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Der AWD ist bislang in unserem Blog reichlich kurz gekommen. Gleiches Recht für alle!
„Dem AWD laufen die Kunden und Vermittler weg“ titelt heute das Versicherungsjournal:
Die Anzahl der beratenen Kunden war im Vergleich zum Vorjahresquartal um mehr als 20.000 oder knapp 14 Prozent auf 130.800 gesunken, während die Vermittlerzahl in den ersten drei Monaten von 6.493 um 320 auf 6.173 zurückgegangen war.
Und weiter:
Der Umsatz zwischen April und Juni ging im Vergleich zum zweiten Quartal 2007 vergleichsweise moderat um knapp 16 Prozent auf 159 Millionen Euro zurück.
In einem weiteren Artikel vom gleichen Tage heißt es „Es geht auch ohne bestandene Sachkundeprüfung“
Sonderfall Schweiz
Da die Schweiz weder der EU noch dem EWR angehört, mussten Vermittler aus der Schweiz bislang eine deutsche Erlaubnis beantragen. Ab sofort ist diese Pflicht für Schweizer Vermittler entfallen. Das vom deutschen Bundeskabinett beschlossene 3. Mittelstandsentlastungs-Gesetz und ein neues bilaterales Abkommen zwischen der Schweiz und Deutschland beseitigen diese Hürde.
Schweizer Vermittler oder für Schweizer Firmen tätige Vermittler benötigen keine gesonderte Erlaubnis oder Registrierung in Deutschland mehr. Auch in den § 34 d Abs. 5 der deutschen Gewerbeordnung soll die Schweiz neu aufgenommen werden.
Das passt den neuen Schweizer Eigentümern des AWD natürlich ganz praktisch ins Konzept:
Ob die Registrierung in der Schweiz die Registrierung in Deutschland in Form von internationalen Vermittlern unterläuft gilt es, abzuwarten. Auffällig ist zum Beispiel, dass sehr viele AWD-Vermittler in der Schweiz registriert sind.
Da wurde wohl mal wieder nichts ausgelassen, um den Verbraucherschutz zu umgehen. Pflichtlektüre ist in diesem Zusammenhang der Artikel „Eine Lachnummer“ von Lutz Reiche im manager magazin.
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…. es ist eine Frage der Psychologie. Wer würde bei einem unserer Strukturvertriebe beginnen, wenn man ihm sagen würde: Lieber neuer Kollege, fange schon einmal an, zu arbeiten, Deinen Lohn erhälst Du aber erst nach etwa drei Jahren?
Der Versicherungsvertreter würde sich sicher eine andere Tätigkeit suchen. Um dies zu verhindern, also den Versicherungsvertreter „anzuködern“, wird dem Versicherungsvertreter ein Vorschuss gezahlt. Diese wird – wie bei allen großen Strukturvertrieben – als Provision bezeichnet und später verrechnet.
Andere zahlen – wie die MLP – feste Vorschüsse und will diese dann später mit verdienten Provisionen verrechnen. Dieses Modell leidet jedoch unter dem Verdikt, dass hier ohne Genehmigung der BaFin Darlehen ausgezahlt werden.
Beiden Modellen ist jedoch gemein, dass die Anfütterung zunächst funktioniert. Der Versicherungsvertreter freut sich auf die frühen Zahlungen, obgleich ihm das Gesetz noch keine Provision zugebilligt hätte. Wer kann da schon nein sagen.
Wie alle anderen Darlehen auch, haben jedoch beide Modelle einen entscheidenden Nachteil: man muss sie zurückzahlen. Das wirkt sich so aus, dass sämtliche Vorschüsse von da an gestoppt werden, so bald der Vermögensberater sich von der Gesellschaft verabschieden will. Mit dem, was er jetzt verdient, darf er das zurückzahlen, was er zuvor als Darlehen erhalten hat. Arbeiten darf er jetzt, ohne Geld zu verdienen.
Dieses hat aus Sicht seines Erfinders einen weiteren großen Vorteil. Der fröhlich mit schnellem Geld angelockte Vermögensberater darf nun die oftmals lange Kündigungsfrist von z.T. mehr als einem Jahr für die Gesellschaft arbeiten, und gleichzeitig das zurückzahlen, was er früher schon bekommen hat. Der Vorteil liegt doch klar auf der Hand:
Der so fröhlich angelockte Berater wird es sich dreimal überlegen, aufzuhören, wird er sich das Ausscheiden wohl oftmals nicht erlauben können. Es sei denn, man kennt jemanden, der den jetzt nicht mehr so fröhlichen Berater finanziell unterstützt.
Bei aller Ironie: Jeder, der vor der Entscheidung steht, einem solch umstrittenen Strukturvertrieb beizutreten, sollte sich diesen brutalen Mechanismus vor Augen halten. Es gab Richter, die von moderner Leibeigenschaft gesprochen haben…
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Die verlorene Ehre der MLP AG
Finanzvertriebe verbieten ihrem Vertriebspersonal oft im Kleingedruckten in den Handelsvertreter-Verträgen, schlecht über das Unternehmen zu reden, was auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses weiterhin gelten soll. Schließlich sollen ja auch künftige Handelsvertreter ihre schlechten Erfahrungen selber machen.
Dass man sich bei MLP mit der Meinungsfreiheit schwer tut, ist bekannt. Dieses Jahr nun hatte MLP unsere Kollegin, Rechtsanwältin Frau Jakobs, die an diesem Blog mitwirkt, wegen Äußerungen verklagt, die sie vor Gericht in Ausführung ihrer Tätigkeit für MLP-Aussteiger machte. Sie verglich in Prozessen die doch reichlich spezielle Firmenkultur bei MLP mit den Strukturen einer Sekte. Wäre dieser Vorwurf haltlos, so hätte man sich hiergegen mit Argumentation wehren können. Offenbar beurteilte MLP entsprechende Erfolgsaussichten selbst als schwach. Alternativ hätte sich die gekränkte MLP AG auch bei den betroffenen Richtern beschweren können, denen die Sitzungsleitung obliegt.
Stattdessen aber strengte sie einen zivilrechtlichen Prozess an, welcher der Anwältin den Vergleich ein für alle mal untersagen sollte. Erstaunlicherweise erwirkte MLP beim Landgericht Wiesbaden tatsächlich eine einstweilige Verfügung. Beim Widerspruchstermin kam es zu einem Eklat, als sich gerausstellte, dass der entsprechende Richter befangen gewesen war. Letztlich musste das Landgericht Wiesbaden die Verfügung wieder aufheben, denn weder war es zuständig, noch darf man Anwälten pauschale Maulkörbe verpassen. Anwälte nehmen nämlich vor Gericht „besondere Interessen“ wahr. Wenn sie die Form wahren und sachlich bleiben, dürfen sie vor Gericht vortragen, was sie für richtig halten.
Für MLP war die Blamage offenbar noch nicht peinlich genug, denn MLP hat umgehend die Hauptsacheklage eingereicht und ist wegen der Entscheidung im Verfügungsverfahren in Berufung gegangen. Gerichte werden demnächst also klären, wie vergleichbar MLP mit einer Sekte ist! Mehr PR konnte MLP der Kollegin kaum liefern – gratis natürlich!
Heute diente der skurrile Rechtsstreit vor dem Landgericht Wiesbaden als Einstieg in einen Artikel der Financial Times Deutschland, der sich gewaschen hat: Die Talfahrt von MLP.
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Zitate aus dem Gerichtssaal :
…… Dann erfahren auch langjährige und mitunter verdiente und erfolgreiche Mitarbeiter ähnliches, wie es in einem Rechtsstreit geschehen ist. Da wird man dann schon als oberflächlich, nicht sonderlich intelligent, beschämend in Bezug auf die Umsätze, erfolglos und untätig, Abkassierer, „Nichtumsätzler“ tituliert. Ich habe einige dieser Originalzitate einmal aufgelistet:
- … Großzügigkeit und Oberflächlichkeit im Umgang mit Fakten, wie es dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten eigen ist
- Nicht sonderlich intelligente Polemik
- Beschämende Umsätze
- Erfolglosigkeit und Untätigkeit des Klägers
- Betreuungsprovisionen zu „kassieren“
- Vor dem Hintergrund dieser Umsätze, besser Nichtumsätze…
- …diese schon als unseriös zu bezeichnende Vortragsweise der Gegenseite
- Abkassieren der Kundenbetreuungsprovisionen
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Die Wieslocher MLP AG galt bis 2002 als der Edelste unter den Finanzvertrieben. Man stellte als Vertriebspersonal möglichst ausschließlich Akademiker ein, die mit der bevorzugten akademischen Klientel auf einer Wellenlinie lagen. Um sich von den klassischen Versicherungsvertretern abzugrenzen, aber auch um Akademiker bereits auf der Uni abzufischen und den Studierenden die Identifikation zu erleichtern, verzichtete man auf Krawatte und ähnliche Anachronismen. Stattdessen herrschte bei MLP eine „Jeans-Philosophie“. Mehr noch: Alle MLPler hatten sich zu Duzen, inklusive Vorgesetzte und so weiter.
MLP-Gründer Manfred Lautenschläger ließ es sich nicht nehmen, die Welt mit einer nicht anders als peinlich zu bezeichnenden Biographie mit dem „bescheidenen“ Titel „Mythos MLP“ zu beglücken. In seinem Buch wettterte Lautenschläger nach Kräften gegen seine Konkurrenten, die Strukturvertriebe. Namentlich nannte er Carsten Maschmeyers AWD und die DVAG, an der er kein gutes Haar ließ. Vom Mythos blieb nach dem MLP-Skandal von 2002 nur der auf 10% zusammengesackte Börsenwert übrig.
Bereits damals ließ MLP die Öffentlichkeit wissen, hinter der schlechten Presse stecke eine Intrige einer englischen Investmentbank, die eine feindliche Übernahme einstiele. Die Geschichte, die von vielen Fachleuten als durchsichtige Abwehr-PR gedeutet wird, bleibt bis heute rätselhaft. So soll eine englische Bankerin einen verheirateten MLP-Vorstand verführt und dann erpresst haben. Im Büro des damaligen MLP-Chefs will man eine Wanze gefunden haben, was den Verdacht auf Insidergeschäfte hätte entkräften können – trotzdem gab es keine Freisprüche.
Letztes Jahr führten MLP und AWD ausgedehnte Verhandlungen über eine Fusion. Eine zwielichtige Rolle spielte dabei MLP-Finanzvorstand Nils Frowein, der zuvor für den AWD gearbeitet hatte. Nach den gescheiterten Übernahmeverhandlungen beendete er unter geheimnisvollen Umständen seine Vorstandstätigkeit abrupt. Schon kurze Zeit später ward er wieder in den Diensten des AWD gesehen. Nicht wenige halten Frowein daher für ein „U-Boot“.
Nun griff Maschmeyer erneut nach MLP. Durch den Verkauf seiner AWD-Aktien an den Versicherer Swiss Life war Maschmeyer liquide genug, über Nacht ca. 27% der MLP-Aktien zu erwerben. Dies fiel nicht auf, da zur Tarnung unter anderem eine Bank dazwischengeschaltet war, und weil Maschmeyer als gewiefter Geschäftsmann die Kunst des Schweigens beherrscht: Es hat den Anschein, dass Maschmeyer den Deal nicht mit Swiss Life abgestimmt und diese ihn heute leicht zurückgepfiffen hat. Jedenfalls die Börse hielt nichts von dem MLP-Abenteuer und reduzierte den Aktienkurs von Swiss Life um 10%. Angesichts der schwachen Zahlen, die MLP gegenwärtig vermeldet, darf man Zweifel anmelden, ob der Kaufentscheidung rationale Argumente zugrunde lagen.
Maschmeyer begründet seinen Deal mit seiner Vision, die Nummer 1 der Finanzvertriebe werden zu wollen – weltweit. Die Nummer 2 in Deutschland ist bereits sein AWD, dem er noch immer vorsitzt. Personell ungleich größer ist nach wie vor die DVAG. Die interessanteste Klientel bedient aber nun einmal MLP, da Akademiker typischerweise die höheren Einkommen haben. Allerdings sind bei MLP die guten Zeiten unübersehbar vorbei, die Stimmung tendiert in Richtung Nullpunkt, die besten Leute wandern seit langem ab.
Für kündigende MLPler, die an den Flair ihres „elitären“ Unternehmens geglaubt haben, bricht in dem Moment eine kleine Welt zusammen, in dem sie erstmals ein Anschreiben erhalten, in dem sie gesietzt werden: Sie gehören nicht mehr zur Familie, sind Abtrünnige. Für Aussteiger zeigt man in Wiesloch wenig Verständnis. Im Umgang mit Ehemaligen nehmen sich die ganzen Finanzvertriebe wenig. Zu verschenken hat man nichts, weder in Wiesloch, Hannover oder Frankfurt. Handelsvertreter, die glauben, sie hätten Ansprüche auf ausstehende Provisionen, mögen Recht behalten – aber nicht ohne weiteres bekommen.
Siehe auch: Die MLP AG und die Meinungsfreiheit
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…ich erhielt heute einen Anruf. Dies ist nichts außergewöhnliches, der Grund des Anrufes war jedoch für mich überraschend.
Der Anrufer meinte, er stehe kurz davor, seine Bäckerausbildung zu beenden. Nun sei er jedoch von einem Strukturvertrieb angesprochen worden. Dort habe man ihm ein hohes Gehalt versprochen, tolle Arbeit und ein Auto mit einem hohen Benzinverbrauch.
Dennoch war er unentschlossen. Er hatte viel schlechtes über den Vertrieb gehört und erlaube sich, einmal nachzufragen.
Ich sagte ihm, ich sei ja nur Anwalt und könne ihm nur von dem Prozessen berichten. Also erzählte ihm von den unzähligen Verfahren, in denen viele verstrickt sind. Ich erzählte ihm, dass es zu Beginn der Tätigkeit großzügige Provisionsvorschüsse gebe. Kündigt man aber, wird man gezwungen, den Rest einer langen Kündigungsfrist von oft über einem Jahr auszuhalten, ohne dass die Provisionen sofort ausgezahlt würden. Jetzt heißt es, die Provisionen gibt es nicht mehr als Vorschuss, sondern erst dann, wenn sie kraft Gesetzes ausgezahlt werden müssten, also erst nach Jahren.
Mein Gesprächspartner sagte dann noch etwas von Knebelung und dass es so etwas heute noch gebe.
Er bedankte sich für das Telefonat und sicherte mir zu, dass er den seriösen Bäckerberuf vorziehen werde und sich nicht einfangen lassen werde.
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Ein Mandant hat 3.000,- Euro über und fragt einen Berater nach einer guten Geldanlage. Ein Jahr später müssen der Mandant und seine Lebensgefährtin Privatinsolvenz anmelden sowie die bezahlte Eigentumswohnung verlassen.
Wie kann so etwas passieren?
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