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Der Streit um die Provisionen läuft nicht mit dem Ende des Handelsvertretervertrages aus. Oftmals geht der Streit dann erst richtig los, wenn man vertraglich auseinandergeht.
Dies gilt so mehr, wenn der Handelsvertreter Provisionsvorschüsse erhalten hat und diese nun nach Ende des Vertrages zurückzahlen soll. Oftmals sind Stornierungen der einst vom Handelsvertreter vermittelten Verträge der Grund für die Streitigkeiten.
Altbekannt sind auch die gegenseitigen Vorhaltungen. Der Handelsvertreter meint, der Bestandsnachfolger habe um gedeckt. Der Vertrieb dagegen glaubt, der einen Vertreter habe die Kunden mitgenommen und zur Kündigung überredet.
Um diesen Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen, suchen Vertriebe in ihren zurecht geschneiderten Handelsvertreterverträgen einfache Lösungen. Eine solche könnte zum Beispiel eine Klausel sein, nach der der Handelsvertreter ausdrücklich jeder Provisionsabrechnung widersprechen muss, damit er diese Sicht gegen sich gelten lassen muss.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH muss der Handelsvertreter nicht widersprechen. Provisionsabrechnungen, die den Handelsvertreter belasten, habe nicht die Fiktion eines vom Handelsvertreter ausgehenden Anerkenntnisses.
Wenn dies Gegenstand einer vertraglichen Regelung ist, ist dies nach Auffassung des BGH unwirksam. Insofern wird Bezug genommen auf die Entscheidung des BGH vom 20.9.2006 unter dem Aktenzeichen VIII ZR 10/05.
Danach ist eine Vereinbarung zwischen Handelsvertreter und Unternehmer, nach der die Provisionsabrechnungen des Unternehmers als anerkannt gelten, wenn der Handelsvertreter nicht innerhalb einer bestimmten Frist Widerspruch erhebt, wegen Verstoßes gegen § 87 c HGB unwirksam.
Der Annahme eines sich ständig wiederholenden negativen Schuldanerkenntnisses des Handelsvertreters durch Schweigen auf die Provisionsabrechnungen des Unternehmers stehen die dem Schutz des meist wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters dienenden §§ 87a Abs. 5, 87c Abs. 5 HGB entgegen.
Dies ist Gegenstand ständiger Rechtsprechung des BGH. Bereits Urteil vom 29.11.1995 unter dem Aktenzeichen VIII ZR 293/94 entschied der BGH, dass die jahrelange widerspruchslose Hinnahme der Provisionsabrechnungen nicht als ein sich ständig sich wiederholendes negatives Schuldanerkenntnis des Handelsvertreters ausgelegt werden kann, dass ihm Ansprüche auf Erteilung eines Buchauszuges und auf Zahlung weiterer Provisionen nicht zustehen.
Das Schweigen nach einer Provisionsabrechnung ist demnach niemals ein Anerkenntnis.
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Das Oberlandesgericht Nürnberg hatte unter dem Aktenzeichen 3 U 1669/23 am 21.05.2024 ein interessantes Urteil darüber gefällt, wer sich als „Honoraranlagenberater“ bezeichnen darf.
Das Gesetz unterscheidet Vermittler in der Finanzdienstleistungsbranche.
Es gibt Versicherungsvermittler und Versicherungsberater gemäß § 34d GewO. Der Versicherungsberater erhält ein Honorar, der Versicherungsvermittler eine Provision.
Gemäß § 34f GewO gibt es dann noch den Finanzanlagenvermittler, gemäß § 34h GewO den Honorar-Finanzanlagenberater und gemäß § 34i GewO den Immobiliardarlehensvermittler. Der Finanzanlagenvermittler erhält zumeist eine Provision, der Honorarfinanzanlagenvermittler ein Honorar und der Immobiliardarlehensvermittler eine Provision.
Angeblich sollen die Parteien etwas mit dem Rechtsstreit vor dem OLG Nürnberg zu tun haben. Das Oberlandesgericht hatte darüber zu entscheiden, ob eine Vermittlungspraxis, wohl des VDH, aus bestimmten Gründen irrführend und deshalb unlauter sei.
Der Beklagten wurden vom OLG Nürnberg verboten, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“ zu führen, wie dies angeblich auf einer Internetseite geschah.
Die klagende Partei ist als Versicherungsberater gemäß § 34d Abs. 2 GewO und Honorar-Finanzanlagenberater gemäß § 34h GewO zugelassen. Die beklagte Partei ist Versicherungsberaterin und Honorar-Finanzanlagenberaterin.
Gegen ein Entgelt von 59,00 € pro Monat soll es Personen gestattet gewesen sein, sich bei der Beklagten im Register für Verbraucher eintragen zu lassen. Sie werden dort als Verbundpartner geführt. Verbraucher sollen dann auf der Suche nach einem Honorarberater an diese Verbundpartner vermittelt worden sein, indem sie Kontaktanfragen dorthin weitergeleitet haben sollen.
Bei den Verbundpartnern soll es sich zum großen Teil um Personen gehandelt haben, die selbst nicht als Versicherungsberater oder Honorar-Finanzanlagenberater zugelassen sind. Die Verbundpartner sollen dann gegen ein entsprechend vereinbartes Honorar gegenüber dem interessierten Verbraucher tätig werden.
Das OLG weist darauf hin, dass ein Versicherungsberater seine Tätigkeit ausübt, ohne Vorteile von einer Versicherungsgesellschaft zu erhalten und von einer solchen abhängig zu sein. Die (jeweils erlaubnispflichtigen) Tätigkeiten als Versicherungsvermittler und als Versicherungsberater schließen sich gegenseitig aus (§ 34d Abs. 3 GewO).
Für den Bereich der Finanzanlagen gilt nach Ansicht des OLG eine ähnliche Systematik. Ein Honorar-Finanzanlagenberater ist, wer vermittelt, ohne Zuwendungen von einem Produktgeber zu erhalten oder in anderer Weise von einem solchen abhängig zu sein (§ 34h Abs.1 GewO). Der Honorar-Finanzanlagenberater darf nach § 34h Abs. 2 GewO kein Gewerbe als gewöhnlicher Finanzanlagenvermittler nach § 34f GewO ausüben und muss zudem eine hinreichende Anzahl der angebotenen Finanzanlagen zu Grunde legen.
Das Oberlandesgericht weist darauf hin, dass die Berufsbilder Versicherungsberater und Honorar-Finanzanlagenberater sich durch das Fehlen von laufenden Provisionsvereinbarungen und anderen, die Unabhängigkeit gefährdenden Vertragsbeziehungen zu Anbietern von Versicherungen oder Finanzprodukten auszeichnet. Es gelte das Verbot, diese Tätigkeiten gegen Provision auszuüben. Diese Regelung dient erkennbar dem Schutz der Verbraucher.
Ein Verbraucher soll sich darauf verlassen können, wenn er sich an einen Versicherungsberater oder einen Honorar-Finanzanlagenberater wendet, dass er weder konkreten Fall noch sonst in diesem Bereich provisionsbasiert tätig ist. Nur ein solches Totalverbot würde die Integrität dieser Berater in besonderem Maße sichern. Dies wäre in gleicher Weise nicht gegeben, wenn der Berater je nach Kundenwunsch oder Situation im Einzelfall einmal gegen Provision, einmal gegen Honorar tätig sein würde. Dies ergibt sich aus § 34d Abs. 3 und § 34h Abs. 2 GewO.
Das OLG führte weiter aus, dass die verlangte Trennung der Tätigkeit die Verbrauchererwartung in entscheidender Weise „normativ“ präge. Die allgemeine Verkehrsauffassung sei somit durch gesetzliche Definitionen beeinflusst und geprägt. Die angesprochenen Kreise, hier die Verbraucher, müssten nicht einmal genaue Kenntnis von den einzelnen juristischen Vorgaben besitzen. Entscheidend und ausreichend ist, dass sie ein laienhaftes Wissen und Verständnis aufweisen, dass in einer bestimmten Branche, wie in der Finanzdienstleistung, Personen ausschließlich auf Honorarbasis arbeiten und Andere von Provisionen leben.
Der suchende Verbraucher müsse daher geschützt sein. Dies geht vor allem dann, wenn er nach einem „Exoten“ suchst, wie es der Versicherungsberater oder Honorar-Finanzanlagenberater nach Ansicht des OLG Nürnberg ist.
Das Oberlandesgericht meinte daher, dass die Vermittlungspraxis der Beklagten diese Erwartung der zumindest eines erheblichen Teils der Verbraucher widersprechen würde.
Unerheblich sei nach Ansicht des Gerichts, ob es sich hier um einen Versicherungsmakler handelt. Auch die Tätigkeit eines Versicherungsmaklers sei nicht kompatibel mit der eines Versicherberaters. Unerheblich ist, dass ein Versicherungsmakler nicht von einem Versicherungsunternehmen mit Vertragsabschlüssen lebe und er nicht von vornerein im Lager eines bestimmten Versicherers stehe.
Das OLG Nürnberg hat sich im Weiteren mit vielen anderen Argumenten beschäftigt. Nach bisheriger Kenntnis ist das Urteil unveröffentlicht. Es liegt dem Handelsvertreterblog jedoch in geschwärzter Form vor.
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Während kürzlich der WDR über die DVAG kritisch berichtete, hat sich nunmehr die Zeit mit dem Unternehmen befasst.
Das Verlagshaus der Zeit in Hamburg hat übrigens geschichtlich einiges vorzuweisen. Dort befindet sich auch noch das Arbeitszimmer von unserem ehemaligen Kanzler Helmut Schmidt. Ob es noch nach Zigarettenqualm riecht, ist eine der spannenden Fragen, die das Haus offen lässt.
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Mitarbeiter eines bayerischen Vertriebs, der sich auf die Versicherungen von Soldaten spezialisiert hat, kamen auf eine ganz neue Idee der Kundenanwerbung.
Um die Möglichkeiten der Akquisition zu fördern, entschied man sich kurzerhand, die potentiellen Kunden dort abzuholen, wo man diese gewöhnlich trifft, nämlich am Bahnhof.
Kurzerhand zog man sich eine Soldatenuniform an, ging zum Bahnhof, um dort den Kontakt zu anderen Soldaten zu suchen. Dies fand natürlich zu Zeiten statt, in der man gewöhnlicherweise Soldaten am Bahnhof vermutet, freitags oder sonntags auf dem Weg zur Kaserne oder nach Hause. Man sprach sie dort an, in der Hoffnung, persönliche Daten austauschen zu können, die man später für die Akquise gebrauchen könnte.
Wenn man also einem Passanten in Uniform am Bahnhof begegnet, könnte es ein Versicherungsvertreter sein. Man sollte sich auch nicht wundern, wenn manch ein nach Pfarrer oder Cowboy aussehender Karnevalist in Wirklichkeit ein närrischer Versicherungsagent auf der Suche nach neuer Kundschaft ist.
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EuGH: Folgeprovisionen sind vertraglich ausschließbar
Folgeprovisionen entstehen, wenn ein erfolgreicher Abschluss herbeigeführt wird und aus diesem Geschäft später, z.B. wenn der Kunde weitere Zahlungen vornimmt, weitere Provisionen entstehen.
So banal diese Regelung klingt, hat dies erhebliche praktische Auswirkungen.
Wenn z.B. ein Handelsvertreter sich auf ein Geschäft fokussiert, in dem eine lange Betreuung der Kunden nötig wird, könnte er auf Folgeprovisonen angewiesen sein. Dies ist z.B. im Bereich der privaten Krankenversicherungen interessant. Wer diese vermittelt, muss berücksichtigen, dass Kunden im Alter oft einen hohen Beratungsbedarf haben. Ein sehr großer deutscher Vertrieb zahlt hier gar keine Folgeprovison. Wenn man viele Kunden im Krankenversicherungsbereich hat, wird man dann im besagten Regen stehen gelassen.
Andererseits haben Folgeprovsionen Auswirkungen auf den Ausgleichsasnpruch. Denn ausgleichspflichtig sind nur Folgeprovsionen und keine einmaligen Abschlussprovisionen. Man kann einen Handelsvertertervertrag so geschickt gestalten, dass allein wegen der Provisionszahlung ein Ausgleich ausgeschlossen ist. So sah dies ein Vertrag mit der HUK vor, der nur Abschlussprovisionen vorsah, oder ein Untervertertervertrag, in dem auch keine Folgeprovision gezahlt wurde, sondern nur ein Fixum zzgl Abschlussprovisonen.
Der EuGH hatte eine vertragliche Regelung zu prüfen, in der Folgeprovisionen ausgeschlossen wurden und beantwortete die Frage, ob dieser Ausschluss mit dem eurpäischen Recht in Einklang steht. Der EuGH meinte, dass ein Ausschluss dem eurpäischen Recht nicht widerspreche. Wenn im Vertrag die Folgeprovision ausgeschlossen ist, ist dies europarechtskonform (EuGH v. 13.10.2022 – C-64/21).
Art. 7 Ib der Handelsvertreterrichtlinie verbietet es danach dem Prinzipal nicht, den Anspruch seiner Handelsvertreter auf Zahlung von Folgeprovisionen auszuschließen.
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Kritisch unter die Lupe nahm der WDR in einem aktuellen Beitrag einige vertriebliche Tätigkeiten. Von tecis, DVAG und Ergo ist da die Rede.
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Ein Handelsvertreter muss Zuschüsse an eine Versicherung nicht zurückzahlen.
Dies ergab sich aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 23.09.2024.
Die Vertragsklausel, die eine Rückzahlung vorsah, wurde als unangemessene Benachteiligung gewertet. Das OLG sah darin eine Vertragsklausel mit unangemessener Benachteiligung des Handelsvertreters und entschied, dass diese unwirksam sei.
Konkret ging es um eine Rückforderung von über 44.000 Euro, die im Agenturvertrag des Handelsvertreters mit der Versicherung geregelt war. Der Handelsvertreter hatte den Vertrag allerdings mit wichtigen Gründen fristlos gekündigt, woraufhin die Versicherung die Rückzahlung der gezahlten Zuschüsse forderte.
Das OLG meinte, die Klausel verstoße gegen Treu und Glauben (§ 307 BGB). Die Klausel verpflichtete den Handelsvertreter zur Rückzahlung, selbst wenn die Kündigung auf pflichtwidriges Verhalten der Versicherung zurückzuführen gewesen wäre. Eine Differenzierung nach dem Grund der Kündigung fehlte in der Klausel vollständig, was das Gericht als gesetzeswidrig einstufte. Bereits nach der Entscheidung des Landgerichts gab es keine Rückzahlungspflicht.
Das OlG führte aus:
„Da die Klausel hinsichtlich der geregelten Rückzahlungspflicht bezüglich der aufgrund der Vereinbarungen gezahlten Zuschüsse nicht danach differenziert, welche der Vertragsparteien die fristlose Kündigung ausgesprochen hat, wird der Beklagte unangemessen benachteiligt, weil eine Rückzahlungspflicht auch dann entsteht, wenn er selbst aus wichtigem Grund, der auf einer Pflichtverletzung der Klägerin beruht, das Agenturverhältnis kündigt. In einem solchen Fall ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigt, die aufgrund der Vereinbarungen gezahlten Zuschüsse zurückzahlen zu müssen.
Darüber hinaus verstößt die in den Zusatzvereinbarungen enthaltene Regelung der Rückzahlungspflicht auch gegen § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB. Danach darf das in § 89a Abs. 1 Satz 1 HGB festgeschrieben Recht auf fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.
Darunter fallen insbesondere auch solche Vereinbarungen, die das außerordentliche Kündigungsrecht nur mittelbar erschweren, indem sie finanzielle Nachteile für den Kündigenden vorsehen (vgl. Ebenroth/Boujong/Semmler, HGB, 5. Aufl. 2024, § 89a Rn. 132), worunter z.B. auch Rückzahlungsklauseln hinsichtlich gezahlter Vor- und Zuschüsse fallen (vgl. Hopt/Hopt, HGB, 43. Auflage, § 89a Rn. 26). Ob die an eine Vertragsbeendigung geknüpften finanziellen Nachteile von solchem Gewicht sind, dass sie zu einer unwirksamen Kündigungserschwernis führen, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2015, VII ZR 59/14, juris Rn. 27 m.w.Nw.; OLG München, Urteil vom 09.03.2017, 223 U 2601/16, juris Rn. 34). Hier ergibt sich schon aufgrund der Höhe der zurückzuzahlenden Zuschüsse, die sich aufgrund der Praxis in dem vorliegenden Vertragsverhältnis mit Fortdauer der Zusammenarbeit ständig erhöht haben, die Unwirksamkeit nach den dargestellten Grundsätzen. Hinzu kommt, dass aufgrund der konkreten Zuschüsse, die der Rückzahlungspflicht gemäß den Klauseln unterliegen, auch solche Zuschüsse zurückzuzahlen sind, deren Zahlung für einen bestimmten Zeitraum vereinbart war, der bereits lange zurückliegt.“
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Am 14.01.025 berichtete der Handelsvertreterblog über die grundsätzliche Bemühenspflicht eines Handelsvertreters bis zum Ende des Vertrages.
Nun urteilte das Landgericht Frankfurt, ob ein Verstoß gegen diese Bemühenspflicht eine Abmahnung rechtfertigen kann und wenig später eine fristlose Kündigung. Das Landgericht meinte, der Grund für die Kündigung sei mit der Abmahnung verbraucht.
Mit Urteil vom 09.07.2024 urteilte das Landgericht Frankfurt, dass eine fristlose Kündigung eines Vermögensberaters durch die DVAG unwirksam sei und dass diese zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Nach der Übernahme der DVAG des Außendienstes der Generali schloss der Vermögensberater einen Vertrag mit der DVAG-Allfinanz.
Die DVAG warf dem Vermögensberater vor, er würde zu wenig Neugeschäft schreiben. Tatsächlich lag das Neugeschäft im Verhältnis zur Einstufung über einen Zeitraum von zwölf Monaten darunter. Außerdem soll sich der Bestand reduziert haben.
Deshalb wurde der Vermögensberater abgemahnt und aufgefordert, seine Bemühensverpflichtungen zur Vermittlung von Geschäften wieder nachzukommen.
Außerdem wurde er aufgefordert, über seine letzten Bemühungen Auskunft zu erteilen und für die Zukunft wöchentliche Kundenbesuchsberichte anzufertigen.
Der Vermögensberater kam diesem Verlangen zunächst nach. Er erzielte eine Umsatzsteigerung, berichtete über zurückliegende Vermittlungsbemühungen und reichte Kundenbesuchsberichte ein.
In Hinblick auf den Bericht über die zurückliegenden Vermittlungsbemühungen wurden dann im Laufe eines Monats immer neue Anforderungen gestellt. Während zunächst lediglich nach der Anzahl der zeitlich zurückliegenden Kundenbesuche gefragt wurde, wurde dann im Laufe weniger Wochen nach den konkreten Namen der Kunden gefragt.
Auch in Hinblick auf die aktuellen Kundenbesuchsberichte gab es im Laufe einiger Wochen geänderte Anforderungen an den Inhalt.
Deshalb verlangte der Vermögensberater eine verbindliche Konkretisierung.
Sodann wurde dem Vermögensberater fristlos, hilfsweise fristgemäß, gekündigt.
Das Landgericht meint, die fristlose Kündigung sei unwirksam. Die dem Vermögensberater vorgeworfene fehlende Bemühenspflicht hätte bereits in die Abmahnung gemündet. Die Umstände, die zur Abmahnung führen, können aber nicht zugleich die Kündigung begründen. Der Kündigungsgrund sei durch die Abmahnung insoweit verbraucht.
In Hinblick auf die Berichte meinte das Gericht außerdem, einem Vertrieb stände es nicht zu, einen Bericht über vergangene Dinge zu verlangen. Schließlich könne man an der Vergangenheit nichts mehr ändern.
Die rückwirkenden Angaben wären für den Vertrieb unter keinem Blickwinkel hilfreich gewesen, so das Gericht.
Auch wenn der Vermögensberater nicht alle Kundenbesuchsberichte, wie verlangt, abgegeben hätte, sondern etwas weniger, würde dies eine fristlose Kündigung nicht rechtfertigen.
Gegen diese Entscheidung wurde Berufung eingelegt. Das Urteil ist also noch nicht rechtskräftig.
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11 Jahre liegt es nunmehr zurück, als sich der Vermögensberater entschied, die DVAG zu verlassen.
Der Verfasser dieses Berichtes durfte den Vermögensberater bei seinem Ausstieg begleiten. Kritik wurde von dem damaligen Vermögensberater laut, weil er nicht mehr hinter den Produkten der DVAG stand und weil man als freier Versicherungsmakler mehr Provisionen verdienen können.
Der ehemalige Vermögensberater kündigte den Vermögensberatervertrag fristgemäß und arbeitete bis zum Vertragsende für die DVAG und an seiner Zukunft.
Es folgten zunächst Prozesse mit der Folge, dass ein Provisionsrückstand ausgeglichen werden sollte.
Diese Verfahren waren rasch beendet. Der ehemalige Vermögensberater wurde Versicherungsmakler.
Nunmehr nach 11 Jahren gab es wieder einen Kontakt zwischen dem Aussteiger und seinem damaligen Prozessvertreter. Natürlich wurde der Aussteiger gefragt, ob er den Schritt bereue, die DVAG verlassen zu haben.
Dies wurde ausdrücklich verneint. Stattdessen sagte der Aussteiger, er sei jetzt viel zufriedener, könne die Kunden als seine eigenen betrachten und würde zudem viel mehr Provisionen verdienen. Während er früher nur ein paar hundert Kunden hatte, konnte er diese Zahl mehr als verdreifachen.
Nach 11 Jahren konnte er das Fazit ziehen, dass sich der Ausstieg in jeder Hinsicht gelohnt hat.
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Handelsvertretern, auch denen, die den Versicherungskonzernen großen Umsatz bescheren, erhalten für Streitigkeiten aus dem Handelsvertreterbereich keinen Rechtsschutz. Egal, ob es um Provisionen, Kündigungen, Abmahnungen oder Ausgleichsansprüche geht, gibt es immer wieder die Ablehnung von Rechtschutzversicherern.
Hoffnung keimte auf, weil es jetzt eine etwa 30 Jahre alte Police bei der Deurag mit dem Zusatz KombiRS für Handelsvertreter gab. Doch auch hier kam eine Ablehnung mit dem Verweis auf die ARB.
Rechtsschutzversicherungen für Handelsvertreter werden allerdings teilweise über Berufsverbände angeboten.
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Der Handelsvertertervertrag wurde gekündigt. Die Motivation des Vermögensberaters soll danach auf Null gesunken sein.
Nun entschied das Oberlandesgericht Köln am 22.09.2023 unter dem Az 19 U 150/22, dass ein Handelsvertreter sich bis zum Ende des Handelsvertretervertrages zu bemühen hat, eben auch in der Kündigungsphase. Bemüht er sich nicht, macht er sich ggf. schadenersatzpflichtig. Dies gilt auch, wenn der Handelsvertreter nur nebenberuflich tätig war.
Das Oberlandesgericht begründete dies in etwa so:
Bemüht sich ein Handelsvertreter nach der Vertragskündigung nur unzureichend um neue Geschäftsabschlüsse, so haftet er wegen Verletzung seiner Pflicht aus § 86 I 1 HGB auf Schadensersatz.
Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte ein im Nebenberuf tätiger Handelsvertreter seinen Vertretervertrag mit seinem Geschäftsherrn, der OVB Vermögensberatung, gekündigt. Bereits unmittelbar nach der Kündigung weigerte er sich aus Sicht der Klägerin, weiterhin zur Absatzförderung der Produkte seines ehemaligen Auftraggebers beizutragen. Dies führte zum Rechtsstreit.
Das klagende Finanzdienstleistungsunternehmen meinte, dass der Umsatz des Handelsvertreters nach seiner Kündigung vom 01.08.2020 erheblich eingebrochen sei, was auf eine unzureichende Ausübung seiner Pflichten zurückzuführen sei.
Das OLG Köln entschied zugunsten des Unternehmens und sprach dem Unternehmen einen Schadensersatzanspruch gegen den ehemaligen Handelsvertreter zu. Dem Handelsvertreter obliege zwar keine Abschlusspflicht, sondern nur eine Bemühenspflicht. Den signifikanten Umsatzeinbruch im Vergleich zu den Vorjahren hatte das Gericht aber als Verletzung dieser Pflichten angesehen.
Der Handelsvertreter hätte demnach im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast konkrete Umstände vorbringen müssen, die den Umsatzrückgang erklären. Ein Verweis auf die Corona-Pandemie würde nicht ausreichen.
Auch die Vermittlung um Schulungen und die Rettung notleidender Verträge wollte das Gericht nicht genügen lassen. Vorgehalten wurde dem Handelsvertreter, dass er nur 13 Kundenbesuche getätigt habe.
Die Bemühenspflicht des Handelsvertreters ende nicht automatisch mit der Kündigung, meint das OLG Köln. Vielmehr gelte die Absatzförderungspflicht auch in der Zeit zwischen Kündigungserklärung und Wirksamwerden der Kündigung, d.h. in der Schwebezeit zwischen erklärter Kündigung und Vertragsende, fort. Das gilt für Handelsvertreter gemäß § 86 I 1 HGB
Die Höhe des Schadensersatzanspruchs konnte jedoch nicht allein auf Grundlage der Umsatzdifferenz zwischen den Vergleichszeiträumen der Vorjahre und der Zeit nach der Kündigung geschätzt werden. Das OLG berücksichtigte eine Schwankungsbreite von 30% bei der Schadensschätzung, da bei Feststellung einer Pflichtverletzung nicht jede Abweichung beim Vermittlungserfolg zwangsläufig einen Schaden des Unternehmens darstelle.
Das Urteil des OLG Köln unterstreicht, dass ein Handelsvertreter „bis zum bitteren Ende“ tätig bleiben muss. Es ist zu empfehlen, die einzelnen Tätigkeiten zu dokumentieren, so dass man belegen kann, dass man sich bemüht hat.