten. Zu dem Thema allgemein wurde hier im Blog schon öfter geschrieben, z.B. über eine Entscheidung des Landgerichts Potsdam und des Landgerichts Frankfurt.
Ausgleichsanspruch
Die Insolvenz des Unternehmers führt übrigens nicht dazu, dass plötzlich der Ausgleichsanspruch erlischt. Der BGH entschied am 06.10.2010 unter dem Az. VIII ZR 209/07 ,dass es bei dem Ausgleichsanspruch nicht auf die Gründe der Vertragsbeendigung ankommt. Egal ist es auch, ob ein Handelsvertreter bei Fortsetzung des Vertragsverhältnisses überhaupt in der Lage gewesen wäre, Geschäfte zu vermitteln. Es ist also – rechtlich – auch egal, ob der Geschäftsbetrieb wegen Insolvenz eingestellt wird.
Wieviel man im Insolvenzverfahren letztendlich erhält, steht auf einem anderen Stern.
Dem Handelsvertreter ist zu empfehlen, umgehend den Ausgleichsanspruch geltend zu machen und auch als Insolvenzforderung anzumelden. In der Praxis geschieht es oft, dass der Handelsvertreter trotz der Eröffnung der Insolvenz seiner Tätigkeit weiter nachgeht und der Insolvenzverwalter damit einverstanden ist. Hierbei handelt es sich um ein neues Vertragsverhältnis, weil das alte Vertragsverhältnis mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet worden ist.
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Am 29.04.2020 entschied das Amtsgericht Hamburg, dass ein ehemaliger Vermögensberater der DVAG Provisionsvorschüsse zurückzuzahlen hätte.
Die DVAG machte Ansprüche auf Rückzahlung so genannter vorfinanzierter Abschlussprovisionen geltend. Es kam nach Ende des Vermögensberatervertrages zu Stornierungen. Die DVAG hatte nach Auffassung des Gerichtes die Stornierungen in Form einer tabellarischen Übersicht substantiiert dargelegt.
Streitig war dann noch, ob die Stornierungen gemäß § 87 a Abs. 3 Satz 2 HGB zu vertreten waren. Das Amtsgericht Hamburg hatte die Auffassung vertreten, ein Versicherungsunternehmen müsse nicht im Klagewege gegen säumige Versicherungsnehmer vorgehen, wenn außergerichtliche Maßnahmen erfolglos geblieben sind. Notleidende Verträge könnten in dem gebotenen Umfang nachgearbeitet werden.
Das Gericht meinte im Übrigen auch, dass die Darstellung jedes einzelnen stornierten Vertrages nicht veranlasst gewesen sein. Der Vermögensberater hatte darauf hingewiesen, er habe zu den Kunden keinen Kontakt mehr und er wisse nicht, ob die Kunden gekündigt hätten.
Die Argumentation des Gerichtes zeigt, dass letztendlich nur ein Buchauszug hilft, ob ein Unternehmen eine Stornierung tatsächlich zu vertreten hat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Entwicklung bleibt abzuwarten, zumal das Landgericht Hamburg in einer früheren Entscheidungen strengere Kriterien gelten ließ.
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Der BGH entschied am 26.2.2020, dass ein privates Gutachten in einem Streit um eine Berufsunfähigkeit im Gerichtsverfahren verwertet werden muss.
Dies gilt vor allem dann, wenn das Gutachten, weches im Gerichtsverfahren eingeholt wurde, Lücken aufweist. Im Gegensatz zu dem vom Kläger eingeholten Privatgutachten hatte es sich nicht differenziert mit den klägerischen Tätigkeiten auseinandergesetzt.
Die Parteien stritten bis zum BGH darüber, ob bei dem Kläger bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit noch besteht oder schon wieder entfallen ist. Geklagt hatte ein ehemals selbstständiger Marktleiter einer Supermarktfiliale, der seit Oktober 2010 wegen psychischer Erkrankungen berufsunfähig sei. Die Versicherung hatte zunächst geleistet, aber dann die Zahlung eingestellt. Die Versicherung berief auf ein von ihr eingeholtes Sachverständigengutachten, wonach der Kläger nicht mehr berufsunfähig sei.
Dies stand im Gegensatz zu dem Privatgutachten des Klägers.
Der BGH verwies deshalb den Rechtsstreit zurück an das Oberlandesgericht.
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Ausgleichsanspruch im Rotationsvertrieb
In einem Rotationsvertrieb arbeitet ein Handelsvertreter, der ständig in seinem Bezirk wechselt und dessen Kunden oft kurze Jahresverträge abschließen. Typisches Beispiel dafür sind Anoncen in Katalogen, wie den gelben Seiten, rechts und links der Autobahn oder anderen Serviceheften.
Der Bundesgerichtshof durfte vor vielen Jahren entscheiden, ob einem Vertreter, der auf Grund jährlich neu gezeichneter Verträge zwischen Bezirken pendelt , ein Ausgleichsanspruch zustehe. Der BGH bejahte dies auch bei sog. Rotationsverträgen (BGH, Urt. V. 19.05.1999, Az. VIII ZR 354/97).
Der Kläger warb damals als Handelsvertreter Kunden für Eintragungen unter anderem in Telefonbücher, Branchen- und Firmenhandbücher. Sein Handelsvertretervertrag hatte stets eine Laufzeit von einem Jahr und wurde jeweils verlängert.
Außerdem ergaben sich für den Kläger jeweils wechselnde Arbeitsbereiche im Rahmen eines sog. Rotationssystems.
Die vertragliche Konstellation sah der BGH als Kettenvertrag an. Die Nichtunterzeichnung des neuen Handelsvertretervertrages (mit dem auch noch eine Provisionskürzung verbunden war) sei nach Ansicht des BGH keine Eigenkündigung, die zum Ausschluss des Ausgleichsanspruchs führen könne. Es handele sich um Kettenverträge, die als einheitlicher Handelsvertretervertrag mit unbestimmter Laufzeit anzusehen seien.
Zur Höhe des Ausgleichsanspruchs stellte der BGH fest, der Unternehmer habe auch im Falle der Rotation Vorteile aus der Arbeit des Handelsvertreters gezogen, die ausgleichspflichtig seien. Der Bundesgerichtshof errechnete den Ausgleichsanspruch des Klägers aber nur anhand der letzten 12 Monate des Vertragsverhältnisses.
Das Oberlandesgericht Celle hatte in einer Entscheidung vom 1.2.2001 unter dem Az 11 U 110/00, einen Rotationsvertrieb betreffend, eigene Regeln für die Berechnung eines Ausgleichsanspruchs aufgemacht.
Es hatte zunächst eine Abwanderungsquote der Kunden von 20 % angenommen. Das Oberlandesgericht Celle hatte im Übrigen auch nur einen Prognosezeitraum von vier Jahren angenommen, statt wie üblich fünf.
Außerdem hatte – wie der BGH – das Oberlandesgericht als Ausgangszahl den Umsatz mit Neukunden aus dem letzten Vertragsjahr genommen. Neukunden früherer Vertragsjahre wurden nicht mit einbezogen.
Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass der Handelsvertreter jährlich in einem anderen Bezirk eingesetzt wurde. Das Gericht hatte den Handelsvertreter so behandelt ist, als hätte er bei Vertragsende in dem zuletzt bearbeiteten Bezirk verbleiben können.
Ob diese alten Entscheidungen heute noch Bestand hätten, ist fraglich.
08
Es ist eigentlich ganz einfach. Primär hat ein Handelsvertreter Anspruch auf einen Buchauszug ( § 87 c Abs. 2 HGB ). Gem. Abs 4 kann der Handelsvertreter verlangen, dass ein Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchsachverständiger Einsicht in die Geschäftsbücher bekommt, wenn der Buchauszug verweigert wird oder begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit des Buchauszuges bestehen.
Der Unternehmer muss also aufpassen.
Versicherungswirtschaft.heute berichtet davon, dass die Allianz Beratungs- und Vertriebs-AG sich nunmehr nach einem Urteil des Landgerichts München in die Bücher gucken lassen muss. Rechtskräftig ist das aber alles wohl noch nicht.
Es geht wohl auch darum, ob Versorgungsanwartschaften von der Allianz richtig berechnet wurden. Daran bestehen in diesem Fall wohl Zweifel. Die Versorgungsanwartschaften sind von vielen Faktoren abhängig, auch von den Provisionsumsätzen. Dass die Berechnung des Allianz-Vertreter-Versorgungswerk (VVW) schwierig oder kaum zu prüfen ist, wurde Rechtsanwalt Behrens schon von einigen Vertrieblern berichtet. Vorstandschef Oliver Bäte soll sich auf einer Jahreshauptversammlung der Allianz SE sogar für die Fehlbuchungen im Fall der Klägerin entschuldigt haben.
Das Landgericht München erklärte übrigens vor Kurzem eine von der Allianz gegenüber einem Handelsvertreter ausgesprochene fristlose Kündigung für unwirksam. Die Gründe würden eine Kündigung nicht rechtfertigen. Diese Entscheidung ist auch noch nicht rechtskräftig, zeigt aber, dass es wohl nur in der Allianzarena Heimspiele gibt.
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Im Rahmen einer erfolgreichen Schlichtung stand vor wenigen Tagen in einem Handelsvertretervertrag eine Verjährungsregelung auf dem Prüfstand.
Es ging um eine Regelung, in der die Verjährung jeglicher vertraglicher Ansprüche nach einem Jahr geregelt war, abhängig von der Kenntnis dieser Ansprüche. Der Schlichter orientierte sich dazu an mehreren Entscheidungen, um die Wirksamkeit der Verjährungsregelung zu prüfen.
Zunächst erwähnte er eine Entscheidung des BGH vom 03.12.2015 zu dem AZ VII ZR 100/15. In dieser Entscheidung hatte der BGH unter anderem entschieden, dass Vertragsklauseln einer AGB- Kontrolle unterliegen können. Sie wären dann z.B. an § 307 Abs. 1 und 2 BGB zu messen und es wäre zu hinterfragen, ob es sich dabei um eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners handelt. In dem Fall des BGH von 2015 ging es jedoch nicht um eine Verjährungsregelung, sondern um eine Wettbewerbsklausel in einem älteren Vermögensberatervertrag der DVAG.
In diesem Zusammenhang hinterfragte der Schlichter, ob es sich hier denn überhaupt um eine Klausel handelt, die vom Unternehmer zur Verfügung gestellt wurde. Zu seiner Überraschung musste er in diesem Fall feststellen, dass dieser Handelsvertretervertrag von dem Handelsvertreter selbst gestellt wurde und nicht von dem Unternehmen. Der Schlichter meinte, dass dann keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorliegen würden. Insofern hatte dann diese BGH- Entscheidung keine Bedeutung.
Der Schlichter verwies dann auf eine weitere BGH- Entscheidung mit Urteil vom 12.02.2003 unter dem AZ VII ZR 284/01. In dieser Entscheidung urteilte der BGH über folgende Klausel.
Alle Ansprüche des Handelsvertreters aus dem Vertragsverhältnis verjähren zwölf Monate nach Fälligkeit.
Die Ansprüche der Gesellschaft auf Rückzahlung von Provisionen und Provisionsvorschüssen verjähren in zwölf Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Gesellschaft von den die Rückzahlung rechtfertigenden Umständen Kenntnis erlangt hat.
Damals gab es noch einen § 88 HGB, wonach Ansprüche aus dem Handelsvertreterverhältnis nach vier Jahren verjähren. Dem BGH war es egal, ob es sich bei der eben genannten Verjährungsklausel um AGB handelt oder nicht. Jedenfalls erkannte es einen Verstoß gegen § 88 HGB a.F. und erklärte die Verjährungsregelung kurzerhand für unwirksam.
Da es keinen § 88 HGB mehr gibt, war auch diese Entscheidung nicht hilfreich.
Ähnlich wie der BGH urteilte übrigens auch das Landgericht Frankfurt am Main in einem Urteil aus dem Jahr 2016. Das LG Frankfurt schrieb dazu in etwa: § 88 HGB wurde im Jahre 1953 eingeführt, um die Stellung der Handelsvertreters zu stärken, da zuvor für den Handelsvertreter und den Unternehmer unterschiedliche Verjährungsvorschriften galten.
Im Jahre 2004 wurde dann das Verjährungsanpassungsgesetz eingeführt und § 88 HGB wird gestrichen. Von nun an wurde auch die allgemeine Verjährungsfrist von dreißig Jahren auf drei Jahre verkürzt. Damit war auch der Schutz des Handelsvertreters gewährleistet. Das Landgericht Frankfurt meinte, dass auch nach Wegfall des § 88 HGB jedenfalls und für alle die dreijährige Verjährungsfrist gelten muss, egal, ob der Handelsvertretervertrag eine verkürzte Verjährungsfrist im Rahmen einer AGB- Klausel oder Individualvereinbahrung zur Verjährung enthalte.
Der Schlichter verwies darauf hin, dass es aktuell zu diesem Thema wenig höchstrichterliche Rechtsprechungen, von Oberlandesgerichten z.B., gäbe.
Das Oberlandesgericht Hamm hatte mit Urteil vom 17.08.2015 unter dem AZ 18 U 182/18 über eine Klausel in allgmeinen Geschäftsbedingungen zu entscheiden, die eine verkürzte Verjährungsfrist für Ansprüche vorsieht und deren Beginn die Kenntnis von der Entstehung der Ansprüche verknüpft. Diese sei nach Ansicht des OLG Hamm unwirksam.
Eine Klausel, die von gesetzlichen Regelung des §199 Abs. 1 BGB von drei Jahren abweicht, ist unwirksam. Das OLG Hamm führte aus, die Klausel sei wegen Verstoßes gegen § 202 Abs.1 BGB unwirksam. § 202 BGB trat übrigens am 01.01.2002 in Kraft. § 202 Abs. 1 BGB verbiete eine verkürzte Verjährung gegen Vorsatzes. Wenn eine Klausel nicht differenziert, würde sie auch dafür gelten, dass etwas vorsätzlich begangen wird. Damit würde die Klausel unwirksam sein.
In die gleiche Kerbe stieß eine weitere Entscheidung des OLG Hamm vom 14.05.2018 unter dem AZ 18 U 85/17. Auch hier wurde die vereinbarte Verjährungsfrist – unabhängig davon, ob es sich um eine Klausel oder eine individuelle Vereinbahrung handelt – wegen Verstoßes gegen §202 BGB für unwirksam erklärt.
Vor diesem Hintergrund ist damit zu rechnen, dass auch in Zukunft von anderen Gerichten vertragliche Klauseln, die ohne Berücksichtigung des § 202 BGB allesamt unwirksam sind.
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Das Kölner Landgericht hat heute dem Online-Makler Check 24 eines seiner zentralen Werbeversprechen verboten: die «Nirgendwo Günstiger Garantie». Die Richter halten das für irreführende Werbung, wie das Gericht mitteilte.
Damit hat sich die HUK Coburg mit einer Klage gegen das Münchner Portal durchgesetzt. Die Versicherung argumentierte, es gebe sehr wohl günstigere Angebote. Das sieht die Handelskammer des Kölner Landgerichts ebenso.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Check24 kann nun in Berufung gehen.
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Das Landgericht Siegen hat es verstanden, ein ausgesprochen ausgleichendes, fast salomonisches Urteil zu sprechen. Die Beweisaufnahme hatte dazu nicht allzu viel Hoffnung gegeben.
Kunden einer Bausparkasse interessierten sich für den Erwerb und Finanzierung eines Feriendomizils. Um die Finanzierung in die Wege zu leiten wurden sie von zwei Handelsvertretern der Bausparkasse begleitet.
Es wurden Gespräche geführt, Unterlagen geordnet und eingeholt und Gespräche geführt.
Die Klägerseite, ein Ehepaar, die die Finanzierung wünchten, besaß bereits eine Immobilie, hatte Mieteinnahmen und hatte sich zudem noch für weitere Immobilien interessiert.
Nun behauptet das Ehepaar, einer der beiden Handelsvertreter hätte mehrmals zugesagt, die Finanzierung stehe. Währenddessen hatte aber der andere Handelsvertreter noch weiterhin fleißig Unterlagen gesammelt. Ein Finanzierungsantrag war zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal abgegeben.
Das Ehepaar begab sich zum Notar, nach angeblicher mündlicher Zusage und bevor alle Unterlagen eingereicht waren. Auf dem Weg dorthin soll es nach den Angaben eines Handelsvertreters, der als Zeuge aussagte, ein Telefonat gegeben haben. Dieser Handelsvertreter warnte das Ehepaar ausdrücklich davor, den Notarvertrag zu unterschreiben. „Die Finanzierung stehe nicht“ waren seine Aussagen. Man solle umdrehen und nicht zum Notar fahren.
Im Notartermin, der dann doch wahregenommen wurde, trat dann der Vermittler des Feriendomizils in Erscheinung. Er war dort zugegen. Auch er sagte als Zeuge aus und meinte, es habe zwischen ihm und dem einen Handelsvertreter einen Kontakt per WhatsApp gegeben, in dem dieser dann noch einmal das Bestehen der Finanzierung zusagte.
Einzelheiten zu dem Chatverlauf konnten nicht mehr angegeben werden, die WhatsApp und das Handy gab es nicht mehr. Das Gericht war demnach auf Zeugenaussagen angewiesen. Den genauen Inhalt kannte er auch nicht mehr.
Die Ehefrau des betroffenen Ehepaares trat übrigens ihre Ansprüche an Ihren Mann ab. Formal geklagt hatte nur der Mann. Die Ehefrau konnte so als Zeugin auftreten und bestätigte, dass sie während des Notartermins eine solche WhatsApp mit der Zusage gelesen habe.
Irgendwie hatte man nach der Zeugenvernehmung den Eindruck, dass sich sämtliche Aussagen widersprechen würden. Kaum zu glauben war, dass das Ehepaar trotz der ausdrücklichen Warnung noch zum Notartermin fuhr. Dabei klangen die Warnungen, die von dem einen Handelsvertreter auf dem Weg dorthin ausgesprochen wurden, durchaus nachvollziehbar. Die Zeugin war äußerst glaubwürdig.
Zu der Geschichte mit den WhatsApp während des Notartermins gab es mitunter einige Widersprüchlichkeiten. Mal wurde gesagt, das Ehepaar und der Vermittler hätten miteinander gesprochen, mal soll nur per Handzeichen kommuniziert worden sein. Und dass die WhatsApp, die doch eine ganz besondere Bedeutung haben könnte – insbesondere deswegen, weil man vorher ausdrücklich vor der Unterschrift gewarnt wurde – plötzlich verschwand, war auch nicht zu erklären. Nun war eventuell damit zu rechnen, dass das Gericht zugunsten der einen oder der anderen Partei ein Urteil fällen würde. Dies wiederum hätte zur Folge, dass das Gericht von teilweise falschen Aussagen vor Gericht ausging.
Salomon zieht weite Kreise. Das Gericht glaubte nämlich allen Zeugen. Das Gericht glaubte, dass es schon früher eine Zusage gegeben hatte. Das Gericht glaubte auch an die WhatsApp. Und das Gericht glaubte auch daran, dass auf der Fahrt zum Notartermin der Anruf des anderen Handelsvertreters kam, in dem vor Abschluss des Notarvertrages gewarnt wurde. In dem noch nicht rechtskräftigen Urteil des Landgerichts soll nun in die Bausparkasse statt eingeklagter fast 38.000 Euro lediglich etwa 11.000 Euro zahlen.
Das Gericht ging davon aus, dass zwischen dem Ehepaar und der Bausparkasse ein Finanzierungs- und Beratungsvertrag zustande gekommen ist. Dafür spreche, so das Gericht, dass mehrere Termine und Gespräche stattgefunden haben und ein Handelsvertreter nach den Grundsätzen des unternehmensbezogenen Geschäfts als Stellvertreter für eine Bausparkasse handeln würde. Für ein unternehmensbezogenes Geschäft spricht etwa der Ort eines Vertragsschlusses, die Verwendung einer bestimmten Firma bzw. eines Firmenbriefpapiers oder -stempels, der Vertragsinhalt oder die Stellung bzw. das Auftreten eines Handelnden. Dabei hatte das Gericht gewürdigt, dass der Handelsvertreter bereits zum ersten Gespräch als Mitarbeiter der Bausparkasse aufgetreten ist und eine Visitenkarte überreichte, die ihn als Verkaufsleiter auswies.
In der Auskunft, die Finanzierung stehe, wäre der Beratervertrag verletzt worden. Das Gericht war davon überzeugt, dass die Zusage sogar mehrfach abgegeben wurde.
Das Gericht ging auch davon aus, dass es die WhatsApp gegeben habe.
Und deshalb hafte die Bausparkasse für den Fehler des Vermittlers gemäß §278 BGB.
Das Gericht sah jedoch, dass ein erhebliches Mitverschulden vorliegen würde. Dieser Einwand kommt jedoch nur unter besonderen Umständen zum Tragen, weil sich der Anleger regelmäßig auf Richtigkeit und Vollständigkeit der ihm erteilten Aufklärung und Beratung verlassen darf.
Eine Ausnahme erkannte das Gericht deshalb, weil anzunehmen war, dass das Ehepaar über eigene Sachkunde oder über Information von dritter Seite verfügt. Das Gericht verwies dabei auf eine Entscheidung der BGH mit Urteil vom 19.02.2015 Aktenzeichen III ZR 90/14.
Ein Mitverschulden liegt vor, weil das Ehepaar Warnungen Dritter nicht beachtet hatte (Der Begriff des „Dritten“ überrascht hier etwas, weil die Warnung von dem Handelsvertreter kam). Dabei hatte das Gericht das Telefonat auf dem Weg zum Notartermin und den deutlichen Hinweis, der Kaufvertrag dürfe nicht ohne schriftliche Finanzierungszusage unterschrieben werden, entsprechend gewertet.
Insofern hatte das Gericht auch den als Zeugen herangezogenen zweiten Handelsvertreter für glaubwürdig gehalten.
Das Gericht meinte, dass bei dem Ehepaar erhebliche Zweifel hätten verbleiben müssen. Insgesamt erkannte das Gericht einen Mitverschuldungsanteil von 70 % für die Eheleute. Man bekam also nur 30% von dem, was man sich erhofft hatte.