Juni
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2012OLG Naumburg: Vertragsstrafenregelung unwirksam
Am 29.02.2012 entschied das Oberlandesgericht Naumburg, dass eine Vertragsstrafenregelung unwirksam sei und deshalb der Handelsvertreter nicht zahlen müsse.
Das Unternehmen verlangte die Zahlung eines Betrages in Höhe von 15.000,00 € aus einer Vertragsstrafe aufgrund eines Aufhebungsvertrages. Ferner verlangte es von dem Handelsvertreter, Auskunft darüber zu erteilen, welche weiteren Versicherungen und Anlagen „fremd“ vermittelt worden seien sowie den sich aus der Auskunft ermittelten Schaden zu ersetzen.
Das Oberlandesgericht Naumburg meinte, dass die Klausel gemessen an §§ 138, 242 BGB den Handelsvertreter sittenwidrig an seiner nachvertraglichen Berufsausübung als freier Finanzmakler benachteilige und deshalb nichtig sei.
Das Gericht dazu:
„Nachvertragliche Wettbewerbseinschränkungen sind nach ständiger Rechtssprechung am Maßstab von Art. 12 GG, § 138 Abs. 1 BGB zu messen. Sie dürfen insbesondere nicht dazu eingesetzt werden, frühere Mitarbeiter als Wettbewerber auszuschalten. Ihre Wirksamkeit hängt davon ab, dass sie in räumlicher, gegenständlicher und zeitliche Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreiten (unter anderem Bundesgerichtshof NJW 2010, 1206). Wenn die Wettbewerbsklausel ausschließlich die zeitlichen Grenzen überschreitet, im Übrigen aber unbedenklich ist, kommt eine geltungserhaltende Redaktion auf den zulässigen Zeitraum in Betracht; die Missachtung der gegenständlichen und räumlichen Grenzen hat aber die Nichtigkeit des Verbots zur Folge (vergleiche Bundesgerichtshof NJW 2005, 3061).
Die Bestimmung in Nr. 4 b des Aufhebungsvertrages geht nicht nur zeitlich, sondern auch in gegenständlicher Hinsicht weit über das erforderliche Maß hinaus.
Sie verbietet dem Kläger unbefristet in die Zukunft hinein jedwede Konkurrenztätigkeit in Bezug auf Kunden der Klägerin. Dieses an die Dauer der Existenz der Klägerin über das beklagtengebundene Wettbewerbsverbotes benachteiligt den Beklagten in seiner Berufsfreiheit allein deswegen schon unangemessen. Ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin, Wettbewerbstätigkeit des Beklagten für diesen unabsehbaren Zeitraum auszuschließen, ist nicht erkennbar. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht besteht grundsätzlich kein Anspruch auf den Fortbestand eines einmal begründeten Vertragsverhältnisses. Der Kundenkreis ist kein geschütztes Rechtsgut. Das Abwerben von Kunden gehört zum Wesen des Wettbewerbs, auch wenn die Kunden noch an den Mitbewerber gebunden sind.“
Das Gericht wollte auch keine geltungserhaltende Reaktion auf einen kleineren Zeitraum mitmachen. Schließlich schränke das Wettbewerbsverbot den Beklagten auch sachlich unangemessen in seiner Berufsausübung ein.
Schließlich sei vom Wettbewerbsverbot nicht nur bestehende Altverträge, sondern auch Neuabschlüsse des Unternehmens mit umfasst. Außerdem umfasse der Wortlaut jedweden Finanzdienstleistungsvertrag.
Das Unternehmen hat nach Ansicht des Gerichts Gründe nicht dargetan, warum ihr Interesse, diesen Kundenstamm ohne Wettbewerb langfristig an sich zu binden, schutzwürdiger sein soll, als das des Handelsvertreters an freier Berufsausübung. Die Unbilligkeit des entschädigungslos vereinbarten Wettbewerbsverbotes liege darin, dass der Handelsvertreter seine Abschlüsse als freier Finanzvermittler darauf auszurichten habe, ob bereits bestehende Verträge durch das Unternehmen vermittelt worden sei und er zunächst bei allen potentiellen Kunden nachfragen müsse, ob sie bereits vertraglich an das Unternehmen gebunden seien.
Das Gericht ging davon aus, dass dem Unternehmen auch kein Auskunfts- bzw. Schadenersatzanspruch zustehe. Schließlich sei das Vertragsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag beendet worden und damit die Regelungen des ursprünglichen Vertrages aufgehoben worden. Da jedoch die Klausel gemäß Nr. 4 b nichtig sei, umfasse dies nicht den gesamten Aufhebungsvertrag, sondern beschränkt sich auf die einzelne Abrede. Denn die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) stehen der Anwendung von § 139 BGB entgegen.
Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg vom 29.02.2012 Aktenzeichen 5 U 202/11
Auch das Landgericht Halle hatte zuvor unter dem Aktenzeichen 5 O 1870/10 die Klage abgewiesen.