Wie weit geht die Berichtspflicht?

Immer wieder gibt es Streit um dog. Wochenberichte. Diese könnnen dem Handelsvertreter im Ausnahmefall gem. § 86 HGB auferlegt werden. Wie weit darf der Handelsvertreter durch einen solchen Bericht in Anspruch genommen werden?

Das Oberlandesgericht Köln entschied am 03.03.1971 unter dem Aktenzeichen 2U 36/70, dass es grundsätzlich eine Berichtpflicht geben kann. Der Handelsvertreter ist danach jedoch nicht gehalten, über jeden seiner Schritte und Besuche Bericht zu erstatten.

Es wird noch einmal darauf hingewiesen, dass ein Handelsvertreter selbständig und frei arbeitet und grundsätzlich Weisungen nicht unterzogen ist. 

Nach der Rechtsprechung des BGH mit Urteil vom 24.09.1987 unter dem Aktenzeichen I ZR 243/85 rechtfertigt nicht einmal die Weigerung, einen Wochenbericht anzufertigen, eine entsprechende fristlose Kündigung. Der BGH wies ausdrücklich darauf hin, dass das Vertrauensverhältnis der Parteien nicht dadurch erschüttert wird, weil der Handelsvertreter seine Berichtspflicht nicht so nachkommen würde, wie es der Vertrieb vorgegeben hat. Sinn der Berichtspflicht sei es, dem vertretenen Unternehmer stets die erforderlichen Informationen zukommen zu lassen, um ihm ein möglichst umfassendes Bild über die Marktsituation zu verschaffen und ihm auch einen Überblick über die konkrete Vermittlungstätigkeit des Handelsvertreters zu geben (vgl. dazu Küstner, Handbuch des gesamten Ausdienstrechts, Band I, Randnr. 201). In der dort genannten Entscheidung hatte der Kläger laufend berichtet, nur nicht in der von dem Vertrieb verlangten Form.

Die Grundsätze ein Relikt vergangener Zeiten

Am 01.11.1976, also vor 48 Jahren, schufen der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e.V., der Bundesverband der Geschäftsstellenleiter der Assekuranz e.V. und der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) haben die Grundsätze zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs.

Je nach Versicherungssparte werden danach für die privaten Krankenversicherungen, für dynamische Lebensversicherungen und für Sachversicherungen getrennte Berechnungen zur Ermittlung des Ausgleichsanspruchs herangezogen.

Beispielhaft wird bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs bei den dynamischen Lebensversicherungen von den jeweiligen Versicherungssummen ausgegangen. Versicherungssummen waren tatsächlich einmal vorrangig Bestandteil üblicher Provisionsabrechnungen. Das ist lange her.

Zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs für die Lebensversicherungen wird es dann abenteurlich. Wenn man die erste Stufe erklommen hat und irgendeine Summe ermittelt hat, soll diese nach den Grundsätzen im Jahre 1975 mit 0.11, im Jahre 1976 mit 0.10 usw. berechnet werden. In den Jahren 1980ff. beträgt dieser Wert 0,08. Ganz offenkundig hat man die Lebensdauer der Grundsätze weit über das Jahr 1980 nicht in Betracht gezogen.

Bildet man beispielsweise eine Versicherungssumme von 100.000 €, käme man zu einem Zwischenstand von 8.000 €. Anschließend gibt es noch einen Bonus für die Dauer der hauptberuflichen Tätigkeit. Zu Beginn beträgt dieser 1, ab dem zehnten Jahr 1,25 und ab dem zwanzigsten Jahr 1,5. Wenn ein Vertreter bei diesem Beispiel 9 Jahre dabei war, würde er in diesem Fall 8.000 € erhalten.

Entsprechend der geschichtlichen Einordnung der Grundsätze erfolgt die Auszahlung nach den Grundsätzen in D-Mark.

Sind die Grundsätze noch zeitgemäß und gerecht? Gemäß § 89b kann der Handelsvertreter einen Ausgleich verlangen, wenn und soweit der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und die Zahlung der Billigkeit entspricht. Die Vorteile des Unternehmens bestehen in erster Linie darin, dass das Unternehmen dem Handelsvertreter keine Provisionen mehr zahlen muss (vgl. Bundesgerichtshof Urteil vom 23.11.2011 Az.: VIII ZR 203/10). Tenor dieser Entscheidung ist auch, dass der BGH an den Grundsätzen im  Rahmen einer Schätzung festhält.

Wann ein ausgeschiedener Vermittler keine Besuchsaufträge bekommen darf

Wenn ein vermittelter Versicherungsvertrag storniert wird, müssen zu weilen Provisionsvorschüsse zurückgezahlt werden.

Gemäß § 87a Abs. 3 Satz 2 HGB entfällt die Rückzahlungspflicht jedoch, wenn das Unternehmen die Stornierung zu vertreten hat. Das Unternehmen ist demnach zur Stornobekämpfung/Nachbearbeitung verpflichtet.

Der Bundesgerichtshof entschied immer wieder, dass diese Nachbearbeitung so stattfinden kann, dass das Versicherungsunternehmen dem ausgeschiedenen Versicherungsvertreter Stornogefahrmitteilungen übersenden kann. Man spricht dann auch oft von Besuchsaufträgen. In diesen Besuchsaufträgen muss darüber informiert werden, dass ein Versicherungsvertrag notleidend ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich das Unternehmen aussuchen, ob es die Stornobekämpfung im eigenen Hause durch einen Bestandsnachfolger vornehmen lässt, oder aber der Besuchsauftrag an den ausgeschiedenen Vertreter schicken kann.

Die Strukturvertriebe gehen dabei nicht einheitlich vor. Die Deutsche Vermögensberatung DVAG zum Beispiel lässt die Stornobekämpfung im eigenen Hause durch den Bestandsnachfolger vornehmen, wenn ein Vermögensberater ausgeschieden ist. Die OVB und auch MLP senden die Besuchsaufträge an den ausgeschiedenen Mitarbeiter.

Gegenstand der Besuchsaufträge sollten dann die konkreten Daten über den Versicherungsvertrag, der Grund der Stornobekämpfung und natürlich auch die entsprechenden Daten des Versicherungsnehmers bis hin zu den Kontaktdaten enthalten.

An dieser Stelle wird es problematisch.

Verfügt der ausgeschiedene Handelsvertreter über keine Erlaubnis gemäß § 34d GewO mehr, so darf er den Kunden in Hinblick auf eine drohende Stornierung nicht beraten!

Es besteht hier ein absolutes Tätigkeitsverbot!

Dies ist in den bisherigen Entscheidungen des BGH völlig unberücksichtigt geblieben.

Bedenklich ist auch, ob eine solche Mitteilung mit der Datenschutzgrundverordnung in Einklang steht.

Die Schubladenerlaubnis

Was ist einer Schubladenerlaubnis?

Wer Versicherungen vermitteln will oder über Versicherungen beraten will, bedarf einer Zulassung gemäß § 34d GewO.

Die Voraussetzungen sind dort klar geregelt. Zusammenfassend muss eine entsprechende Ausbildung vorhanden sein, eine entsprechende Haftpflichtversicherung bestehen, man muss zuverlässig sein und kann dann eine entsprechende Erlaubnis einholen, gemäß § 34d GewO tätig zu werden.

Möchte man vermitteln, muss man sich im Vermittlerregister eintragen lassen.

Es gibt Vermittler, die einen Wechsel beabsichtigen. Diese lassen sich dann zunächst im Vermittlerregister löschen. Die Erlaubnis bleibt aber gleichzeitig bestehen.

In diesem Zusammenhang spricht man von einer Schubladenerlaubnis.

Nach telefonischer Auskunft der IHK Münster dürfte man trotzdem dann wohl weiterhin vermittelnd tätig sein. Hinzugefügt werden muss jedoch, dass dies keine rechtssichere Auskunft ist.

Arbeitnehmer ging leer aus

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte am 27.06.2023 unter dem Aktenzeichen 6 Sa 237/22 über unklare Provisionsregelungen zu entscheiden.

Ein Arbeitnehmer, der weitgehend von Provisionen lebt, machte vor Gericht klageweise Provisionen geltend.

Die Auftragsvergabe durch Kunden die der Arbeitnehmer aquirierte, erfolgte dergestalt, dass nach einem Erstkontakt ein erster Termin stattfindet. Anschließend wird eine Maschine nach Kundenwunsch konfiguriert und ein Richtpreis festgesetzt, ein Angebot für den Kunden gestellt, der Auftrag nach Prüfung freigegeben. Ganz zum Schluss erfolgt die Einbuchung per Knopfdruck in das interne Bestellsystem.

Der Kläger war erkrankt. Vor der Erkrankung habe er viele Vorarbeiten geleistet. Er habe Maschinen angeboten. Den letztendlichen Knopfdruck konnte er jedoch nicht tätigen, weil er erkrankt war.

Der Arbeitnehmer machte dann einen Teil seiner Provisionen geltend. Er verlangte die Provision nicht zu 100 %, sondern lediglich zu einem Teil.

Doch damit scheiterte er sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz.

Das Landesarbeitsgericht begründete dies damit, dass die Einbuchung der finalisierten Maschinenaufträge für die Entstehung des Provisionsanspruchs Voraussetzung sei. Dies ergebe sich aus der Auslegung der entsprechenden Vertragsklausel.

Nach der Vertragsklausel soll der Arbeitnehmer eine Provisionszahlung in Höhe von 3 % des Nettowarenwertes aller von ihm eingebuchten Maschinenaufträge erhalten. Dieser Wortlaut würde dafürsprechen, dass es ausschließlich auf die Einbuchung per Knopfdruck ankommt.

Der Kläger wünschte entsprechend des § 87 Abs. 1 HGB behandelt zu werden. Danach hat ein Handelsvertreter Anspruch auf Provisionen für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind. Nach § 87 HGB kommt sogar eine Teilung der Provisionen durch verschiedene Handelsvertreter in Betracht, wenn der Handelsvertretervertrag beendet ist.

Das Landesarbeitsgericht unterzog die vertragliche Regelung, wonach der Arbeitnehmer keine Provisionen bekommen sollte, einer Prüfung im Sinne des § 307 BGB, weil es sich bei dem Vertrag um allgemeine Geschäftsbedingungen handeln würde.

Dabei meinte das Gericht jedoch, dass die Klauseln nicht intransparent seien. Schließlich würde sich darauf klar entnehmen lassen, dass nur durch die Einbuchung Provisionen verdient werden.

Der Kläger würde auch nicht unangemessen benachteiligt werden gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Der Kläger könne sich jedoch nicht auf § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB berufen. Schließlich sei eine vertragliche Abweichung von dieser Norm möglich. § 87 sei „dispositiv“ (BAG 22.01.2015 – VII ZR 87/14). Danach würde die vertragliche Regelung den Vorzug finden.

Außerdem regele § 87 HGB nicht die Verteilung der Provisionen, wenn mehrere Handelsvertreter an einem während des Bestehens ihres Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäftes mitgewirkt hätten. Gemäß Abs. 3 ist von einer Teilung die Rede, wenn ein Geschäft nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen ist.

Der Arbeitnehmer hatte dann noch eine Klage auf Rechnungslegung und Auskunft im Wege einer sogenannten Stufenklage eingereicht. Grundsätzlich darf das Gericht eine solche Klage nicht schon vollständig auf der ersten Stufe abweisen. Ausnahmsweise kommt aber eine einheitliche Entscheidung über die mehreren in einer Stufenklage verbundenen Klageanträge in Betracht, wenn schon die Prüfung des Auskunftsanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt (BAG 09.11.2021 – 1 AZR 206/20; BGH 16.06.2010 Az.: VIII ZR 62/09).

Der Arbeitnehmer ging danach insgesamt leer aus.