Urteile vorgestellt von RA Kai Behrens

„Alte“ Deutsche Regelung zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters europarechtswidrig

Bei Beendigung des Vertragsverhältnisses verliert ein Handelsvertreter den von ihm aufgebauten Kundenstamm an den Unternehmer, ohne dass er für neu abgeschlossene Geschäfte eine Provision erhält. Als Ausgleich für die im Aufbau eines Kundenstamms liegende Leistung des Handelsvertreters, die nach Vertragsbeendigung zugunsten des Unternehmers weiterwirkt, sieht § 89b HGB eine zusätzliche Vergütung vor. Um den Anspruch erfolgreich geltend machen zu können, müssen für den Unternehmer erhebliche Vorteile entstehen, die aus einer Geschäftsbeziehung zu Kunden resultieren, die der Handelsvertreter während seiner Vertragszeit neu geworben oder deren Geschäftsbeziehung er wesentlich erweitert hat.

Als Kehrseite der Vorteile für den Unternehmer entstehen dem Handelsvertreter Provisionsverluste. Der Umfang der Provisionsverluste richtet sich danach, was dem Handelsvertreter ohne Vertragsbeendigung zugestanden hätte. Der Ausgleichsanspruch konnte nach bisherigem Deutschen Recht nicht höher sein als die Vorteile des Unternehmers oder der Provisionsverlust für den Handelsvertreter.

Der EuGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die deutschen Regelungen des HGB zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bei Beendigung des Vertragsverhältnisses (§ 89b Abs. 1 Nr. 2 HGB) gegen europäisches Recht verstoßen (hier die Europäische Handelsvertreter-Richtlinie (Richtlinie 86/653/EWG zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter vom 18.12.1986).

Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters entgegen dem Wortlaut des § 89b Abs. 1 Nr. 2 HGB nicht von vornherein durch die Höhe der Provisionsverluste begrenzt werden darf, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.

Nach Ansicht des EuGH führt die deutsche Regelung dazu, dass der Ausgleichsanspruch an die Höhe des Provisionsverlusts gekoppelt und somit im Zweifel nach unten angepasst wird. Dies widerspricht jedoch dem von der Richtlinie bezweckten Schutz des Handelsvertreters. Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters kann daher nicht von vornherein durch die Höhe der Provisionsverluste begrenzt werden, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.

Das bisherige deutsche Recht verstößt daher gegen die europäischen Vorgaben und muss angepasst werden. Außerdem wird sich die deutsche Rechtsprechung anpassen müssen. Die Möglichkeit, eine Ausgleichszahlung zu bekommen, dürfte in manchen Fällen wahrscheinlicher werden.

 

Die Entscheidung des EuGH im Volltext

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 17 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechts-vorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. L 382, S. 17, im Folgenden: Richtlinie).

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Semen, Pächter einer Tankstelle, und der Deutschen Tamoil GmbH (im Folgenden: Deutsche Tamoil) über die Höhe des Ausgleichs wegen Beendigung des Vertragsverhältnisses, den dieses Unternehmen Herrn Semen aufgrund der Kündigung seines Vertrags schuldet.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Art. 17 der Richtlinie bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen dafür, dass der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Anspruch auf Ausgleich nach Absatz 2 oder Schadensersatz nach Absatz 3 hat.

(2) a) Der Handelsvertreter hat Anspruch auf einen Ausgleich, wenn und soweit

– er für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht und

– die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass zu diesen Umständen auch die Anwendung oder Nichtanwendung einer Wettbewerbsabrede im Sinne des Artikels 20 gehört.

b) Der Ausgleich darf einen Betrag nicht überschreiten, der einem jährlichen Aus-gleich entspricht, der aus dem Jahresdurchschnittsbetrag der Vergütungen, die der Handelsvertreter während der letzten fünf Jahre erhalten hat, errechnet wird; ist der Vertrag vor weniger als fünf Jahren geschlossen worden, wird der Ausgleich nach dem Durchschnittsbetrag des entsprechenden Zeitraums ermittelt.

c) Die Gewährung dieses Ausgleichs schließt nicht das Recht des Handelsvertreters aus, Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

…“

Nationales Recht

4 § 89b Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung setzt Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie in das nationale Recht um. Er lautet:

„Der Handelsvertreter kann von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertrags-verhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit

1. der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat,

2. der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert, die er bei Fortsetzung desselben aus bereits abgeschlossenen oder künftig zustande kommenden Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte, und

3. die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht.

Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

5 Herr Semen war vom 1. November 2001 bis zum 31. Dezember 2005 Pächter einer Tankstelle der Deutschen Tamoil in Berlin. Dort verkaufte er im Namen und für Rechnung dieses Unternehmens vor allem Kraftstoffe und Schmierstoffe, aber auch Telefonkarten unterschiedlicher Netzbetreiber, die es ihm zur Verfügung stellte.

6 Die Deutsche Tamoil gehört zur staatlichen libyschen Oilinvestgruppe, die in Deutschland ein Tankstellennetz von etwa 250 Stationen, sowohl unter der A-Marke „Tamoil“, ihrer Firma, als auch unter der – preisgünstigeren – B-Marke „HEM“, be-treibt.

7 Die Tankstelle von Herrn Semen war eine „HEM“-Station. Seine Provision bemaß sich bei Kraftstoffen nach der verkauften Menge („Literprovision“), bei Ölen nach dem Umsatz. Tankten Besitzer von Tankkarten, denen die Deutsche Tamoil Nachlässe gewährte, stand Herrn Semen nur eine geringere Provision zu.

8 Das Landgericht Hamburg wurde zur Entscheidung über den Herrn Semen zu zahlenden Ausgleich nach Beendigung seines Vertragsverhältnisses mit der Deutschen Tamoil angerufen.

9 Nach der deutschen Rechtsprechung haben die drei Tatbestandselemente des § 89b Abs. 1 HGB kumulativen Charakter und begrenzen einander. Der Ausgleich kann daher nicht höher als der niedrigste Betrag sein, der sich unter einer der drei Nummern ergibt.

10 Gestützt auf diese Rechtsprechung neigt das Landgericht dazu, Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen, dass diese Bestimmung, nach der Provisionsverluste des Handelsvertreters nur ein Element im Rahmen der Billigkeitsprüfung darstellen, auch zulässt, die dem Handelsvertreter entgehenden Provisionen als Obergrenze des Ausgleichs zu betrachten.

11 Da das Landgericht Hamburg im Hinblick auf diese Auslegung des Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie jedoch Zweifel hat, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist es mit Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie vereinbar, dass der Ausgleichs-anspruch des Handelsvertreters durch seine Provisionsverluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind?

2. Gehören hierzu bei einem Konzern, dem der Unternehmer angehört, auch die den Konzerngesellschaften zufließenden Vorteile?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

12 Mit seiner ersten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er es nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von vornherein durch seine Provisionsverluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.

13 Hierzu ist einleitend festzustellen, dass Art. 17 der Richtlinie mit dem Blick auf die Ziele dieser Richtlinie und das damit eingeführte System auszulegen ist (vgl. Ur-teil vom 23. März 2006, Honyvem Informazioni Commerciali, C-465/04, Slg. 2006, I-2879, Randnr. 17).

14 Weiter steht fest, dass die Richtlinie die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien eines Handelsvertretervertrags zum Ziel hat. So soll sie insbesondere die Interessen der Handelsvertreter gegenüber den Unternehmern schützen und legt zu diesem Zweck u. a. in den Art. 13 bis 20 Regeln über Abschluss und Beendigung des Handelsvertreter-vertrags fest (Urteil Honyvem Informazioni Commerciali, Randnrn. 18 und 19).

15 Was die Beendigung des Vertrags betrifft, wird mit Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie ein System geschaffen, das den Mitgliedstaaten ermöglicht, zwischen zwei Lösungen zu wählen. Sie haben nämlich die erforderlichen Maßnahmen dafür zu ergreifen, dass der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertrags entweder Anspruch auf einen nach den Kriterien des Art. 17 Abs. 2 bestimmten Ausgleich oder auf nach den Kriterien des Art. 17 Abs. 3 bestimmten Schadensersatz hat.

16 Die Bundesrepublik Deutschland hat sich für die in Art. 17 Abs. 2 vorgesehene Lösung entschieden.

17 Nach ständiger Rechtsprechung ist das mit Art. 17 der Richtlinie geschaffene System, insbesondere was den Schutz des Handelsvertreters nach Vertragsbeendigung betrifft, zwingendes Recht (Urteil vom 9. November 2000, Ingmar, C-381/98, Slg. 2000, I-9305, Randnr. 21, und Honyvem Informazioni Commerciali, Randnr. 22).

18 Daher haben die Mitgliedstaaten, was den Ausgleich wegen Beendigung des Vertragsverhältnisses betrifft, nur innerhalb des durch die Art. 17 und 18 der Richtli-nie festgelegten Rahmens einen Gestaltungsspielraum bei der Wahl der Methoden zur Berechnung des Ausgleichs (Urteil Ingmar, Randnr. 21, und Urteil Honyvem In-formazioni Commerciali, Randnr. 35).

19 Das in Art. 17 der Richtlinie geregelte Verfahren läuft in drei Stufen ab. Auf der ersten geht es zunächst um die Quantifizierung der Vorteile des Unternehmers aus den Geschäften mit den vom Handelsvertreter geworbenen Kunden gemäß Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richtlinie. Auf der zweiten Stufe wird dann nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich geprüft, ob der Betrag, der sich auf der Grundlage der genannten Kriterien ergeben hat, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der dem Handelsvertreter entgangenen Provisionen, der Billigkeit entspricht. Schließlich wird auf der dritten Stufe der Ausgleichsbetrag an der in Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie festgelegten Höchstgrenze gemessen, die nur dann relevant ist, wenn der sich aus den vorstehenden beiden Berechnungsstufen ergebende Ausgleichsbetrag sie übersteigt.

20 Da die Provisionsverluste demnach nur einen von mehreren Gesichtspunkten darstellen, die im Rahmen der Billigkeitsprüfung relevant sind, ist es Sache des nationalen Gerichts, auf der zweiten Stufe seiner Bewertung zu prüfen, ob der dem Handelsvertreter gewährte Ausgleich letztlich billig erscheint und ob und gegebenenfalls inwieweit er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls anzupassen ist.

21 In Anbetracht des in Randnr. 14 des vorliegenden Urteils dargelegten Ziels der Richtlinie ergibt sich aus diesem System, dass eine Auslegung von Art. 17 der Richt-linie, wie sie das nationale Gericht vertritt, nur zulässig ist, wenn sich ausschließen lässt, dass sie sich für den Handelsvertreter als nachteilig erweist.

22 In diesem Zusammenhang ist außerdem festzustellen, dass der Gerichtshof bereits auf den Bericht über die Anwendung von Art. 17 der Richtlinie (KOM[96] 364 endg.) Bezug genommen hat, den die Kommission am 23. Juli 1996 vorgelegt hat. Dieser Bericht enthält detaillierte Angaben über die tatsächliche Berechnung des Ausgleichs und soll eine einheitlichere Auslegung dieser Vorschrift erleichtern (vgl. Urteil Honyvem Informazioni Commerciali, Randnr. 35). So werden in diesem Bericht verschiedene Faktoren angeführt, die bei der Billigkeitsprüfung in der Praxis zu be-rücksichtigen sind und von denen einige für einen höheren Ausgleich sprechen.

23 Im Licht dieser Erwägungen ist daher festzustellen, dass der Gestaltungsspiel-raum, über den die Mitgliedstaaten verfügen, um den dem Handelsvertreter bei Vertragsbeendigung zustehenden Ausgleich aus Billigkeitsgründen gegebenenfalls an-zupassen, nicht dahin ausgelegt werden kann, dass dieser Ausgleich ausschließlich nach unten angepasst werden darf. Denn eine solche Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a zweiter Gedankenstrich der Richtlinie, die es ermöglichte, jede Erhöhung dieses Ausgleichs von vornherein auszuschließen, wäre eine Auslegung zum Nach-teil des Handelsvertreters, dessen Vertrag endet.

24 Daraus folgt, dass die in Randnr. 9 des vorliegenden Urteils dargelegte deutsche Rechtsprechung, die es von vornherein ausschließt, dass der Ausgleich im Rahmen der Anwendung des Billigkeitskriteriums bis zur Höhe der in Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie festgelegten Obergrenze erhöht wird, wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher sind als die geschätzten Provisionsverluste des Handelsvertreters, fehlgeht.

25 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von vornherein durch seine Provisionsverluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unter-nehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.

Zur zweiten Frage

26 Mit seiner zweiten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass, falls der Unternehmer einem Konzern angehört, auch die den Konzerngesellschaften zufließenden Vorteile zu den Vorteilen des Unternehmers gehören und damit bei der Berechnung des Ausgleichs-anspruchs des Handelsvertreters zu berücksichtigen sind.

27 Für die Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richt-linie ist zunächst auf den Wortlaut der Bestimmung abzustellen.

28 Insoweit ist festzustellen, dass sich diese Bestimmung ausschließlich auf die Vertragsbeziehungen „Kunden/Unternehmer“ und die Vorteile des „Unternehmers“ aus den Geschäften mit diesen Kunden bezieht. Die am Wortlaut von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richtlinie orientierte Auslegung führt daher zu der Schlussfolgerung, dass nach dieser Bestimmung Vorteile Dritter bei der Berechnung der „Vorteile des Unternehmers“ nicht berücksichtigt werden dürfen.

29 Diese Auslegung – ausschließlich die Beziehung zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter zu berücksichtigen – wird durch die systematische Auslegung dieser Bestimmung bestätigt.

30 Die in Art. 17 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie vorgesehene Obergrenze des Ausgleichsbetrags wird nämlich anhand der vom Handelsvertreter erhaltenen Vergütungen berechnet. Wie die italienische Regierung vorgetragen hat, werden die Vergütungen, auch wenn der Unternehmer einem Konzern angehört, stets ausschließlich vom Unternehmer und nicht von den anderen Konzerngesellschaften bezahlt.

31 Schließlich ist festzustellen, dass die Richtlinie nach ihrem zweiten Erwägungs-grund die Sicherheit des Handelsverkehrs und damit die Rechtssicherheit auf dem Gebiet der Handelsvertretung fördern soll. Dieses Ziel schließt es grundsätzlich aus, Vorteile Dritter zu berücksichtigen, wenn das Vertragsverhältnis zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter dies nicht vorsieht. Es ist Sache des nationalen Gerichts, den Handelsvertretervertrag insoweit nach dem anwendbaren nationalen Recht zu beurteilen.

32 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass, falls der Unternehmer einem Konzern angehört, die den Konzerngesellschaften zufließenden Vorteile grundsätzlich nicht zu den Vorteilen des Unternehmers gehören und damit bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters nicht notwendig zu berücksichtigen sind.

Kosten

33 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter ist dahin auszulegen, dass er nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von vornherein durch seine Provisions-verluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.

2. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie ist dahin auszulegen, dass, falls der Unter-nehmer einem Konzern angehört, die den Konzerngesellschaften zufließenden Vor-teile grundsätzlich nicht zu den Vorteilen des Unternehmers gehören und damit bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters nicht notwendig zu berücksichtigen sind.

 

EuGH: Ausgleichsanspruch nicht auf die Provisionsverluste zu begrenzen

Gericht

EuGH

Aktenzeichen

C-348/07

Datum

26.03.2009

Vorinstanzen

Rechtsgebiet

Handelsrecht, Europarecht

Schlagworte

Handelsvertreter, Ausgleichsanspruch, Provision, Konzern

Leitsätze

1. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter ist dahin auszulegen, dass er nicht erlaubt, dass der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters von vornherein durch seine Provisionsverluste infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses begrenzt wird, auch wenn die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile höher zu bewerten sind.

2. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie ist dahin aus-zulegen, dass, falls der Unternehmer einem Konzern angehört, die den Konzerngesellschaften zufließenden Vorteile grundsätzlich nicht zu den Vorteilen des Unternehmers gehören und damit bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters nicht notwendig zu berücksichtigen sind.

(gerichtliche Leitsätze)

LG München: Softwarepauschale und Einschränkung EDV können fristlose Kündigung rechtfertigen

Am 18.09.2014 entschied das Landgericht München, in einem Teilurteil, dass die Klage eines Vertriebes abgewiesen wird. Gleichzeitig wurde der Vertrieb verurteilt, einen Buchauszug über einen Zeitraum von 4 Jahren zu erteilen.

Hintergrund war, dass der Vertrieb Auskunft über eine Geschäftstätigkeit der Beklagten verlangt hatte, weil diese der Beklagten die Verletzung von vertraglichen Pflichten vorwerfe. Damit wollte man einen Schadensersatzanspruch vorbereiten.

Die Beklagte kündigte zunächst das Handelsvertreterverhältnis ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Nach Ausspruch der Kündigung führte der Vertrieb verschiedene einschränkende Maßnahmen im EDV System durch, was seitens der Klägerin unstreitig gestellt wurde. U. a. war der E-Mail Verkehr mit den Kunden aufgrund einer Sperrung des Intranet Systems „VB Web Mail“ nur noch insoweit möglich, als das die Beklagte E-Mails der Kunden nur am PC im Büro lesen konnte, nicht aber auf den mobilen Geräten; verschicken und beantworten konnte sie E-Mails mit dem System überhaupt nicht mehr. Ferner waren die Systeme „VB-D Net und VB DG-Net“ gesperrt, weswegen die Beklagte mittels EDV keine Einsicht auf Termine der Direktion z. B. für Kundeninformationsseminare oder Schulungen zu Produkten mehr hatte und Schulungsunterlagen nicht mehr zugänglich waren. Ferner waren die „PIM“ gesperrt, was dazu führte, dass jedenfalls im unstreitigen Zeitraum E-Mails im Rahmen der Vertragspost nur noch gelesen werden konnten, nicht aber weitergeleitet, beantwortet, gelöscht oder ausgedruckt werden konnte. Ferner war die Funktion im System „KI“ reduziert; infolge dessen konnte insbesondere Kauf- und Verkaufsformulare für Deutsche Bank – die Post der Kunden nicht mehr ausgedruckt werden. Überdies wurde im EDV System die Stornoreserve auf 100 % hochgefahren.

Daraufhin übersandte die Beklagte eine Abmahnung. Nachdem hierauf keine Reaktion erfolgte, kündigte sie mit sofortiger Wirkung. Die Klage sei unbegründet, so das Gericht. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 89 a HGB lag vor. Unstreitig hatte die Klägerin nach Erhalt der ordentlichen Kündigung verschiedene einschränkende Maßnahmen im EDV System durchgeführt. Über dies wurde im EDV System die Stornoreserve auf 100 % hochgefahren. Nach Auffassung der Einzelrichterin stellen diese Maßnahmen einen Schwerwiegenden Verstoß gegen die Vertragspflichten der Klägerin dar, die der Beklagte als Kündigender unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen bei der Vertragszeile das Abwarten bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar machte.

Zur sachgerechten Durchführung der Tätigkeit eines Vermögensberaters gehört es nach Überzeugung der Einzelrichterin, dass der Vermögensberater mit seinen Kunden zuverlässig und uneingeschränkt korrespondieren kann. Diese Tätigkeit war durch die Einschränkung des E-Mail Verkehrs, der heutzutage zu einer der wichtigsten Kommunikationsarten gehört, erheblich und in unzumutbarer Weise erschwert. Ferner gehört es zur elementaren Tätigkeit eines Vermögensberaters, sich um Vertragswünsche und Vertragsänderungswünsche hinsichtlich bevorstehender Verträge der Kunden zu kümmern und diese Wünsche zu bearbeiten. Auch dies war nur noch äußerst eingeschränkt möglich. Die Eintragung einer Stornoreserve von 100 % und eine Auszahlungssperre führte dazu, dass Provisionsansprüche zum Zeitpunkt nicht ausgezahlt worden wären. Die Weiterarbeit bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist wären unter diesen Umständen unzumutbar gewesen.

Der Vertrieb wurde auch wirksam abgemahnt. Die hierhin gesetzte Frist von 24 Stunden war ausreichend und angemessen. Nachdem es der Klägerin möglich war, auf die ordentliche Kündigung der Beklagten hin unverzüglich zu reagieren und die genannten Einschränkungen in der EDV zu veranlassen und durchzuführen, ist umgekehrt auch zu erwarten, dass die gesetzte Sperre innerhalb von 24 Stunden wieder aufgehoben werden kann.

Der Buchauszug steht zu, weil der Handelsvertreter ein Informationsrecht hat. Da die Haftungszeit bestimmter Verträge 5 Jahre beträgt, können Geschäfte, die in den Jahren 2009 und 2010 vermittelt wurden, auch erst nach Ablauf dieser fünfjährigen Haftungszeit vollständig und abfließend abgerechnet werden. Insofern ist auch das geltend gemachte Buchauszugsrecht bezogen auf die Jahre 2009 und 2010 nicht verjährt.

Zudem steht der Beklagten ein Anspruch auf Erstattung von Softwarekosten zu. Die Anspruchsgrundlage ist § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klägerin ist gemäß § 86 a Satz 1 HGB verpflichtet, die erforderliche Vertriebssoftware kostenlos zur Verfügung zu stellen. § 86 a Abs. 1 HGB verpflichtet den Unternehmer, dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Hiervon abweichende Vereinbarungen sind gemäß § 86 a Abs. 3 HGB unwirksam. Nach allgemeiner Meinung sind die Unterlagen im Sinne des § 86 a HGB kostenlos zu überlassen (vgl. Bundesgerichtshof Urteil vom 04.05.2011 Aktenzeichen VIII ZR 10/10).

Der Begriff der Unterlagen ist nach allgemeiner Auffassung weit zu verstehen, denn die im Gesetz vorgesehene Aufzählung von Mustern, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen und Geschäftsbedingungen ist nur beispielhaft und nicht abschließend. Von dem Begriff der Unterlagen wird alles umfass, was dem Handelsvertreter zur Ausübung seiner Vermittlungs- oder Abschlusstätigkeit – insbesondre der Anpreisung der Waren bei dem Kunden – dient und aus der Sphäre des Unternehmers stammt.

Die kostenlos zu überlassenen Unterlagen müssen zur Ausübung der Tätigkeit des Handelsvertreters erforderlich sein. Hierzu zählt auch das Softwarepaket der Klägerin, nachdem hierin Kundendaten, Vertragsinformationen und – Formulare usw. enthalten waren. Bei einem Software handelt es sich nach der Verkehrsauffassung auch um ein einheitliches Produkt, sodass auch keine Aufteilung kostenpflichtige und kostenlose Überlassung vorzunehmen ist. Die Verpflichtung zum kostenlosen zur Verfügung Stellen der Vertriebssoftware ergibt sich zudem aus Ziffer II letzter Absatz des Vertrages, indem sich die Klägerin verpflichtete, dem Beklagten das EDV-Netzwerk kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Verpflichtung zur Zinszahlen von Prozessen ergibt sich aus dem § 291 BGB in Verbindung mit 288 Abs. 2 BGB analog, § 14 BGB.

Urteil Landgericht München 2014

 

LG Mannheim: Kein Wettbewerbsverbot, wenn Karenzentschädigung verweigert wird

Am 14.10.2013 entschied das Landgericht Mannheim, dass einem Vertrieb kein Anspruch zusteht, der sich auf ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot berufen hatte.

Hintergrund war, dass ein Vertrieb mit seinem Handelsvertreter eine nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkung vereinbart hatte. Das Gericht meinte, diese sei wirksam, obgleich die Wettbewerbsbeschränkung zeitlich nicht begrenzt war. Dies ergebe sich aus § 90 a Abs. 1 Satz 3 HGB, der nicht verbindlich vorschreibe, dass hier eine Karrenzentschädigung vereinbart werden müsse, damit die Regelung wirksam ist (anders als § 74 Abs. 2 HGB).

Vorgeworfen wurde, dass der Handelsvertreter nach Vertragsende Kunden weiterhin betreut hatte. Das Gericht sah darin grundsätzlich ein Verstoß gegen den Vertrag der eine Abwerbung von Kunden der Klägerin verbieten würde.

In diesem Fall meinte das Landgericht, dass der Handelsvertreter die Unterlassung des Wettbewerbs zumindest dann verweigern dürfe, wenn der Unternehmer nach der Kündigung fortlaufend zu erkennen gibt, dass er zu keiner Zahlung bereit ist (§ 320 Abs. 1 Satz 1 BGB). Damit folgte das Gericht einen Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28.11.1972 (abgedruckt im Versicherungsrecht 73, 857).

Das Gericht warf dem Vertrieb auch vor, dass selbst im Prozess die Klägerin auf den Einwand fehlender Entschädigung schriftsätzlich  nicht eingegangen sei. Dieses Gesamtverhalten, liegt einer Zahlungsverweigerung zumindest nahe. Deshalb komme ein Leistungsverweigerungsrecht des Beklagen in Betracht oder eine unzulässige Rechtsausübung des Vertriebs, so wie es das Bundesarbeitsgericht ansehen würde.

Urteil Landgericht Mannheim Aktenzeichen 24 O 43/13.

OLG Nürnberg: fristlose bei vertragsuntreuem Verhalten unwirksam

Am 08.06.2011 hatte das Oberlandesgericht Nürnberg einen Vertrieb Ansprüche zugesprochen, nachdem ein Handelsvertreter hatte fristlos kündigen wollen, diese Kündigung jedoch unwirksam war.

Aufgrund der Verurteilung muss der Handelsvertreter erschöpfende Auskunft in geordneter Form darüber erteilen, welche Vermögensanlagen, mit welchen Vertragswerten, an welche Kunden, für welche Vertriebsgesellschaft bzw. Produktpartner er vermittelt hat. Außerdem wurde er zur Zahlung eines noch nicht bestimmten Schadensersatzes verpflichtet. Die begehrte Zahlung einer Vertragsstrafe wurde jedoch zurückgewiesen.

Zu den Gründen im Einzelnen:

Die außerordentliche Kündigung scheiterte, weil sich der Handelsvertreter selbst einer Vertragsuntreue vorzuwerfen hatte. Nach Treu und Glauben kann eine außerordentliche Kündigung ausgeschlossen sein, wenn dem Kündigenden selbst eine Vertragsuntreue vorzuwerfen ist (Hopt in Baumbach, Kommentar zum HGB, 34. Auflage, Randnr. 8 zu § 89 a HGB). Hier hatte sich der Handelsvertreter deshalb vertragsuntreu verhalten, weil er entgegen dem Vermögensberatervertrag eine Nebentätigkeit aufgenommen hatte. Diese hatte er nicht angezeigt.

Das Gericht deutete die außerordentliche Kündigung in eine ordentliche Kündigung um. Innerhalb der Kündigungsfrist hätte der Handelsvertreter für den Vertrieb weiterarbeiten müssen. Weil er dies nicht getan hat, liegt grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch vor.

Die vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe jedoch verstößt gegen das Transparenzgebot. Deshalb unterlag die Vertragsstrafe der Abweisung.

Urteil Oberlandesgericht Nürnberg vom 29.06.2011

OLG Naumburg zur Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages mit zeitlich unbegrenztem Wettbewerbsverbot

Das Oberlandesgericht Naumburg entschied am 17.02.2005 über einen Aufhebungsvertrag. Gegenstand war ein Ordnungsvertrag eines Vermögensberaters mit seinem Vertrieb. In diesem Aufhebungsvertrag war ein umfassendes Wettbewerbsverbot geregelt, ohne dass dies zeitlich befristet wird.

Zunächst stellte das Gericht fest, dass die Regelungen als solche inhaltlich klar sein und  nicht schon wegen fehlender Bestimmtheit hätten zurückgewiesen werden müssen. Der Begriff der Partnergesellschaften war zu verstehen so wie auch der weitere Inhalt.

Regelungen, die in einem Aufhebungsvertrag bestimmt werden, verstoßen auch nicht gegen § 90 a HGB. Wettbewerbsabreden, die erst nach Vertragsende getroffen werden, fallen nicht unter die Regelung des § 90 a HGB, auch wenn sie in einem Zusammenhang mit den früheren Handelsvertreterverhältnis stehen (BGHZ 51,185; BGHZ 53, 89).

Dennoch meinte das Gericht, dass die Klausel gegen §§ 138, 242 BGB verstoße, da das zeitlich unbeschränkte Verbot unter Berücksichtigung des Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz nicht mit den guten Sitten vereinbar ist. Ein lebenslanges Wettbewerbsverbot stellt eine unangemessene Beschränkung der Berufsfreiheit dar. Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin für eine solche Einschränkung vom Wettbewerb ist grundsätzlich für einen Zeitraum anzuerkennen, indem die in der Vertragszeit geschaffenen geschäftlichen Beziehungen fortwirken. Für eine zeitlich darüber hinaus gehende Wettbewerbsbeschränkung ist ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin nicht zu erkennen.

LG Osnabrück: Buchauszug ja, Provisionen zurück nein

Am 25.05.2007 fällte das Landgericht Osnabrück eine interessante Entscheidung, die den Umfang eines Buchauszuges ausdehnt.

Ein Buchauszug wurde zugewiesen, Provisionsrückforderungen wurden wegen unzulässiger Kündigungserschwerung gemäß § 89 Abs. 2 Satz 1, § 89 a Abs. 1 Satz 2 HGB abgewiesen.

Nach dieser Entscheidung wurde einem Handelsvertreter, der für eine Versicherungsmaklerin tätig war, folgender Buchauszug mit folgendem Inhalt zugesprochen:

„Die Maklerin wird zur Erteilung eines Buchauszuges verurteilt, für den Zeitraum vom 01.11.2001 – 07.12.2004 einen Buchauszug zu erteilen, der in Form einer geordneten und übersichtlichen Aufstellung Auskunft gibt über sämtliche von dem Beklagten für die Klägerin vermittelten und /oder betreuten Verträge, wobei die Auskunft unter Einschluss nach folgenden Punkte zu erteilen ist:

 

  1. Name und Anschrift des Versicherungsnehmers
  2. Datum des Versicherungsantrages
  3. Versicherungsscheinnummer
  4. Datum des Versicherungsvertrages
  5. Art & Inhalt des Versicherungsvertrages

–        Sparte

–        Tarif

–        Prämien- bzw. provisionsrelevante Sondervereinbarungen

  1. Jahresprämie

–        Höhe

–        Fälligkeit

–        Eingang

–        Summe der eingegangenen Prämien

  1. Versicherungsbeginn
  2. Eintrittsalter der versicherten Person
  3. Laufzeit des Vertrages
  4. Im Krankenversicherungsgeschäft

–        Monatsbeitrag

  1. Bei Verträgen mit Dynamisierung zusätzlich:

–        Erhöhung der Versicherungssumme/ Wertungssumme

–        Zeitpunkt der Erhöhung der Versicherungssumme

–        Erhöhung der Jahresprämie

–        Zeitpunkt der Erhöhung der Jahresprämie

  1. Im Bauspargeschäft

–        Bausparsumme

  1. Im Falle von Änderungen

–        Datum der Änderung

–        Art der Änderung

–        Gründe der Änderung

  1. Im Falle von Stornierungen

–        Datum der Stornierung

–        Gründe der Stornierung

–        Art der ergriffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen

  1. Im Falle des Widerrufs oder eines Rücktritts

–        Datum der Absendung der Widerrufs- bzw. Rücktrittserklärung“

 

Ganz nebenbei wurde der Antrag auf Rückführung von Provisionen in Höhe von etwa 30.000 € zurückgewiesen.

Das Gericht sah in der Rückzahlungsforderung der Provisionen eine unzulässige Kündigungserschwerung gemäß § 89 Abs. 2 Satz 1, § 89 a Abs. 1 Satz 2 HGB. Nach § 89 Abs. 2 Satz 1 HGB darf die Kündigungsfrist für den Unternehmer nicht kürzer sein als für den Handelsvertreter. Dabei handelt es sich um Schutzvorschriften, die verhindern sollen, dass der Handelsvertreter in seiner Entscheidung, das Handelsvertreterverhältnis zu beenden, nicht einseitig eingeschränkt wird. Es ist deshalb anerkannt, dass an die Kündigung des Vertrages durch den Handelsvertreter keine die Kündigung erschwerenden oder die Kündigung praktisch unmöglich machende Nachteile geknüpft werden dürfen.

Eine unzulässige Kündigungserschwerung kann auch dann vorliegen, wenn mit der Kündigung sonstige finanzielle Nachteile in Betracht kommen können. Dies ist bei der Vereinbarung zwischen den Parteien über die Rückzahlung der nicht verdienten Provisionsvorschüsse der Fall. Hier gingen die Vorschusszahlungen über die Überbrückung eines regelmäßig zu Beginn eines Handelsvertreterverhältnisses bestehenden Bedarfs zur Deckung des Lebensunterhaltes erheblich hinaus. Die ohne Bezug zu den konkret zu erwartenden Provisionen vorgesehenen monatlichen Vorschüsse in Höhe von 4.000 DM waren zeitlich nicht beschränkt. Nach etwa einem Jahr wurden etwa 25.000 € an Vorschüssen gezahlt und lediglich 6.200 € erwirtschaftet. Mithin waren etwa ¼ der geleisteten Vorschüsse verdient. Nach Ansicht der Kammer stellt dies eine unzulässige Kündigungserschwerung dar mit der Folge, dass ein Anspruch von Zahlung nicht verdienter Vorschusszahlungen nicht verlangt werden kann.

Stattdessen steht dem Handelsvertreter ein Buchauszug zu. Der Buchauszug muss die zum Zeitpunkt seiner Aufstellung für die Berechnung, Höhe und Fälligkeit der Provisionen des Handelsvertreters relevanten geschäftlichen Verhältnisse in klarer und übersichtlicher Weise vollständig widerspiegeln, soweit sie sich den Büchern des Unternehmers entnehmen lassen. Dabei ist jeder einzelne Geschäftsvorgang gesondert mit einer in sich geschlossenen Darstellung aufzuführen. Der Buchauszug ist eine geordnete Zusammenstellung mit einer vollständigen, klaren und übersichtlichen Darstellung (vgl. Oberlandesgericht Hamm Beschluss vom 23.11.2006 30 W 33/03).

Haftung bei Falschberatung eines Fonds durch Verschweigen einer Provision

Am 25.02.2010 entschied das Landgericht München I, dass der AWD (Heute Swiss Life Select) einen Schaden zu zahlen hätte, ein Kunde von der Beteiligung an der Falk Beteiligungsgesellschaft 76 GmbH & Co. KG von allen Verpflichtungen freizustellen ist, zudem aus allen Verpflichtungen aus einem Darlehen bei der Landesbank Baden Württemberg.

Was war geschehen?

Ein Kunde hatte die Beklagte wegen fehlerhafter Anlageberatung in Anspruch genommen.

Der Kunde hatte sich mit einem Nennbetrag von 30.000 € an der Falk Beteiligungsgesellschaft 76 GmbH & Co. KG beteiligt. Dabei handelte es sich um einen geschlossenen Immobilienfonds.

Die Beteiligung wurde durch Eigenmittel finanziert. Die restliche Anlage wurde über ein Finanzierungsdarlehen bei der Landesbank Baden Württemberg über 25.500 € erbracht.

Der Anteilserwerb erfolgte über einen selbstständigen Handelsvertreter, der für die Beklagte tätig war.

Der Kläger war schon mit mehreren anderen Versicherungen langjährig Kunde bei der Beklagten. Der Falk-Fonds 76 wurde von dem Mitarbeiter nach einer sogenannten Finanzstrategie empfohlen.

Streitig war zwischen den Parteien, ob die Beklagte eine Vertriebsprovision von 15. % des Zeichnungskapitals erhalten hatte.

Das Gericht meinte, dass in der Klagepartei ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB zustehe. Schließlich sei zwischen den Parteien ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen.

„Kapitalanleger ziehen einen Anlageberater hinzu, wenn sie selbst keine ausreichende wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge haben. Sie erwarten dann nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondre deren fachkundige Bewertung und Beurteilung und häufig auch eine auf ihr persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Beratung. In einem solchen Vertragsverhältnis hat der Berater regelmäßig weitergehende Pflichten gegenüber den betreuten Kapitalanleger. Als unabhängiger, individueller Beistand, den persönlichen Vertrauen entgegengebracht wird, muss er besonders differenziert und fundiert beraten“, führte das Gericht aus.

Ferner meinte das Gericht, dass die Beklagte ihre Pflichten aus den Anlageberatungsvertrags mit der Klagepartei verletzt habe, weil sie die ihr zustehenden Innenprovision nicht offenbart hatte. Das Gericht ging davon aus, dass tatsächlich eine Provision von 15 % geflossen sei.

Ein Anlageberater, der Fondsanteile empfiehlt, müsse aber ungefragt darauf hinweisen, dass und in welcher Höhe er Rückvergütungen aus Ausgabeauflegen und Verwaltungskosten von der Fondsgesellschaft erhalte, so das Gericht weiter. „Bei der Offenlegung von Rückvergütungen geht es um die Frage, ob eine Gefährdungssituation für den Kunden geschaffen ist. Deshalb ist es geboten, dem Kunden über etwaige Rückvergütungen aufzuklären und zwar unabhängig von der Rückvergütungshöhe. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Berater Aktienfonds oder Medienfonds vertreibt. Der aufklärungspflichtige Interessenskonflikt ist in beiden Fällen gleich…. Diese Ausführungen sind aber nicht auf den Anwendungsbereich des WpHG beschränkt. In § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist lediglich der auch zivilrechtlich allgemein anerkannte Grundsatz der Vermeidung von vertragswidrigen Interessenskonflikten aufsichtsrechtlich für den Bereich des Wertpapierhandels  normiert worden (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.01.2009 – XI ZR 510/07).“

„Das überhaupt Vertriebskosten anfallen und Vertriebsprovisionen bezahlt werden, dürfte zwar jedem Anlageinteressenten nach der allgemeinen Lebenserfahrung klar sein. Ausschlaggebend für seine Beurteilung, ob und in wie weit Interessenskonflikte bei seinem Berater vorliegen, ist jedoch erst die konkrete Bezifferung der gerade dorthin fließenden Vergütungen. Stehen mehrere Anlagemöglichkeiten im Raum, kann der Anleger auch nur so ersehen, ob der Berater ihm diejenige empfiehlt, welche die höchste Provision einbringt.“

„Für die Pflicht zur Aufklärung über Rückvergütungen entscheidend ist demnach, ob die Vertriebsstelle dem Anleger als beratende Instanz gegenübertritt und damit sein Vertrauen auf sachgerechte Art in Anspruch nimmt (dann Ja) oder lediglich ein Finanzprodukt vermittelt (dann Nein). Für die Unterscheidung zwischen Beratung und Vermittlung ist die höchst richterliche Rechtsprechung maßgeblich. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob das Vertriebsunternehmen eine Bank ist oder nicht. Die These, nur eine Bank führe Anlageberatung durch, während der freie Vertrieb Kapitalanlagen bloß vermittele, entbehrt jeglicher Tatsachengrundlage.“

Auch das pauschale Argument, bei einem freuen Anlageberater wisse der Kunde immer, dass dieser von Kickbacks lebe, während eine Bank aus Kundensicht solche Provisionen nicht bedürfe, geht fehl.

Die nachgewiesene Pflichtverletzung war nach der Auffassung des Gerichts auch kausal für den Beitritt der Klagepartei zum Falk-Fonds 76.

Ein Aufklärungsmangel begründet die widerlegliche Vermutung, dass der Kunde bei ordnungsgemäßer Aufklärung von der Beteiligung abgesehen hätte, der Schaden somit nicht eingetreten wäre (BGHZ, 61, 118).

Urteil vom 25.02.2010 Landgericht München I, Aktenzeichen 22 O 1374/09.

So geht es nicht

Am 26.02.2014 wies das Amtsgericht Frankfurt eine Klage auf Rückzahlung der Softwarepauschale zurück.

Die DVAG sollte 1.941,85 € auszahlen. Das Gericht dazu: Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Softwarepauschale. Unabhängig davon, dass auch hier die selbstständige Geltendmachung der einzelnen Beträge unzulässig sein dürfte, weil auch die Nutzungsbeträge für die Nutzung der Softwarepauschale das Kontokorrent eingestellt werden, ist die Forderung auch deshalb unbegründet, weil die Klägerin hinsichtlich ihrer Behauptung, die Software wäre zur Ausübung ihrer Tätigkeit unerlässlich gewesen, beweisfällig geblieben ist. Zwar verpflichtet § 86 a Abs. 1 HGB die Unternehmer, dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen und auch Softwareprodukte zur Verfügung zu stellen. Allerdings geht das nur für Arbeitsmittel, die für die spezifische Anpreisung der Ware unerlässlich sind. Zu dem gemäß § 86 a Abs. 1 HGB (kostenlos) vom Unternehmer zur Verfügung zu stellenden Unterlagen gehören deshalb nur die Hilfsmittel, die der Handelsvertreter spezifisch aus der Sphäre des Unternehmers benötigt, um seine Tätigkeit überhaupt ausüben zu können (vgl. Bundesgerichtshof Urteil vom 04.05.2011 Aktenzeichen VIII ZR 10/10). Ein Beweis hat die Klägerin hierfür nicht angeboten.

 

Dieses Urteil belegt in treffender Weise, wie man es nicht machen soll!

LG Tübingen und die Rechtsprechung zur Stornobekämpfung

Am 11.04.2014 entschied das Amtsgericht Tübingen, dass Provisionsvorschüsse nicht zurückgezahlt werden müssen, wenn die Nachbearbeitung nicht ausreichend ist.

Dem schloss sich nunmehr das Landgericht Tübingen mit Beschluss vom 02.02.2015 an und führte wie folgt aus:

Der Kammer sind von der Klägerin zitierten Urteile des Landgerichts Tübingen bekannt. Sie begründen jedoch weder eine Bindungswirkung noch das Bedürfnis, die Rechtsprechung des Landgerichts Tübingen mit Blick auf die verfahrensgegenständlichen Rechtsfragen zu vereinheitlichen. Gleiches Ergebnis gilt für die von der Klägerin angeführten aktuellen Entscheidungen der Landgerichte München II und Ulm. Die Kammer sieht sich nicht veranlasst, von ihrer ständigen Rechtsprechung hinsichtlich der Nachbearbeitungsbemühungen des Unternehmens abzuweichen. Soweit die Klägerin die Anforderung der Kammer als nicht nachvollziehbar bezeichnet und ihre diesbezüglichen Ausführungen – insbesondere in der Berufungsbegründung vom 17.07.2014 – verweist, geht dies fehl. Die Kammer hat keineswegs gerügt, dass das von der Klägerin entwickelte kombinierte Erinnerungs- Mahn- und Kündigungsverfahren grundsätzlich unzureichend ist. Unzureichend ist vielmehr, dass sich die Klägerin darauf beschränkt, dieses Verfahren im Allgemeinen darzustellen und pauschal zu behaupten, es immer – also auch im Fall der Klageforderung nach sich ziehenden stornierten Verträge – anzuwenden. Daran ändert die der Berufungsbegründung beigefügte tabellarische Übersicht nichts, mit der exemplarisch für die darin benannten Versicherungsnehmer die von der Klägerin zur Stornobekämpfung ergriffenen Maßnahmen aufgezeigt werden sollen. Die Vorlage dieser Übersicht und deren schriftsätzliche Erläuterung setzen jedoch den von der Klägerin zu verlangenden substantiierten Vortrag nicht. Es ist auf dieser Grundlage zwar durchaus selbsterklärend, dass diejenigen Verträge nachbearbeitet worden sein sollen, die in der entsprechenden Spalte der Übersicht die Bemerkung „Herabsetzung“ aufweisen. Dass es dafür zu Gesprächen und einer Verständigung zwischen den jeweiligen Versicherungsnehmer und einen von der Klägerin beauftragen Mitarbeiterin gekommen sein muss, versteht sich von selbst. Zivilprozessualen Anforderungen genügt dies aber nicht. Den Beklagten mögen derartige Übersichten aus seiner Tätigkeit für die Klägerin vertraut sein. Dessen ungeachtet sind die konkreten Nachbearbeitungsbemühungen der Klägerin hieraus gerade nicht ersichtlich, sodass sich der Beklagte hierzu nicht einlassen kann und muss.

Der Buchauszug und seine Vollstreckbarkeit – so sieht es das OLG Karlsruhe

Wird der Unternehmer verurteilt, einen Buchauszug zu erteilen, erfolgt die Vollstreckung im Wege der Ersatzvornahme (§ 887 ZPO).

Auf Antrag ist der Handelsvertreter zu ermächtigen, den Buchauszug auf Kosten des Unternehmers durch einen Wirtschaftsprüfer erstellen zu lassen.

Im Vollstreckungsverfahren ist der Einwand der Erfüllung zu prüfen. Weist der vom Unternehmer vorgelegte Buchauszug Mängel auf, rechtfertigt dies nicht ohne weiteres eine Ersatzvornahme durch Anfertigung eines vollständigen, neuen Buchauszugs. Entscheidend ist, ob der vom Unternehmer erstellte Buchauszug bestimmten formalen Anforderungen im Wesentlichen genügt, und ob er trotz der vorhandenen Mängel (Fehlen bestimmter Angaben und Fehlen eines bestimmten Kreises von Geschäften) prinzipiell als Grundlage für eine eigene Provisionsabrechnung des Handelsvertreters geeignet ist.

Wenn im Buchauszug bestimmte Angaben zu den dokumentierten Geschäften fehlen, kann der Handelsvertreter im Vollstreckungsverfahren eine Ergänzung dieser Angaben durch einen Wirtschaftsprüfer auf Kosten des Unternehmers verlangen (hier: Fehlende Angaben zu Kundenzahlungen und zu den Gründen von Stornierungen). Die Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszugs stellt eine vertretbare Handlung im Sinne von § 887 ZPO dar.

Erfüllt die Schuldnerin ihre Verpflichtung nicht, findet auf Antrag der Gläubigerin gemäß § 887 ZPO eine Vollstreckung im Wege der Ersatzvornahme statt. Ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs wird vollstreckt, indem ein Wirtschaftsprüfer auf Kosten der Schuldnerin ermächtigt wird, den Buchauszug zu erstellen. Dabei ist im Vollstreckungsverfahren der Einwand der Schuldnerin zu prüfen, sie habe mit bestimmten Unterlagen den titulierten Anspruch der Gläubigerin auf Vorlage des Buchauszugs bereits erfüllt.

Ein Buchauszug muss sämtliche in den Büchern des Unternehmers verzeichneten Geschäfte, die unter den Urteilsausspruch fallen, mit den in den Büchern enthaltenen Angaben vollständig erfassen und klar, geordnet und übersichtlich darstellen. In welcher Weise dies zu erreichen ist, hängt von Art und Umfang der im Einzelfall anzugebenden Tatsachen ab. Dabei ist der Unternehmer grundsätzlich nicht auf eine bestimmte Form der Darstellung festgelegt. Es steht ihm vielmehr frei, unter mehreren gleich geeigneten Darstellungsweisen eine Auswahl zu treffen, etwa die kostengünstigere oder weniger lästige Darstellungsform zu wählen.

Was die Verpflichtung zur Erteilung von Auskünften über “Retouren nebst Angabe von Gründen” bedeutet, ergibt sich aus dem Zweck dieser Angaben. Der Handelsvertreter soll in die Lage versetzt werden, auf Grund der Angaben zu beurteilen, ob ihm im Hinblick auf § 87 a Abs. 3 HGB einerseits und eventuelle ergänzende vertragliche Vereinbarungen mit dem Unternehmer andererseits eine Provision für das betreffende Geschäft zusteht. Das bedeutet, dass der Unternehmer zu jedem einzelnen stornierten Geschäft den Handelsvertreter über die relevanten Bestimmungen im Vertragsverhältnis zwischen Unternehmer und Kunden und über den maßgeblichen Schriftverkehr mit dem Kunden informieren muss, soweit diese Informationen für den Provisionsanspruch des Handelsvertreters von Bedeutung sein können.

Die Angaben bzw. Unterlagen sind jeweils in einer übersichtlichen, geordneten Art und Weise den einzelnen Geschäftsvorfällen zuzuordnen. Die vorhandenen Mängel des Buchauszugs rechtfertigen im Vollstreckungsverfahren keine Ersatzvornahme durch Anfertigung eines vollständigen neuen Buchauszugs, sondern lediglich die Anordnung einer Ergänzung.

Entscheidend ist, dass der von der Schuldnerin vorgelegte Buchauszug in formaler Hinsicht im Wesentlichen den Anforderungen an einen Buchauszug entspricht. Es handelt sich um eine übersichtliche und zeitlich geordnete Aufstellung von Geschäften, auf welche sich nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe im Erkenntnisverfahren der Buchauszug beziehen muss.

Der Ablauf der einzelnen Geschäfte von der Bestellung über Auftragsbestätigung, Lieferung und Rechnungsstellung ist nachvollziehbar. Mit Ausnahme der zu ergänzenden Angaben orientiert sich die Aufstellung der Schuldnerin an den Angaben, welche nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe im Erkenntnisverfahren von ihr zu machen sind. Der Umstand, dass die Schuldnerin den Buchauszug in unterschiedliche Listen aufgespalten hat (neben der Hauptliste gibt es eine Liste zu den Gutschriften und eine Stornoliste), schadet nicht. Die Geschäftsvorfälle in der Liste zu den Gutschriften lassen sich mit Hilfe der jeweils angegebenen Auftragsnummer unschwierig den Geschäftsvorfällen in der Hauptliste zuordnen.

Die Stornoliste enthält zwar Geschäftsvorfälle, die in der Hauptliste nicht enthalten sind. Dabei werden zu jedem Geschäft jedoch die gleichen Informationen wiedergegeben, die auch die Hauptliste zu den einzelnen Geschäften enthält. Der von der Schuldnerin vorgelegte Buchauszug ist – ggfs. im Zusammenhang mit den noch zu ergänzenden Angaben – als Grundlage für eine eigene Provisionsberechnung der Gläubigerin geeignet.

Die Aufstellung der Schuldnerin ist formal geordnet und nachvollziehbar. In diesem wesentlichen Punkt unterscheidet sich der vorgelegte Buchauszug von dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung des BGH vom 20.01.2014 zugrunde lag. Denn in der dortigen Entscheidung ließen sich die vorgelegten Unterlagen – anders als im vorliegenden Fall – nicht zuordnen. Wenn der Charakter des Buchauszugs gewahrt ist und lediglich bestimmte Angaben und ein bestimmter Kreis von Geschäften fehlen, reicht im Rahmen von § 887 Abs. 1 ZPO die Anordnung einer Ergänzung des Buchauszugs.

Die Anordnung einer Ersatzvornahme durch die Anordnung eines vollständigen, neuen Buchauszugs wäre nur dann gerechtfertigt, wenn das titulierte Auskunftsinteresse der Gläubigerin anders nicht gewahrt werden könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die rechtlichen Interessen der Gläubigerin können auch ohne einen neuen Buchauszug ausreichend gewahrt werden. Die Gläubigerin kann die fehlenden Angaben zu Kundenzahlungen und zu den Gründen von Stornierungen durch Ergänzungsanträge durchsetzen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe folgt dafür der herrschenden Meinung, wonach bei einem unvollständigen Buchauszug eine Ergänzung im Vollstreckungsverfahren möglich ist. Es ist insoweit kein neuer Antrag im Auskunftsverfahren erforderlich.

Die Gläubigerin wird bei einem Ergänzungsantrag auch kostenmäßig nicht schlechter gestellt als bei der Anfertigung eines neuen Buchauszugs. Wenn der in dieser Entscheidung festgesetzte Vorschuss für die Ergänzung nicht ausreichen sollte, kann die Gläubigerin nicht nur eventuell höhere Kosten später abrechnen, sondern auch schon vorher einen ergänzenden Vorschuss verlangen.

Der Buchauszug ist vorliegend in verschiedenen Punkten unvollständig, weil bestimmte Geschäfte, über die Auskunft zu erteilen ist, in den Aufstellungen der Schuldnerin nicht enthalten sind. Diesem Mangel wird zwar durch die bisherigen Ergänzungsanträge nicht abgeholfen. Es liegen auf Grund der festgestellten Unvollständigkeiten jedoch die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Bucheinsicht gemäß § 87 c Abs. 4 HGB vor, welchen die Gläubigerin durch einen ergänzenden Antrag in dem erstinstanzlich weiterhin anhängigen Erkenntnisverfahren durchsetzen kann. Die festgestellten Mängel berechtigen die Gläubigerin gemäß § 87 c Abs. 4 HGB, den gesamten Buchauszug auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu kontrollieren, also beispielsweise auch hinsichtlich der Frage, ob die im Urteil aufgeführten Produktgruppen von der Schuldnerin vollständig berücksichtigt wurden.

Zu der Bucheinsicht kann die Gläubigerin entweder einen Wirtschaftsprüfer hinzuziehen, oder sie kann – nach Wahl der Schuldnerin – die Bucheinsicht durch den Wirtschaftsprüfer durchführen lassen. Da die Schuldnerin die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit des Buchauszugs durch erhebliche Pflichtverletzungen verursacht hat, dürften die Kosten der Hinzuziehung eines Wirtschaftsprüfers bei der Bucheinsicht gemäß § 280 Abs. 1 BGB wohl zu Lasten der Schuldnerin gehen8. Angesichts der weiter bestehenden Ansprüche der Gläubigerin erscheint es denkbar, dass ein auf Kosten der Schuldnerin erstellter vollständig neuer Buchauszug auch im eigenen Interesse der Schuldnerin zweckmäßig wäre. Denn es ist nicht auszuschließen, dass die auf Grund von Einzelansprüchen auf die Schuldnerin zukommenden Kosten höher werden können als die Kosten eines Wirtschaftsprüfers für einen neuen Buchauszug. Aus den oben angeführten Gründen kann dies eine über die angeordneten Ergänzungen hinausgehende Vollstreckung jedoch nicht rechtfertigen.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 10. November 2014 – 9 W 37/14