Ausgleichsanspruch

Altersversorgung nach Übergang von der Generali zur DVAG

Im Jahre 2018 wurde der Vertrieb der Generali von der DVAG übernommen. Zumindest teilweise gab es dann wegen der Beendigung des Vertrages mit der Generali finanzielle Zusagen, die als Altersversorgung aufgebaut werden sollten. Die Einodrnung bereitet einigen Vermögensberatern noch heute Kopfzerbrechen.

Im Jahre 2018 hatte die Deutsche Vermögensberatung den Vertrieb der Generali Versicherung AG übernommen.

Oft hatten diese ehemals bei der Generali beschäftigten Mitarbeiter zuletzt dort Handelsvertreterverträge abgeschlossen. Zuvor bestanden bei vielen Arbeitsverträge. Eigentlich versprach die Generali eine Zukunft, sodass dieses Projekt, die Mitarbeiter aus dem Angestelltenverhältnis in das Handelsvertreterverhältnis zu locken, Agentur der Zukunft genannt wurde.

Diese Zukunft hielt nicht lange an. Schließlich wurde man von der DVAG übernommen, genauer gesagt von der Allfinanz Aktiengesellschaft DVAG in Frankfurt.

Am Ende bzw. zum Zeitpunkt des mit der Generali geschlossenen Handelsvertretervertrages beschäftigte man sich dort auch mit einem Handelsvertreterausgleich gemäß § 89b HGB.

Für den Fall, dass man den Wechsel zur DVAG mitmachen würde, soll es Leistungen in Form einer Altersversorgung geben.

Danach wurde eine fiktive Abfindung berechnet, die sich aus einem Sozialplan namens CEUS ergeben hätte, wenn das Anstellungsverhältnis ohne Wechsel in die Selbstständigkeit geendet hätte.

Normalerweise wird eine Abfindung, wenn sie denn fällig wird, am Ende eines Angestelltenvertrages ausgezahlt. Ein Ausgleichsanspruch würde ebenso am Ende eines Handelsvertreterverhältnisses gezahlt werden. In diesem Fall sollte jedoch eine Altersversorgung gebildet werden, die abhängig war von einer bestimmten Dauer der Zugehörigkeit bei der DVAG.

Der Betrag soll dann in ein Versicherungsmodell mit Beitragszahlungen über 3,5 bis zu 7 Jahren in eine Pensionszusage eingezahlt werden.

Ferner war vorgesehen, dass diese Anlage mit einem eventuell künftigen Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB verrechnet werden kann.

Neben dieser Anlage wird für Vermögensberater der DVAG, je nachdem, ob die Voraussetzungen gegeben sind, Zahlungen in ein Versorgungswerk durchgeführt. Diese haben grundsätzlich mit diesem Ausgleich der Generali, der oben beschrieben wurde, nichts zu tun und sind rechtlich davon zu trennen.

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Ungerechte Grundsätze

Die Grundsätze zur Berechnung des Ausgleichsanspruches sind nicht gerecht.

Sie sind unlogisch und unschlüssig.

Nehmen wir einmal als Beispiel die Abrechnung nach den „Grundsätzen“ im Haftpflichtbereich. Als allgemein bekannt darf man voraussetzen, dass Haftpflichtversicherungen oft eine lange Bestandsdauer haben.

Gemäß §89b Abs. 1 kann der Handelsvertreter einen Ausgleich verlangen, wenn und soweit der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung erhebliche Vorteile hat. Gemäß Abs. 5 gilt dies auch für Versicherungsvertreter mit der Maßgabe, dass anstatt der Geschäftsverbindung die Vermittlung neuer Versicherungsverträge als Ausgangspunkt gilt.

Nachvollziehbar gehen die Grundsätze dann auch von den letzten Provisionen aus. Sie bemessen die Provisionen der letzten fünf Jahre und berechnen daraus eine Durchschnittsprovision.

Anschließend soll daraus der wirtschaftliche Vorteil für den Unternehmer für die Zukunft berechnet werden.

Die Grundsätze legen dabei den Faktor 0,5 zu Grunde.

Dies bedeutet im Klartext: Der wirtschaftliche Vorteil des Unternehmens soll ausgehend von einer Jahresprovision davon 0,5, also die Hälfte einer Jahresprovision, betragen.

Der wirtschaftliche Vorteil im Bereich der Sachversicherungen soll damit für den Vertrieb auf ein halbes Jahr nach Ende des Handelsvertretervertrages begrenzt sein.

Man kann den Gedanken auch anders formulieren: Nach einem halben Jahr sollen bereits die von dem Handelsvertreter vermittelten Sachversicherungen für den Vertrieb keinen Wert mehr haben. Eigentlich kann dies nur sein, wenn sie storniert wurden.

An dieser Stelle muss allerdings erwähnt werden, dass je nach länge der Betriebszugehörigkeit eine Aufwertung erfolgt. Doch auch dieser Faktor bleibt nebulös.

Selbstverständlich dürfte eine Sachversicherung eine wesentlich längere Bestandsdauer haben.

Die Ausgangsüberlegungen in den Berechnungsvorgaben der Grundsätze sind nicht verständlich.

Noch deutlicher wird das Dilemma bei den Krankenversicherungen. Auch hier ist Ausgangspunkt eine Jahresprovision, gerechnet aus dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Diese wird dann mit dem Faktor 0,08 multipliziert. Zwölf Monate multipliziert mit 0,08 ergibt 0,96 Monate.

Gedanklich bedeutet dies, dass der wirtschaftliche Vorteil einer vermittelten Krankenversicherung nach 0,96 Monaten endet.

Auch hier gibt es einen weiteren Faktor abhängig von der Betriebsdauer.

Wird diese Betriebsdauer nicht erreicht, bleibt es bei den dubiosen geringen Faktoren.

Hier kann nur gefordert werden, dass die Grundsätze unbedingt revidiert werden.

Höhe des Ausgleichsanspruchs darf geschätzt werden

Am 25.06.2010 entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf, dass die Berechnung des Ausgleichsanspruches gemäß § 89 b HGB grundsätzlich im Wege einer Prognose vorgenommen werden kann. Es sind die Provisionen zu berücksichtigen, die der Handelsvertreter mit den von ihm geworbenen (Stamm-) Kunden im letzten Vertragsjahr erzielt hat, über die zu erwartenden Verlust nach Vertragsende über einen bestimmten Zeitraum vorgenommen werden.

§ 89 b Abs. 1 HGB wurde kürzlich geändert. Der Europäische Gerichtshof verlangte, dass die Begrenzung des Ausgleichsanspruches auf die vertraglichen Provisionsverluste nicht zulässig sei. Dies berücksichtigt der Deutsche Gesetzgeber in der nunmehr geänderten Fassung des § 89 b Abs. 1 HGB, wonach als Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch der nachvertragliche Unternehmensvorteil unverändert bestehen bleibt.

In den Fällen, in denen der Handelsvertreter früher keinen Ausgleich erhielt (z.B. wenn er nur eine Einmal-Provision erhalten hatte) sind nunmehr Ausgleichsansprüche nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn der Unternehmer oft über Jahre hinweg von dem Abschluss solcher Verträge erhebliche Vorteile erzielt. Hier besteht Hoffnung, dass solche Ausgleichsansprüche in Zukunft zur Auszahlung kommen.

Zu bedenken ist jedoch, dass der BGH am 29.03.1990 entschieden hatte, dass gemäß § 287 ZPO eine tatrichterliche Schätzung vorgenommen werden darf, als dass die dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses verbleibenden Vorteile aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, der Höhe nach identisch sind mit den Provisionsverlusten, den der Handelsvertreter in Folge der Beendigung des Vertragsverhältnisses erleidet. Sollte der BGH diese Rechtsprechung aufrechterhalten und weiterhin diese Berechnung als Grundlage heranziehen, könnte dies dazu führen, dass trotz der geänderten Gesetzeslage im Ergebnis keine neuen Entscheidungen zu erwarten sind.

Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 25.06.2010 – Aktenzeichen I – 16 U 191/09
BGH-Urteil vom 29.03.1990 – Aktenzeichen I ZR 2/98 – in WM 1990, 1496

Die Grundsätze ein Relikt vergangener Zeiten

Am 01.11.1976, also vor 48 Jahren, schufen der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e.V., der Bundesverband der Geschäftsstellenleiter der Assekuranz e.V. und der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) haben die Grundsätze zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs.

Je nach Versicherungssparte werden danach für die privaten Krankenversicherungen, für dynamische Lebensversicherungen und für Sachversicherungen getrennte Berechnungen zur Ermittlung des Ausgleichsanspruchs herangezogen.

Beispielhaft wird bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs bei den dynamischen Lebensversicherungen von den jeweiligen Versicherungssummen ausgegangen. Versicherungssummen waren tatsächlich einmal vorrangig Bestandteil üblicher Provisionsabrechnungen. Das ist lange her.

Zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs für die Lebensversicherungen wird es dann abenteurlich. Wenn man die erste Stufe erklommen hat und irgendeine Summe ermittelt hat, soll diese nach den Grundsätzen im Jahre 1975 mit 0.11, im Jahre 1976 mit 0.10 usw. berechnet werden. In den Jahren 1980ff. beträgt dieser Wert 0,08. Ganz offenkundig hat man die Lebensdauer der Grundsätze weit über das Jahr 1980 nicht in Betracht gezogen.

Bildet man beispielsweise eine Versicherungssumme von 100.000 €, käme man zu einem Zwischenstand von 8.000 €. Anschließend gibt es noch einen Bonus für die Dauer der hauptberuflichen Tätigkeit. Zu Beginn beträgt dieser 1, ab dem zehnten Jahr 1,25 und ab dem zwanzigsten Jahr 1,5. Wenn ein Vertreter bei diesem Beispiel 9 Jahre dabei war, würde er in diesem Fall 8.000 € erhalten.

Entsprechend der geschichtlichen Einordnung der Grundsätze erfolgt die Auszahlung nach den Grundsätzen in D-Mark.

Sind die Grundsätze noch zeitgemäß und gerecht? Gemäß § 89b kann der Handelsvertreter einen Ausgleich verlangen, wenn und soweit der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und die Zahlung der Billigkeit entspricht. Die Vorteile des Unternehmens bestehen in erster Linie darin, dass das Unternehmen dem Handelsvertreter keine Provisionen mehr zahlen muss (vgl. Bundesgerichtshof Urteil vom 23.11.2011 Az.: VIII ZR 203/10). Tenor dieser Entscheidung ist auch, dass der BGH an den Grundsätzen im  Rahmen einer Schätzung festhält.

Ausgleichsanspruch auch für die Struktur

Auch wer im Strukturvertrieb überwiegend betreuende Tätigkeiten ausgeführt hat, kann einen Anspruch auf den Ausgleich gem. § 89 b HGB haben. Der Ausgleichsanspruch ist u.U. auch für die auf- und ausgebaute Struktur zu zahlen.

Ein Handelsvertreter kann zur Erledigung seiner Vermittlungsaufgaben Untervertreter beauftragen. Im Sprachgebrauch gibt es echte Untervertreter, die mit dem Handelsvertreter in einem direkten Vertragsverhältnis stehen und unechte Untervertreter, die nur in einem Vertragsverhältnis mit dem Unternehmer stehen. Im typischen Strukturvertrieb, z.B. bei der DVAG, handelt es sich um unechte Untervertreter. Mitarbeiter in der Struktur binden sich vertraglich, ebenso wie der Handelsvertreter mit der Leitungsfunktion, mit dem Unternehmen.

Der Bundesgerichtshof urteilte in einem Urteil am 23.11.2011 unter dem Aktenzeichen VIII ZR 203/10, dass einem ehemaligen Vermögensberater der DVAG grundsätzlich ein Ausgleich auch für den Aufbau seiner Struktur zustehen kann.

Auf Seite 13 der Entscheidung heißt es:

Die soeben aufgezeigte Problematik der Aufteilung in vermittelnde unter verwaltende Vergütungsanteile stellt sich auch im Bereich der sogenannten Superprovisionen, durch die der Aufbau einer Vertriebsorganisation durch beispielsweise Einstellung, Einarbeitung und Betreuung von Untervertretung honoriert wird. Auch diese Superprovisionen können ausgleichspflichtig sein, soweit die Tätigkeit des Generalvertreters, Bezirksstellenleiters oder -wie hier- Generaldirektionsleiters Voraussetzung für das Arbeiten der ihm unterstellten Vertreter und daher mit ursächlich für die von diesen vermittelten Ausschlüssen ist …

Eine solche Mitursächlichkeit setzt -entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts- nicht zwingend voraus, dass der Generalvertreter die ihm unterstellten Vertreter auch tatsächlich betreut. Vielmehr kann je nach den Umständen des Einzelfalles schon die Mitursächlichkeit der Einstellung und Einarbeitung der Untervertreter ausreichen.

Etwas differenzierter sah es einmal eine Entscheidung des Oberlandesgericht München mit Urteil vom 10.07.2009 unter dem Aktenzeichen 7 U 4522/08. Wenn man nach den sogenannten Grundsätzen Leben abrechnet, soll es nach dieser Entscheidung keinen Ausgleichsanspruch für von unechten Untervertretern vermittelten Lebensversicherungsverträge geben. Gegenstand dieser Entscheidung war ein Auskunftsanspruch, um den Ausgleichsanspruch zu berechnen. Das Oberlandesgericht München argumentierte, dass sich diese Einschränkung nur aus den sogenannten Grundsätzen ergibt. Bei einer anderen Berechnung würde es danach aber wohl keine Einschränkung geben.

Viele Vertriebe wenden ein, dass eine Provision nicht ausgleichsfähig wäre, weil diese als Entgelt für eine Leistung, nämlich der Verwaltung von Verträgen, gezahlt würde. In der Entscheidung des Oberlandesgericht München wurde auch darüber diskutiert, wann es sich um sogenannten Verwaltungsprovisionen handeln könnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 01.06.2005 (VIII ZR 335/04, RN 31), trifft die Darlegungs- und Beweislast dann den Unternehmer für eine Verwaltungsprovision, wenn nach der vertraglichen Provisionsregelung die Zweckbestimmung der zu zahlenden Provision nicht zweifelsfrei festzustellen ist.

Einmalige Abschlussprovisionen können bei Ausgleichsanspruch berücksichtigt werden

§ 89 b HGB regelt den Ausgleichsanspruch für Handelsvertreter. Früher war dort explizit aufgezählt, dass es einen Ausgleichsanspruch nur gibt, wenn der Handelsvertreter nach Vertragsende Provisionsverluste hat.

Diese Regelung wurde gestrichen, jedoch von einigen Gerichten über das Hintertürchen Billigkeit wider eingeführt. Billig (und gerecht) wäre es nicht, wenn es einen Ausgleich gäbe, wenn der Handelsvertrter nur eine einmalige Provision erhalten hat, die er nach Vertragsende nicht mehr bekommen würde.

Der EuGH hatte sich am 23.3.23 unter dem Az. C- 574/21 mit dieser Frage beschäftigt. Es ging um einen Handyverkäufer von O2, der einen Ausgleich wollte und Einmalprovisionen bezog. Im Ergebnis meinte der EuGH, dass Einmalprovisionen berücksichtigt werden, soweit diese pauschal jeden neuen Vertrag vergüten sollen.

Der EuGH dazu:

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/653 dahin auszulegen ist, dass die Zahlung von Einmalprovisionen dazu führt, dass von der Berechnung des Ausgleichs nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 86/653 die Provisionen ausgeschlossen werden, die dem Handelsvertreter aus Geschäften entgehen, die der Unternehmer nach Beendigung des Handelsvertretervertrags mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter vor dieser Beendigung für den Unternehmer geworben hat, oder mit Kunden, mit denen der Handelsvertreter vor dieser Beendigung die Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat, abschließt.

…………

In der mündlichen Verhandlung hat O2 Czech Republic jedoch darauf hingewiesen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Einmalprovisionen pauschalen Vergütungen für jeden neuen Vertrag entsprächen, der auf Vermittlung des Klägers des Ausgangsverfahrens mit neuen oder vorhandenen Kunden abgeschlossen worden sei.

…………

Falls dem so ist – was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist –, könnte durch den vom Kläger des Ausgangsverfahrens gewonnenen oder erweiterten Kundenstock ein Mehrwert in Form von neuen Geschäften entstanden sein, die einen Provisionsanspruch begründet hätten, wenn der Handelsvertretervertrag nicht beendet worden wäre.

……………………

Nach alledem ist ………. dahin auszulegen, dass die Zahlung von Einmalprovisionen nicht dazu führt, dass von der Berechnung des Ausgleichs nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 86/653 die Provisionen ausgeschlossen werden, die dem Handelsvertreter aus Geschäften entgehen, die der Unternehmer nach Beendigung des Handelsvertretervertrags mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter vor dieser Beendigung für den Unternehmer geworben hat, oder mit Kunden, mit denen der Handelsvertreter vor dieser Beendigung die Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat, abschließt, wenn diese Provisionen pauschalen Vergütungen für jeden neuen Vertrag entsprechen, der auf Vermittlung des Handelsvertreters mit diesen neuen Kunden oder mit vorhandenen Kunden des Unternehmers abgeschlossen wird.

Die Sittenwidrigkeit mancher Klauseln zum Ausgleichsanspruch

Der Handelsvertreter hat eventuell einen Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB.

Dies gilt unter Umständen auch dann, wenn der Handelsvertreter einen Kundenbestand übernommen hat.  Nicht unüblich ist, dass einige Vertriebler erst einmal den Kundenstamm kaufen soll, bevor man beginnen kann. Dieser Kaufpreis wird dann teilweise gestundet und soll am Ende mit dem Ausgleichsanspruch verrechnet werden. Diese Praxis stößt auf Bedenken.

Das Oberlandesgericht Celle hat sich mit Urteil vom 31.12.2001 – 11 U 90/21 über die Voraussetzungen und Folgen Gedanken gemacht. Das OLG hatte eine Einstandszahlung in Höhe von DM 200.000,– netto, die bis zur Beendigung gestundet worden ist, als sittenwidrig im Sinne des § 89b Abs. 4 HGB angesehen, weil der Höchstbetrag, die durchschnittliche Jahresprovision, in Höhe von DM 212.000,–, nur gering über der Einstandssumme lag (OLG Celle, Urteil vom 13.12.2001 – 11 U 90/01).

Die Höhe des Ausgleichsanspruchs ist in seiner Höhe durch die Regelung in § 89 b Abs. 2 HGB beschränkt. Er kann nicht im Voraus ausgeschlossen werden, §89 b Abs. 4 Satz 1 HGB. Die Regelung soll den Handelsvertreter vor der Gefahr schützen, sich aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von dem Unternehmen auf ihn benachteiligende Abreden einzulassen. Die Verhandlungsposition des Handelsvertreters unterliegt gegenüber der des Unternehmens in der Regel.

Auch eine Vereinbarung über die Zahlung einer Einstandssumme stellt einen solchen im Voraus vereinbarten Ausschluss dar, da dieser den Anspruch des Klägers erheblich vermindert. Aufgrund dessen ist eine Vereinbarung darüber zudem unzulässig.

Der Anspruch kann auch nicht mit dem Argument abgegolten werden, der Handelsvertreter übernehme einen Altkundenstamm und erzielt damit direkte erhebliche Umsätze. Denn auch für den Unternehmer ist es von Vorteil, wenn dieser seine Verträge weiter erfüllen kann.

Das OLG Celle hatte dieses mit Urteil von 31.12.2001 ausdrücklich bestätigt. Hier ging es um eine Einstandszahlung in Höhe von 200.000 DM, die der Handelsvertreter zahlen sollte.

Der BGH hatte Jahre zuvor noch entschieden, dass vereinbarte Einstandszahlungen generell zulässig sein können (BGH, Urteil vom 24.02.1983 – I ZR 14/81 – HVR Nr. 574).

Dabei käme es jedoch darauf an, ob die angemessene Gegenleistung angemessen ist.

Ausgleichsanspruch, wenn nur einmalige Provisionen gezahlt wurden?

Gibt es einen Ausgleichsanspruch gem § 89 b HGB, wenn der Vertrieb nur einmalige Abschlussprovisionen gezahlt hat? So etwas ist gar nicht unüblich. Z.B. findet man auch im Hause der HUK bei den Handelsvertretern ähnliche vertragliche Regelungen. Dafür wurde dort der Begriff der Stückprovision kreiert.

Früher gab es einen Ausgleich nur, wenn Provisionsverluste nach Vertragsende vereinbart waren. Diese Regelung wurde in § 89 b HGB gestrichen.

Danach war streitig, ob es einen Ausgleichsanspruch gibt, wenn es keine Provisionsverluste geben kam, z.B. dann, wenn ohnehin nur einmalige Provisionen gezahlt werden.

Viele Urteile enthielten sich einer klaren Auffassung (EuGH vom 26.03.2009, BGH vom 13.01.2010 und Beschluss des BGH vom 29.04.2009…).

Das Landgericht München – 10 HK O 3966/10 vom 23. Februar 2011 –  soll einen Ausgleich für Einmalprovisionen verneint haben und begründete dies wie folgt:

„Die Zahlung eines Ausgleichsanspruchs muss insbesondere unter Berücksichtigung der Provisionsverluste der Billigkeit entsprechen. Nach Ansicht des Gerichts ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzestextes, dass die Zahlung eines Ausgleichsanspruchs im Fall des Ausbleibens von Provisionsverlusten nicht der Regelfall, sondern der Ausnahmefall ist (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 34. Auflage, Rdnr. 24 zu § 89b HGB). Denn der Zweck des Ausgleichsanspruchs ist es die Nachteile auszugleichen, die der Handelsvertreter infolge der Vertragsbeendigung dadurch erleidet, dass er von ihm geschaffene Kundenkontakte nicht mehr nutzen kann, der Unternehmer hingegen aus der Nutzung dieser Kontakte Vorteile zieht, für die er wegen der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses keine Gegenleistung mehr erbringen muss.

Provisionsverluste erleidet der Kläger vorliegend unstreitig nicht, da die Parteien eine Einmalprovision vereinbart hatten; mit der Vereinbarung von Einmalprovision sollen die mit der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses üblicherweise verbundenen, zuvor angesprochenen Nachteile des Handelsvertreters grundsätzlich kompensiert sein. Es ist zwar zutreffend, dass Provisionsverluste des Handelsvertreters nicht mehr Anspruchsvoraussetzung sind, jedoch sind Provisionsverluste gewichtiger Umstand im Rahmen der Billigkeitsprüfung. Dieser in die Billigkeitsabwägung zu Gunsten des Klägers einzustellende Umstand entfällt vorliegend. Umstände, welche es vorliegend gleichwohl billig erscheinen lassen, dem Kläger, obwohl er keine Provisionsverluste erleidet, einen Ausgleichsanspruch zuzusprechen, hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht vorgetragen.“

Ausgleichsanspruch: Atypisches Jahr wird nicht mit gerechnet

Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 1996 – VIII ZR 141/95 – „Volvo“; BGH, Urteil vom 5. Juni 1996 – VIII ZR 7/95 – „Fiat/Lancia“; BGH, Urteil vom 26. Februar 1997 – VIII ZR 272/95 „Renault II“) ist bei der analog § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB anzustellenden Prognose, in welchem Umfang Nachbestellungen zu erwarten sind, auf einen „Stammkunden- bzw. Mehrfachkundenumsatz“ abzustellen, der vom Vertragshändler vorzutragen ist. Ausgangspunkt sind dabei die Mehrfachkundenprovisionen des letzten Vertragsjahres, sofern dieses keinen atypischen Verlauf genommen hat. Für den Fall, dass das letzte Vertragsjahr als zu berücksichtigendes Basisjahr einen atypischen Verlauf genommen hat, kann ein Durchschnittswert unter Heranziehung eines längeren Zeitraums gebildet werden. Im Regelfall ist der Ausgleichsberechnung insofern der einer Handelsvertreterprovision vergleichbare Teil des Händlerrabatts zu Grunde zu legen, der auf der Grundlage der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen um händlertypische Bestandteile zu bereinigen ist (vgl. nur statt vieler BGH, Urteil vom 5. Juni 1996 -VIII ZR 141/95 ; Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 23. Mai 2006 -5U94/05-, juris).

Zitat aus Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf Urteil vom 29.03.2012 – I-16 U 199/10

Ausgleichsanspruch trotz wirksamer frisloser Kündigung

Einem Handelsvertreter wurde fristlos gekündigt. Dennoch hat er einen Handelsvertreterausgleich gem § 89 b HGB.

So entschied das Oberlandesgericht Köln am 01.03.2021 unter dem Az.: 19 U 148/20 – trotz Verurteilung wegen Steuerhinterziehung zu 180 Tagessätzen des Handelsvertreters und trotz wirksamer fristloser Kündigung des Handelsvertreterverhältnisses wurde der Anspruch nach § 89 b HGB anerkannt.

Ein Versicherungsvertreter hatte 14 Jahre für eine Versicherungsgesellschaft gearbeitet. Er wurde strafrechtlich rechtskräftig verurteilt.

Das OLG argumentierte, dass keine Gründe vorliegen „in der Privatsphäre oder Lebensführung des Handelsvertreters“, die einen Ausschluss rechtfertigen können.

Die fristlose Kündigung hatten übrigens sowohl das Landgericht Köln in erster Instanz als auch das OLG in zweiter Instanz bejaht. Das führte aber nicht zu einer Versagung des Anspruchs auf den Ausgleich. gem § 89 b HGB.

Wenn eine Vorstrafe oder ein sonstiges Handeln nichts mit dem Vertragsverhältnis zu tun hat, darf es nicht zum Ausschluss des Ausgleiches kommen. Darin waren sich beide Instanzen einig. Es wurde lediglich ein Billigkeitsabzug in Höhe von 25 Prozent vorgenommen, da die Vermögensverhältnisse des Handelsvertreters ungeordnet waren. Außerdem erwähnte das Gericht, die Beklagte sei ja nicht unmittelbare Geschädigte der Straftat gewesen.

Die Versagung des Handelsvertreterausgleichs setzt voraus, dass das Unternehmen das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Versicherungsvertreters vorliegt. Diese Gründe müssen so schwerwiegend sein, dass die Fortsetzung des Handelsvertretervertrages bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Vertrags nicht zugemutet werden kann.

Kritik an dem Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB und den Grundsätzen

Es gibt Gesetze, die wegen ihrer inhaltlichen Ungenauigkeiten und einer unklaren Rechtsprechung dringend der Erneuerung bedürfen.

Dazu gehört sicher auch die Regelung über den Ausgleichsanspruch für Handelsvertreter gemäß § 89 b HGB.

Während es in Hinblick darauf, ob und wann es den Ausgleichsanspruch gibt, relativ klare Regelungen gibt, bereitet die Frage nach der Höhe des Ausgleichsanspruchs in der Praxis große Probleme.

Anspruch auf einen Ausgleich hat der Handelsvertreter, wenn der Handelsvertretervertrag wegen des Alters des Handelsvertreters oder im Fall einer Kündigung durch das Unternehmen zu Ende geht. Kündigt der Handelsvertreter selbst oder ist das Unternehmen zur fristlosen Kündigung berechtigt, könnte der Ausgleichsanspruch ausgeschlossen sein. Bis hierhin ist alles nachvollziehbar.

Die Schwierigkeit gestaltet sich dann in der Berechnung. § 89 b HGB sieht vor, dass der Handelsvertreter höchstens einen Ausgleich in Höhe einer durchschnittlichen Jahresprovisionen erhält, bei Versicherungsvertretern höchstens von 3 Jahresprovisionen.

Der Begriff „höchstens“ gibt aber keinen Aufschluss darüber, wie der nun der Ausgleich der Höhe nach zu berechnen ist. In § 89 b HGB steht lediglich, dass das Unternehmen nach Ende des Handelsvertretervertrages“ erhebliche Vorteile“ mit den neuen Kunden, beim Versicherungsvertreter von den neuen Versicherungsverträgen, haben muss.

Auch wenn der Handelsvertreter einen Bestand übernommen hat, soll er einen Ausgleich erhalten, wenn der Umsatz der Kunden bzw. bei den Verträgen erheblich gesteigert wurde.

An dieser Stelle beginnt es, schwierig zu werden. Der Handelsvertreter braucht, um dies berechnen zu können, eine genaue Übersicht über die vermittelten Kunden bzw. Verträge am Ende des Handelsvertreterfensters.

Die Rechtsprechung verlangt nämlich, dass der Handelsvertreter eigentlich selbst abrechnen müsste, er in vollem Umfang darlegungs- und beweisbelastet ist. Dies ist bereits eine Hürde, die vielen Handelsvertreter im Wege steht.

Am besten greift man dann auf die Provisionsabrechnungen des letzten Vertragsjahres zurück (es sei denn, es würde sich zum Beispiel im Falle einer Erkrankung um ein untypisches Vertragsjahr handeln), um zu überprüfen, welche Kunden bzw. Verträge zum Schluss des Handelsvertretervertrages noch da waren. Auch der BGH stellt seine Rechtsprechung auf die Provisionsabrechnungen des letzten Jahres ab.

Der BGH bringt aber noch ein paar weitere Verschärfungen ein. Er sagt, dass selbstverständlich nicht alle Provisionen für den Ausgleich eine Rolle spielen. So müssen zum Beispiel Einmalprovisionen und Verwaltungsprovisionen herausgerechnet werden.

Und da die Vertriebsbranche sich allerlei Provisionsbegriffe hat einfallen lassen, wird hier die Angelegenheit unübersichtlich und für den Laien kaum noch zu überwinden. Da gibt es Differenzprovisionen, Bestandsprovisionen, Bestandspflegeprovisionen, garantierte Provisionen, Abschluss- und Erfolgsprovisionen, Superprovisionen, Dynamikprovisionen und vieles mehr. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

Wenn der BGH irgendwann einmal entscheidet, dass eine bestimmte Provision ausgleichspflichtig ist, gibt es auch jemanden in der Branche, der dann dieser Provision einen anderen Namen gibt und meint, dafür gibt es keinen Ausgleich.

Und wenn jemand glaubt, dass die Versicherungswirtschaft doch eine vereinfachte Berechnung geschaffen hat, in dem man auf die Grundsätze zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs verweist, die von Vertretern der Versicherungswirtschaft vereinbart wurden, stellt sich auch dies als großer Irrtum dar.

Diese Grundsätze stammen erstmalig aus dem Jahr 1958 und man sollte so langsam die Abschiebung in den Ruhestand erwarten. Die Parameter, nach denen dort abgerechnet wird, sind nicht nachvollziehbar. Vergleichsberechnungen haben mitunter ergeben, dass eine Abrechnung nach den Grundsätzen gegenüber den gesetzlichen Berechnungen wesentlich geringer ausfällt.

Auch inhaltlich sind die Grundsätze überholt. Dynamische Lebensversicherungen sollen danach noch immer nach den sogenannten Versicherungssummen berechnet werden. Früher wurden tatsächlich Provisionen nach den Versicherungssummen berechnet. Dies ist auch lange vorbei.

Das heißt, dass der Handelsvertreter mit seinen Provisionsabrechnungen gar nicht in der Lage sein kann, nach den Grundsätzen ordentlich zu rechnen. Er kennt die Versicherungssumme in der Regel nicht.

Die Grundsätze, und Teile des § 89 b HGB, bedürfen dringend einer Erneuerung.